Die Gigabitgesellschaft - Möglichkeiten technologischer Innovationen

Das einheitliche Verständnis und die Definition der «Gigabitgesellschaft» steht noch aus. Einige sehen darin ausschliesslich die flächendeckende Verfüg­barkeit von Internetzugängen mit einer Datenübertragung von einem Gigabit oder mehr für jedermann. Oft verbinden sich damit die Schlagworte «Fiber to the Street» (FTTS), «Fiber to the Building» (FTTB) oder «Fiber to the Home» (FTTH). Aus meiner Sicht gehören neben der Infrastruktur mindestens genauso wichtig Anwendungen und auch die Anwender zur Gigabitgesellschaft.

Wesentlich ist im beruflichen Kontext für die Digitalisierung betrieblicher Abläufe neben ausreichender Rechenleistung der IT-Systeme auch die entsprechende Vernetzung von Gegenständen (untereinander und mit den Menschen, die sie nutzen): d. h. das Internet der Dinge.

Für die Zukunft wird es essentiell, dass stabile Telekommu­nikationsnetze überall und jederzeit verfügbar sind: Entlang aller Verkehrswege wie Strassen, Autobahnen, Bahntrassen und Schifffahrtsstrassen. Bereits jetzt findet ein solcher Aus­bau statt: Immer mehr Fahrzeuge, Züge und auch Flugzeuge sind direkt mit dem Internet vernetzt. Fahr­zeuge werden über das Netz gesteuert und automatisiert. Von der technischen Warte aus gesehen, wird es sich beim Netz für die Gigabitgesellschaft um eine Mi­schung aus Festnetz- und Mobilfunktechnologien handeln. Wo notwendig, werden die Telekommunikationsnetze der Zukunft Rechenleistung «vor Ort» zur Verfügung stellen. Das können Server in Basisstationen entlang der Autobahn sein, welche die für die Verkehrssteuerungsfunktionen notwendigen Berechnungen direkt vor Ort ausführen. Sie werden bei­spielsweise benötigt, um autonom fahrende Autos bei Über­holvorgängen zu steuern oder vor einem noch nicht sicht­baren Stauende zu warnen.

Ein genauerer Blick auf die Netze zeigt, dass die Gigabitge­sellschaft nicht nur neue Zugangstechnologien (wie 5G) be­nötigt. Die sogenannten Kernnetze, in denen grosse Daten­mengen in hoher Geschwindigkeit transportiert und verar­beitet werden, müssen mit den wachsenden technischen Anforderungen gleichziehen. Bei der klassischen Bereitstel­lung von Telekommunikationsdiensten – etwa Sprache, mo­biles Internet oder Fernsehen – waren diese Dienste fest mit einer bestimmten Netzinfrastruktur gekoppelt.

Im Netz der Gigabitgesellschaft hingegen werden alle Diens­te auf Basis des Internetprotokolls (IP) übertragen. Andere Technologien werden dadurch ersetzt. Dieser gemeinsame Unterbau ermöglicht es, integrierte Serviceplattformen und ein einheitliches Transportnetz für Zugangsnetze unter­schiedlicher Ausprägung zu nutzen. Die Zugangsnetze wer­den sich technisch voneinander unterscheiden, da es entscheidend ist, ob die letzten Meter zum Nutzer über Glasfaser-, Kupfer-, Koaxkabel oder per Funk überbrückt werden.

Viele neue Angebote im Umfeld von Entertainment, E-Health, E-Learning, Internet der Dinge, Virtual Reality oder Gaming erfordern konvergente All-IP-Netze. Auch für Geschäftskunden-Dienste wie Plug&Play- und Customer-Self-Service ist All-IP die Grundlage. Für Geschäfts- wie Privatkunden soll es keine Rolle mehr spielen, wie sie sich mit dem Internet verbinden; über jeden Zugang lassen sich die glei­chen Dienste und Anwendungen nutzen.

So kann man be­reits jetzt zu Hause über sein WLAN Musik auf sein Smartphone streamen und nahtlos weiterhören, selbst wenn man sich aus dem WLAN-Bereich wegbewegt. Das Smartphone er­kennt den Verbindungsverlust und schaltet die Datenüber­tragung automatisch auf das mobile Internet um. Für den Anwender geschieht das ohne persönliches Zutun.

All diesen Technologien ist gemein, dass sie Glasfaserkabel in den Tiefen des Netzes (Backbone) verwenden. Mit dem weiteren Ausbau kommt die Glasfaser kontinuierlich näher zum Kunden. Bei der Anbindung mit DSL reicht sie bis zum Ka­belverzweiger auf oder in der Strasse und bei FTTH bis in das Haus oder die Wohnung des Nutzers.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Netze der Gigabitge­sellschaft ist eine frühzeitige Zusammenarbeit der ITK-Bran­che mit denjenigen Branchen, die von Gigabitgeschwindig­keiten am meisten profitieren. Dies sind neben der Energiebranche auch die Automo­bilindustrie, das Transportwesen, der Maschinenbau und das Gesundheitswesen. Wichtig ist, dass diese «Anwenderbran­chen» ihre Anforderungen frühzeitig formulieren. Diese sollten bereits in die Standardisierung neuer Telekommunikations­technologien einfließen. Im nächsten Schritt steht dann an, ge­meinsam neue Anwendungen zu entwickeln. Der Politik und Branchenverbänden wie asut kommt hierbei die wichtige Rolle zu, verschiedene Branchen in entsprechenden Initiativen zusammenzubringen. Politik und Verbände werden so zum Motor für die digitalen Ökosysteme von morgen und unsere Leben werden dadurch bereichert.

 

Patrick Langelaan

Patrick Langelaan, Leiter Global Enterprise & Public Sector der Region Südeuropa bei Nokia und Mitglied der Geschäftsleitung von Nokia Schweiz, ist Mitglied im Vorstand von asut.