Den Schulterschluss wagen

Energiewende, Digitalisierung, dezentrale Stromproduktion, das angekündigte Ende des Verbrennungsmotors: Die Energiewirtschaft steckt mitten in einem beispiellosen Strukturwandel. Und wie so oft, wenn die Digitalisierung die Finger im Spiel hat, besteht – je nach Standpunkt – die Chance oder das Risiko, dass branchenfremde Unternehmen  vom Wandel profitieren. Werden in Zukunft vor allem ICT-Riesen oder freche Start-ups Energie erzeugen, liefern oder verschieben? Droht bald der erbitterte Kampf um die Endkunden? Bleiben die klassischen Stromerzeuger auf der Infrastruktur sitzen, während andere die Schnittstelle zum Kunden besetzen? Oder nehmen diese, über Peer-to-Peer-Netzwerke und Blockchain-Anwendungen, gar selber das Heft in die Hand und verkaufen einander ihren selbsterzeugten Strom? Um was genau es geht und wie weit die Digitalisierung der Energiebranche schon fortgeschritten ist, zeigen zwei Experten der Axpo akribisch auf.

Für Marcel Frei von der ewz, der das Editorial dieser Nummer verfasst hat, liegt es auf der Hand, dass ein massiver digitaler Wandel ansteht und dass er mit oder ohne das Zutun der Energiebranche geschehen wird. Passivität und Angst, das sagt auch Kurt Lüscher in unserem grossen Interview, sind schlechte Berater. Lüscher, der selber seiner beruflichen Laufbahn wegen sozusagen mit einem Bein in der ICT und mit dem anderen in der Energiebrache steht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Energie- und die ICT-Branche zusammenzubringen. Denn er sieht die Umwälzungen grundsätzlich positiv und als grosse Chance für beide Branchen, wenn der Schulterschluss gelingt.

Dazu braucht es aber weit mehr als Absichtserklärungen an einem geselligen Abend – es braucht den Mut zum Umdenken und Umdenken ist oft alles andere als bequem. Dass es geht und wie es geht, machen viele grössere und kleinere Player auf dem Schweizer Energiemarkt, die – von der BKW über alpiq bis hin zu den St. Galler Stadtwerken – die Transformation energisch und einfallsreich angepackt haben, bereits vor. In all diesen Beispielen zeichnet sich ab, dass das Energiesystem der Zukunft flexibler und intelligenter sein wird – die vielen smarten Daten, die es dafür braucht wiederum, sind auf möglichst effiziente und ressourcenschonende Server und Rechenzentren angewiesen.

 

 

 

 

 

Christine D'Anna-Huber

Die Publizistin Christine D'Anna-Huber ist Redaktionsleiterin des asut-Bulletins und Inhaberin des Textbüros cdh, Kommunikation und Texte in Bern. Zuvor war sie u. a. Westschweizkorrespondentin und Afrika-Korrespondentin des Tages-Anzeigers.