Was bringt der Einsatz von Tablets im Unterricht?

Schülerinnen und Schüler recherchieren für eine Lernaufgabe etwas auf ihrem Tablet, erstellen ein Video im Sprachunterricht oder üben mit einer App Mathematikaufgaben – für eine 5. Klasse der Projektschule Arth-Goldau ist dies nichts Neues, sondern tägliche Routine. In einigen der fast 70 Schulklassen, die von Samsung Schweiz im Rahmen ihres Corporate Citizenship Programmes ausgestattet wurden, besitzen die Kinder schon seit der 3. Klasse persönliche Tablets, die sie teilweise auch zu Hause nutzen dürfen.

Inzwischen werden in vielen Gemeinden umfangreiche Ausstattungs­initiativen geplant oder bereits umgesetzt. Ein flächendeckender Einsatz digitaler Geräte stösst auf kontroverse Meinungen bei Lehr­personen, Eltern und politischen Entscheidungstragenden. Befürworterinnen und Befürworter betonen die Wichtigkeit, Lernende beim Aufbau grundlegender digitaler Kompetenzen zu unterstützen, um erfolgreich am gesellschaftlichen und beruflichen Leben teilnehmen zu können. Die Einführung des Faches «Informatik und Medien», wie sie in vielen Kantonen im Rahmen des neuen Lehrplans 21 erfolgt, ist nur schwer ohne eine entsprechende Verfügbarkeit digitaler Medien vorstellbar. Ausserdem könnten sich neue Chancen für die Gestaltung eines stärker individualisierten, schülerzentrierten Unterrichts ergeben, z. B. durch individuell angepasste digitale Lernumgebungen, welche die Leistungslevel einzelner Schülerinnen und Schüler besser berücksichtigen. Kritikerinnen und Kritiker hingegen be­fürchten durch die Omnipräsenz digitaler Geräte beispielsweise Probleme bei der Aufmerksamkeit der Schülerinnen und Schüler, eine nur oberflächliche Verarbeitung der Lerninhalte oder ein übermässiges Gamen in der Freizeit.

Obwohl schon einige querschnittliche Studien existieren, die den Einfluss digitaler Medien auf das Lernen der Kinder untersuchen, gibt es relativ wenige Erkenntnisse darüber, wie sich eine 1:1-Ausstattung mit digitalen Geräten längerfristig auf das Lernen auswirkt. Welche Erkenntnisse lassen sich hier aus den Schulen gewinnen, die dies bereits praktizieren? Dazu evaluiert das Institut für Medien und Schule der Pädagogischen Hochschule Schwyz im Auftrag von Samsung Schweiz ca. 50 Primarschulklassen (davon aktuell 43 Klassen mit persönlichen digitalen Geräten) sowie 16 Klassen der Sekundarstufe I mit 1:1-Ausstattung über eine Zeitspanne von drei Jahren (2015-2018).

    

(Fotos: Pädagogischen Hochschule Schwyz)

 

«Lern- und Unterrichtsveränderungen in Tabletklassen» aus den Jahren 2016 und 2017 zeigen, dass Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen sehr motiviert beim Lernen mit den Tablets sind, insbesondere auf der Primarstufe. Im Vergleich zu Schülerinnen und Schülern aus Klassen ohne Tablets oder mit einer nur sehr geringen Nutzung digitaler Geräte haben sie eine positivere Einstellung zum Lernen mit digitalen Medien und sehen in vielen Bereichen einen höheren Lerngewinn, z. B. durch eine höhere Lernmotivation oder eine bessere Zusammenarbeit. Sie berichten ausserdem über eine höhere digitale Anwendungskompetenz. Auch im Zeitverlauf zeigen sich generell positive Auswirkungen der 1:1-Ausstattung. Ein Jahr nach Einführung der Tablets im Unterricht schätzen Schülerinnen und Schüler ihre digitalen Anwendungskompetenzen deutlich höher ein, nutzen digitale Medien vermehrt als Werkzeug zur Planung und Organisation der eigenen Lernprozesse und fühlen sich durch die Tablets besser bei selbstgesteuerten und kooperativen Arbeitsformen unterstützt.

Dagegen zeigen Schülerinnen und Schüler aus solchen Klassen keine bessere Informationskompetenz, wie sie beim Recherchieren, Bewerten und Integrieren von Informationen benötigt wird. Hierfür sind weitere Faktoren bedeutsam, z. B. die Kompetenz der Lehrperson bei der Vermittlung dieser Themen oder die Rolle von Familie und Freunden im Zusammenhang mit einer ausserschulischen Nutzung digitaler Medien zum Lernen. In diesem Kontext ist es interessant, dass in unserer Studie Schülerinnen und Schüler aus Tabletklassen digitale Medien auch zu Hause häufiger zum Lernen nutzten und so möglicherweise auch über diesen Weg vermehrt digitale Anwendungskompetenzen erwerben können. Dagegen haben wir bei Schülerinnen und Schülern aus Tabletklassen keine erhöhte Nutzung digitaler Medien für unterhaltungsbezogene Tätigkeiten beobachtet (z. B. Gamen oder Videos schauen).

Nicht nur allgemeinbildende, sondern auch berufsbildende Schulen sind durch die zunehmende Digitalisierung gefordert, geeignete Massnahmen zu ergreifen, um ihre Lernenden angemessen auf die Berufswelt vorzubereiten. Aus diesem Grund ist es auch nicht erstaunlich, dass in den letzten 10 Jahren entsprechende Initiativen zur Nutzung persönlicher mobiler Geräte auch in der Berufsbildung sukzessive zugenommen haben. Allerdings handelt es sich hierbei oft nur um einzelne Schulen und es fehlen vielleicht auch deswegen in der Schweiz bisher systematische, repräsentative Untersuchungen. Die Ergebnisse einer vom Institut für Medien und Schule der PHSZ durchgeführten Evaluationsstudie zum Thema «Digitales Lernen in der Berufsschule mit Notebooks» zeigen am Beispiel eines grossen Berufsbildungszentrums, dass Lernende auch hier motivierter lernen und eine höhere Anwendungs- und Informationskompetenz sowie eine positivere Einstellung zum Lernen mit digitalen Medien entwickeln können, wenn sie im Unterricht mit persönlichen Notebooks lernen.

Auch wenn Befunde aus wissenschaftlichen Begleitstudien auf positive Effekte des schulischen Einsatzes persönlicher digitaler Geräte hinweisen, so zeigen sie auch: Nur das Vorhandensein der Geräte oder eine besonders hohe Nutzung alleine bringen nicht den gewünschten Erfolg. Entscheidend ist die pädagogisch-didaktische Einbettung digitaler Medien im Unterricht, die zu einem grossen Teil von den Kompetenzen und Einstellungen der Lehrpersonen abhängt. Dies ist nicht nur eine Herausforderung für die Lehrerausbildung, sondern vor allem auch für die einzelne Schule, die Ressourcen, Unterstützungsangebote und Freiräume für die professionelle Entwicklung der Lehrpersonen benötigt.

Detaillierte Ergebnisse finden sich in den jährlichen Zwischenberichten zur Studie «Lern- und Unterrichtsveränderungen in Tabletklassen».

 

Der Preis der Tablets

Digitale Geräte kosten. Sicher, immer ein bisschen weniger, aber sie kosten. Springen Firmen ein und übernehmen die IT-Ausstattung und das digitale Unterrichtsmaterial für ganze Klassen oder auch die digitale Weiterbildung für Lehrpersonen, weckt das immer wieder auch gewisse Ängste: Mischt sich da die Wirtschaft in Lerninhalte der öffentlichen Schule ein? Wird im Klassenzimmer knallhart Lobbying betrieben? Bedeutet das Nutzen von kostenlosen Angeboten im Gegenzug, dass die Schulen es in Kauf nehmen, dass die ihnen anvertrauten Lernenden ihre persönliche Daten preisgegeben müssen?

Um solchen Ängsten zu begegnen haben der Lehrerverband Schweiz, die Jacobs Foundation und die Mercator-Stiftung gemeinsam mit Unternehmen verschiedener Branchen eine Charta zum Bildungssponsoring an öffentlichen Schulen in der Schweiz erarbeitet. Unterzeichnet wurde sie von einer ganzen Reihe von privaten und öffentlichen Akteuren, die sich damit zu ihrer gesellschaftlichen Mitverantwortung für die öffentliche Schule bekennen.

 

 

Doreen Prasse

Prof. Dr. Doreen Prasse ist Dozentin mit Forschungsauftrag am Institut für Medien und Schule sowie Dozentin für Pädagogische Psychologie / Lernpsychologie an der Pädagogischen Hochschule Schwyz.

Nives Egger

Nives Egger ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Schwyz.

Martin Hermida

Dr. Martin Hermida ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Pädagogischen Hochschule Schwyz.