Frauen in der ICT – eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit
Als ich in den 1990er-Jahren bei der SBB als «Frau Bahnhofvorstand» den Zugverkehr geregelt habe, war ich eine der ersten Frauen in diesem Beruf. Heute existiert mein damaliger Beruf einer Bahnbetriebsdisponentin gar nicht mehr. Wie viele andere Berufe hat sich auch diese Tätigkeit verändert und weiterentwickelt. Und wie sieht es inzwischen mit der Vertretung der Frauen in Technik- und Informatikberufen aus? Wie dieses asut-Bulletin zeigt, hat sich auch hier einiges verändert. Es gibt heute Frauen in der ICT. Und viele davon behaupten sich nicht nur, sondern machen eine tolle Karriere. Solche Beispiele sichtbar zu machen, aufzuzeigen wie spannend und bereichernd die Tätigkeit im ICT-Umfeld sein kann, das sind wichtige Punkte, um noch mehr Frauen zu motivieren, hier beruflich Fuss zu fassen.
Doch das allein reicht nicht. Es wird viel darüber spekuliert, weshalb noch immer nur wenige Frauen im ICT-Bereich arbeiten. Die Ursachen sind sicher komplex, aber ein grosser Teil hat damit zu tun, wie Mädchen an Technik herangeführt werden. Mich hat die Berührung mit dem Beruf meines Vaters von klein auf fasziniert und mein Vater hat diese Faszination ermuntert und genährt – nie wäre es ihm zum Beispiel in den Sinn gekommen, mir zu verstehen zu geben, dass ich als Mädchen in der Welt der Technik nichts zu suchen habe. Solche Berührungspunkte aktiv zu schaffen, wenn möglich bereits im Primarschulalter, das erachte ich gesellschaftspolitisch für sehr wichtig. Es wird Frauen heute oft zu leichtgemacht, sich von gewissen Wissensbereichen einfach zu verabschieden. Ganz nach dem Motto: Was ich nicht kenne, braucht mich auch nicht zu interessieren.
Was wir stattdessen brauchen, ist guter Unterricht, der die Neugier der Mädchen weckt und ihnen schon früh aufzeigt, dass Technologie und «harte Wissenschaften» ihnen nicht nur dabei helfen können, die Welt besser zu verstehen, sondern sie vielleicht sogar selber besser zu machen. Sinnhaftigkeit ist ein Argument, das bei Frauen zieht. Sinnvoll sind auch Programme zur gezielten Förderung von weiblichen Nachwuchskräften. Und natürlich müssen, nach abgeschlossener Schule und Ausbildung, in der Berufs- und Unternehmenswelt ebenfalls die nötigen Adjustierungen vorgenommen werden. Solange die Work-Life-Balance nicht stimmt, solange nicht genügend Angebote für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestehen, werden junge Frauen lieber einen Bogen um Informatikberufe machen als sich nachhaltig zu engagieren. Sie müssen zudem spüren, dass die Unternehmen an ihnen und an dem, was sie als Frau mitbringen, wirklich interessiert sind: Noch hört man heute aus zu vielen Stellenausschreibungen heraus, dass Frauen nur zur Imagepflege herhalten sollen.
Die Zusammenarbeit mit Frauennetzwerken wie BPW Switzerland (Business and professional women), bei dem ich Mitglied bin, kann Unternehmen dabei helfen, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich weibliche Talente entfalten und ihre Stärke einbringen können. Der kollegiale Umgangston, den ich in der Branche immer wieder erlebe und schätze, zeigt mir, dass dies vielerorts auch bereits gelingt.