Die Ampeln stehen auf Grün

Vieles deutet darauf hin, dass der Digitalisierungszug in der Versorgungswirtschaft 2019 richtig Schwung aufnimmt. Das liegt einerseits am beginnenden Rollout intelligenter Messsysteme. Viel Fahrt entwickeln Stadtwerke aktuell auch beim Einstieg in Internet-of-Things (IoT)-Technologien. Mit dem Funkstandard LoRaWAN (Long Range Wide Area Network) lassen sich im kommunalen Umfeld vielfältige Prozesse digitalisieren und effizienter gestalten. Ohne durch regulatorische Fesseln gebunden zu sein, können sich Stadtwerke in kurzer Zeit zu Protagonisten im Zukunftsmarkt Smart Cities aufschwingen.

Nicht einmal Optimisten hätten noch vor Jahresfrist für möglich gehalten, was sich bei vielen deutschen Versorgern derzeit abspielt: Bundesweit spriessen IoT-Projekte wie Pilze aus dem Boden. Grosse wie kleine EVU wagen nicht nur erste Schritte, sondern starten nach nur kurzer Erprobungsphase umfassende IoT-Projekte – mit vielfältigen innovativen Anwendungen: Trafofernüberwachung, Füllstandkontrolle von Abfallbehältern, Smart Lighting, Smart Parking, Mehrspartenauslesung, Schachtzählerauslesung und vieles mehr. Zwar machen noch längst nicht alle Unternehmen mit, aber die Zahl der First Mover ist beeindruckend.

Förderliche Rahmenbedingungen

Dass IoT-Projekte vergleichsweise schnell gestartet und umgesetzt werden, liegt an mehreren Faktoren. So ist mit der boomenden LoRaWAN-Funktechnologie und darauf basierenden Geräten in kurzer Zeit ein IoT-Instrumentarium verfügbar geworden, mit dem sich viele Prozesse der kommunalen Daseinsvorsorge oft auf atemberaubende Art und Weise beschleunigen lassen (dazu unten mehr). Vor dem Hintergrund, dass Versorgungsunternehmen in den Kerngeschäftssegmenten Energievertrieb und Netzbetrieb zunehmenden Margendruck verspüren, wächst die Motivation, Abläufe zu optimieren und neue Geschäftsmodelle zu etablieren. Zum Beispiel in dem für EVU bislang nur eher schwer zugänglichen Submetering-Markt, den nun viele Versorger immer häufiger als potentielles zukünftiges Geschäftsfeld identifiziert haben. Hier gilt: Je eher praktische Erfahrungen gesammelt und Felder besetzt werden, umso besser die Ausgangsposition für die Zukunft.

Mancherorts kommt als Katalysator hinzu, dass in der Kommune Wunsch und Wille wachsen, die eigene Stadt zu einer fortschrittlichen und zukunftsorientierten Smart City zu machen. Also wird der örtliche Versorger beauftragt, das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Erleichtert werden IoT-Aktivitäten natürlich auch dadurch, dass die EVU sich hier in einem Umfeld bewegen, das nicht reguliert ist. Niemand muss (zumindest bis heute) warten, bis spezielle Regeln erlassen worden sind. Weil Piloten in kürzester Zeit realisierbar und Effizienzeffekte in kürzester Zeit erlebbar sind, macht es technikaffinen und kaufmännisch orientierten Menschen gleichermassen Spass, sich mit LoRaWAN-Anwendungen zu befassen.

Flexibel skalierbare Netzinfrastruktur

Zudem ist die Technik einfach und günstig zu implementieren. Kleine, singuläre Pilotanwendungen lassen sich nahezu beliebig zu grossen Projekten skalieren. Ein LoRaWAN-Netz kann jeder Versorger in seiner Stadt oder seinem Netzgebiet problemlos selbst aufbauen und betreiben. Für eine 180'000-Einwohner-Stadt wie Saarbrücken beispielsweise genügten 22 LoRaWAN-Gateways, um ein flächendeckendes Funknetz aufzubauen.

Die Netze verbinden batteriebetriebene Messgeräte, Sensoren und Aktoren im Feld über LoRaWAN-Gateways mit meist cloudbasierten IoT-Plattformen, auf denen die smarten Applikationen administriert werden. Der Niedrigenergie-Funkstandard überzeugt mit Reichweiten-, Gebäudepenetrations-, Sicherheits-, Zuverlässigkeits- und Wirtschaftlichkeitseigenschaften, die in dieser Kombination als einzigartig gelten. Für Anwendungen, bei denen es genügt, in bestimmten Zeitabständen Messdaten zu empfangen und/oder Schalt- und Steuersignale in Form kleiner Datenpakete zu senden, ist LoRaWAN mittlerweile die meistverwendete IoT-Technologie.

Verbindung zum Smart Meter Gateway

Dass LoRaWAN-basierte IoT-Lösungen aktuell im Eiltempo den Markt erobern, könnte sich für den in Kürze startenden Rollout intelligenter Messsysteme (iMSys) als Katalysator erweisen. Smart Metering und IoT-Technologien sind zentrale Instrumente zur Prozessdigitalisierung und ergänzen sich perfekt. Die eine Welt ist im klassischen Messwesen verankert und gehorcht primär regulierten Mechanismen. Das IoT andererseits entfaltet sich eher marktgetrieben und ist Enabler u.a. für Smart-City-Anwendungen aller Art. Wenn der iMSys-Rollout losgeht, kann man beide Systemwelten miteinander verbinden. Schnittstelle ist der Controllable Local Systems (CLS)-Kanal am Smart Meter Gateway (SMGW) der intelligenten Messsysteme. In Deutschland verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, das Smart Meter Gateway zur zentralen Kommunikationsplattform in Gebäuden zu machen.

In der praktischen Umsetzung bedeutet dies, dass Externe Marktteilnehmer (EMT) Daten, die im Gebäude mit LoRaWAN oder anderen Übertragungstechniken eingesammelt werden, über den CLS-Kanal in ihre Backend- und Applikationssysteme leiten. Generell unterscheidet man zwischen aktiven und passiven EMT. Passive EMT dürfen vom Smart Meter Gateway Daten empfangen, aber nicht senden. Aktive EMT können über das Smart Meter Gateway auch nachgelagerte Geräte steuern. Dies betrifft beispielsweise das Schalten von Stromerzeugungsanlagen (z.B. Photovoltaik-Anlagen, Blockheizkraftwerke) und steuerbaren Lasten (wie Wärmepumpen, Wärmespeichern oder Elektromobilen) sowie das Konfigurieren von Geräten. In Deutschland verlangt der Gesetzgeber von aktiven EMT allerdings, dass sie ein Informationssicherheits-Managementsystem (ISMS) nach DIN ISO 27.001 einführen und sich entsprechend zertifizieren lassen. Dies stellt insbesondere für kleine Unternehmen eine hohe Hürde dar, die zudem einer kurzfristigen Etablierung neuer Geschäftsmodelle auf Messdatenbasis im Wege steht.

Ausweg aus der Zertifizierungsfalle

Dieses Problem lässt sich umgehen, indem passive EMT einen zertifizierten Dienstleister wie die Zenner Hessware GmbH in der Rolle des aktiven EMT vorschalten und die Daten über deren EMT Plattform laufen lassen. Mit seiner Zertifizierung deckt der Dienstleister quasi stellvertretend für die Nutzer der EMT Plattform alle Sicherheitsanforderungen ab und sorgt für ein in jeder Hinsicht regelkonformes Datenmanagement.

Egal ob ein EMT den CLS-Kanal nun mittelbar oder unmittelbar nutzt – der Messstellenbetreiber profitiert davon. Denn die Nutzung bringt ihm in Form von Nutzungsentgelten zusätzliche Erlöse ein. Erlöse übrigens, die jenseits der Preisobergrenze für das Ausrollen und Betreiben der intelligenten Messsysteme veranschlagt werden dürfen und damit nicht gegen die sonst geltenden Preisobergrenzen laufen. Messstellenbetreiber verbessern also ihr Geschäftsmodell, wenn dritte EMT das Smart Meter Gateway rein als Kommunikationskanal nutzen.

Entscheidenden Einfluss auf den Erfolg von LoRaWAN-Projekten hat die Wahl des richtigen Partners. Stadtwerke tun sich leichter beim Einstieg in die IoT-Welt, wenn sie mit einem Anbieter kooperieren, der eine skalierbare End-to-End-Lösung mitbringt und darüber hinaus schon über Technik-, Prozess- und Projekt-Know-how verfügt. So erreichen EVU das Digitalisierungsziel schnell und zielsicher. Ein besonderes Augenmerk sollte auf die Datenverarbeitung gelegt werden. Denn der beste Datenfunk ist wertlos, wenn die Informationen aus dem Feld nicht effektiv und regelkonform verarbeitet, anwendungsbezogen aufbereitet und für smarte Applikationen nutzbar gemacht werden können. Dafür ist eine in jeder Hinsicht leistungsfähige IoT-Plattform notwendig.

Die positiven Effekte LoRaWAN-basierter IoT-Anwendungen lassen sich am besten anhand konkreter Praxisbeispiele verdeutlichen

Fernüberwachung von Ortsnetz-Trafostationen

Als Knotenpunkte in den lokalen Verteilnetzen werden Trafostationen im Verlauf der Energiewende mehr und mehr zu Drehscheiben für volatile lokale Energieströme. Per Fernüberwachung lassen sich drohende Netzausfälle frühzeitig erkennen und dadurch vermeiden. Geeignete Sensoren detektieren neben den klassischen Netzzustandsdaten auch Anomalien im Betrieb, etwa Überhitzung, erhöhte Luftfeuchtigkeit oder eine geöffnete Zugangstür. Der Zustand der Stationen wird in einer dafür entwickelten Anwendung visualisiert und lässt sich auf diese Art und Weise lückenlos in Echtzeit überwachen.

Schachtzählerauslesung

Die manuelle Auslesung von Schachtzählern stellt Wasserversorger regelmässig vor grosse Herausforderungen, da die Schächte meist nicht unmittelbar zugänglich sind. Geltende Arbeitsschutzrichtlinien verlangen in Deutschland beispielsweise, dass Schachtzähler aus Sicherheitsgründen immer von zwei Personen gemeinsam abgelesen werden. Der geöffnete Schacht ist abzusichern, damit kein Dritter zu Schaden kommen kann, zum Beispiel durch einen Sturz. Eine manuelle Ablesung ist somit aufwendig und kostenintensiv. Der Arbeitsaufwand ist umso grösser, je häufiger die Zähler in Augenschein genommen werden müssen. Dank LoRaWAN-Technologie lassen sich Zähler und Sensoren an unzugänglichen Orten zuverlässig in beliebiger Frequenz auslesen.

Mehrspartenauslesung

Oft werden Energie- und Wasserzähler von unterschiedlichen Lieferanten separat ausgelesen. Ist kein unmittelbarer Zugang zu Gebäuden möglich, führt dies zu aufwändiger und oft lückenhafter Datenerfassung. Durch den Einsatz der LoRaWAN-Technologie können Stadtwerke die Ablesungen bündeln und den gesamten Ablauf digitalisieren. LoRaWAN-fähige Zähler bzw. aufgesetzte OCR-Geräte übertragen die Messdaten in regelmässigen Abständen an IoT-Gateways. Von dort aus können die Daten entweder unmittelbar in die Backendsysteme übermittelt werden – oder demnächst auch über die Smart Meter Gateways der intelligenten Messsysteme.

Submetering

Bei der Stromnetz Hamburg GmbH galt es ein Neubauprojekt mit 154 Wohn- und fünf Gewerbeeinheiten mit Submetering-Technologie sowie Rauchmeldern auf LoRaWAN-Basis auszurüsten. 336 Kaltwasserzähler, 246 Warmwasserzähler, 199 Wärmemengenzähler, 600 Rauchwarnmelder und 160 Strommessgeräte wurden installiert. Die knapp 1700 Geräte werden mit nur drei LoRaWAN-Gateways ausgelesen bzw. gesteuert. Der weitaus grösste Teil der Sensoren ist sogar redundant ins Netz eingebunden. Dank hoher Funkreichweite verringerte sich der Aufwand zum Einrichten der Infrastruktur vor Ort gegenüber anderen Technologien erheblich. Deutliche Kostenvorteile ergeben sich zudem durch verringerten Personaleinsatz im Betrieb: Alle Zählerstände können zu jeder Zeit fernausgelesen werden. Die Betreuung der Messgeräte und Sensoren kann vom PC aus erledigt werden.

Leckage-Prävention

Bei diesem gemeinsam mit der regio iT GmbH in Aachen realisierten Projekt verhindert ein mit dem Wasserzähler verbundenes und aus der Ferne schaltbares Absperrventil im Fall eines Rohrbruchs drohende Schäden in Gebäuden wie zum Beispiel in Sporthallen. Zähler und Absperrventil sind über die LoRaWAN-Infrastruktur mit einem Monitoring-System verbunden. Stellt die Software anhand der übermittelten Zählerwerte fest, dass ein voreingestellter Durchfluss-Maximalwert überschritten wird, sendet sie ein Signal an das smarte Ventil, das automatisch schliesst und damit den Wasserfluss stoppt.

Smart Parking

Laut Verkehrsexperten entfallen bis zu 30 % des Verkehrsaufkommens in Städten auf die Parkplatzsuche. Durch die Installation von Parkplatzsensoren, die den Belegungszustand per LoRaWAN-Funk an ein Backendsystem übertragen, und eine damit verbundene App, die Autofahrern freie Parkplätze anzeigt, lässt sich diese Quote reduzieren. Die Funktechnologie macht es beispielsweise auch möglich, aus der Ferne zu erkennen, ob es sich bei einem freien Parkplatz um einen Behindertenparkplatz oder einen Parkplatz mit Ladesäule für Elektromobile handelt. Ein typisches weiteres Einsatzfeld von Parkplatzsensoren ist die Überwachung von Rettungswegen.

Wettbewerbsmarkt Smart City

Die Reihe der Anwendungsbeispiele lässt sich mittlerweile beinahe beliebig verlängern. Fast überall entwickeln sich aus der aktiven Projektarbeit Ideen für weitere Einsatzfelder. Kontinuierlich werden weitere Sensoren für neue LoRaWAN-Anwendungen entwickelt. Die IoT-Technik ist inzwischen marktreif und verfügbar. Für Stadtwerke gibt es keinen Grund mehr, abzuwarten. Die Ampeln stehen auf grün. Smart-City-Anwendungen sind ein Wettbewerbsmarkt. Stadtwerke sollten den IoT-Claim rechtzeitig besetzen und ihren Standortvorteil nutzen.

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Mit der ZENNER Connect AG verfügt ZENNER seit 2017 über eine Dependance  in der Schweiz, die bereits zahlreiche Smart City-Projekte erfolgreich umgesetzt hat. Die von ZENNER Connect betriebene «switzercloud» steht Städten und Gemeinden als Plattform für das Internet der Dinge (IoT) zur Verfügung. Sie bietet alle Möglichkeiten, innovative Lösungen für Smart Cities und Versorgungsunternehmen zu entwickeln und umzusetzen.

Im Bereich der Strassenbeleuchtungssteuerung arbeitet ZENNER mit dem schweizerischen Partner CleverCity zusammen. Das Unternehmen in Wetzikon hat eine spezielle Steuerbox entwickelt, die sich über ein LoRaWAN-Funknetz ansteuern lässt. Damit können Städte und Gemeinden die Beleuchtung von Verkehrswegen – anders als mit den bislang vorherrschenden Tonfrequenzrundsteuerempfängern – bedarfsgerecht und flexibel steuern.

 

 

 

 

Sascha Schlosser

Sascha Schlosser ist Geschäftsführer der ZENNER International GmbH & Co.