Intelligent, aber zu geschwätzig

(asut) – Smart Living bietet viel Komfort – das ist neben mehr Effizienz und Sicherheit eines seiner stärksten Argumente. Am Morgen aufwachen und aus der Küche bereits den Kaffeduft zu riechen und zu wissen, dass im Badezimmer ein Bad in der genau richtigen Temperatur wartet und der Spiegel bereits den aktuellen Wetterbericht verarbeitet, um mit entsprechenden Tenuevorschlägen aufwarten zu können – das ist supercool. Doch ein Smart Home nimmt seinen Bewohnern nicht nur lästige Alltagspflichten ab (Lichtschalter aus, Storen herunterlassen, Fenster öffnen, Fenster wieder schliessen, weil es draussen doch kühler ist, als erwartet, Storen wieder raufkurbeln und Licht anschalten), es hat darüberhinaus das Zeug dazu, mit immer neuen und genau auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten der Hausbewohner zugeschnittene Dienstleistungen aufzuwarten.

Die Vernetzung, die die Stärke der intelligenten Haustechnik ausmacht, ist aber auch ihre Achillesferse. Denn sie beinhaltet nicht nur die Fähigkeit, flexibel auf äussere Impulse reagieren zu können (also etwa dass die mit Sensoren verbundene Heizung dann aufdreht, wenn die Aussentemperatur sinkt), sie baut auch darauf, dass Geräte untereinander Informationen austauschen oder aufgrund von Nutzerprofilen autonome Entscheide treffen: Der Fernseher schaltet zum richtigen Zeitpunkt das Programm ein, das der Nutzer sich gewöhnlich ansieht. Diese Art von Geräteintelligenz ist auf die Auswertung einer grossen Menge an Daten angewiesen. Und viele intelligente Geräte tun deshalb genau das: Daten sammeln. Wenn sie dann auch ans Internet angebunden sind oder über Web-Apps gesteuert werden und die Daten somit ausser Haus geraten, stellt sich die Frage, was mit ihnen genau passiert und wer Zugang dazu hat.

Einen sehr vergnüglichen Erfahrungsbericht über den Datenhunger ihrer smarten Wohnung hat die Journalistin Kashmir Hill auf gizmodo.com publiziert und fasst ihn im oben aufgeschalteten Video auch gleich selbst zusammen. Sie  entdeckte dabei nicht nur, dass sich Kaffeemaschine, Zahnbürste, Babymonitor, Bett, Badezimmerwaage, Staubsaugerroboter, Hausbeleuchtung und Musikanlage untereinander und mit der intelligenten Steuerungseinheit oder, besser, dem digitalen Butler (in ihrem Fall die Sprachassistentin Alexa von Google) nicht immer ohne weiteres verständigen können und deshalb mit ihrer Intelligenz nicht immer brillieren. Unangenehmer fiel die Erkenntnis aus, wie geschwätzig die Geräte und Apps waren. Mithilfe eines dazwischengeschalteten Routers konnte Hill nämlich alle ausgehenden Datenströme aufzeichnen, und stellte dabei fest, dass gewisse ihrer Devices alle drei Minuten eine Verbindung zu ihren Herstellerfirmen aufbauten. Nach zwei Monaten war klar: Ein Smart Home legt ein ausgefeiltes Profil seiner Bewohner, ihrer Vorlieben, Gewohnheiten und sogar ihres Gesundheitszustandes an. Und als Anwenderin hatte Hill keine Möglichkeit zu wissen, wie sicher alle diese Daten übertragen sowie ob und an wen sie weitergegeben werden.

Das Unbehagen, das Hill beschreibt, ist bei allem Interesse für Smart-Home-Lösungen auch in der Schweiz häufig anzutreffen. Laut einer Umfrage von homegate.ch gehören zu den Hindernissen, die hierzulande einer breiten Nutzung im Wege stehen, neben den Kosten insbesondere die Angst vor unbefugten Zugängen zum System und Befürchtungen bezüglich Datenschutz. Eine deutsche Studie kommt zu ähnlichen Schlüssen: Ein Grossteil der Befragten sorgt sich, dass durch die Smart Home-Technologie die Privatsphäre nicht mehr voll gewährleistet ist, weil persönliche Nutzerdaten nach aussen weitergeleitet werden. Rund 36 Prozent befürchten, dass sich Hacker über das Internet Zugriff auf Smart Home-Systeme verschaffen könnten. Soll die Skepsis vieler Konsumenten nicht zur bleibenden Herausforderung werden, muss die ICT-Branche Wege finden, den Schutz der Daten und der Privatsphäre im Smart Home zu verwirklichen.

Ein interessantes Dossier über die Licht- und Schattenseiten von Smart Living legt auch NZZ Format vor.