Traktor von gestern. Technologie von morgen.

Mit alten Handys und gebrauchten Traktoren baut der Ghanaer Emmanuel Ansah-Amprofi eine Sharingplattform für Landmaschinen auf. Eine Geschichte über ein Start-up.

Von Eva Piepenbrock, f3

Wir stehen bei 29 °C vor dem farbenfrohen Gründerzentrum «Mest» in Ghanas Hauptstadt Accra. Obwohl mindestens 5000 km zwischen diesem Ort und dem nächsten deutschen Inkubator liegen, dürften deutschen AgTech-Gründern manche Details bekannt vorkommen. Etwa, wenn Emmanuel Ansah-Amprofi, Landwirt und Mitgründer der ghanaischen Traktor-Sharingplattform «Trotro Tractor» über die Gespräche mit heimischen Bauern berichtet. Er sagt: «Wenn sie erfahren, dass ich auch aus der Landwirtschaft stamme, dann hören die Landwirte mir zu.»

 

Traktor

Die afrikanische Landwirtschaft ist untermechanisiert. Das Start-up «Trotro Tractor» will eine Sharingplattform für Ghana etablieren. 374 Traktoren sind im System erfasst. (Bildquelle: Trotro Tractor)

 

Der 39-jährige Emmanuel entwickelte mit Kamals Deen Yakub und 13 Mitarbeitern in Accra eine Online-Plattform als Sharingdienst. Dort können Landwirte via Telefon Traktoren und Anbaugeräte leihweise ordern und bezahlen. Bereitgestellt werden je die nächstgelegenen Maschinen. Sie gehören Landwirten, die damit die Auslastung ihrer Traktoren erhöhen und diese dabei dank GPS-Tracking nicht aus den Augen verlieren möchten. Mit dem Traktor kommt ein ausgebildeter Fahrer.

Tro-Tros sind in Ghana eigentlich Kleinbusse. Sie bilden so etwas wie das Rückgrat des Personenverkehrs. Sie fahren kurze und lange Strecken, auf denen Mitfahrer überall zu- und aussteigen können. Gezahlt wird die zurückgelegte Strecke. Ein wendiges System. Ist es übertragbar auf die Landwirtschaft?

Eine Digital-App für Handys von anno dazumals?

Landwirte zahlen für den Traktor mit Anbaugerät und Fahrer rund 26 US-Dollar pro Acre (2,4 acre = 1 ha). Trotro Tractor kassiert eine Provision von 10  Prozent. Gezahlt wird mobil. Das sogenannte «Mobile Money» sendet und empfängt der Kunde über sein Handy. Anbieter sind etwa die Telekommunikationsanbieter Vodafone und MTN. Im deutschsprachigen Raum tut sich Mobile Payment schwer. Einer aktuellen Studie der Beratung pwc zufolge hat Deutschland im Vergleich zu Österreich, Belgien, der Schweiz*, den Niederlanden und der Türkei die niedrigsten Nutzungsraten. In Ghana ist es Standard.

Mobile Money braucht keine Smartphones. Im Gegenteil: In seinem Büro zeigt Emmanuel ein Handy, das die meisten «seiner» Landwirte nutzen: es stammt eher aus dem Jahre anno dazumals. Zum Telefonieren reicht es. Nur, wie soll man damit eine digitale Sharing-Plattform steuern?

Trotro Tractor liess sich von der mangelnden Ausstattung der Landwirte nicht unterkriegen und entwickelte eine Lösung auf Basis von USSD-Codes. Emmanuel erklärt: «Nicht jeder Landwirt hat ein Smartphone. Und oft ist das Internet eh nicht schnell genug. Also funktioniert unser Service über ein Kurzwahlsystem.» Via Ruf an *714*85# gelangt der Kunde in ein Menü, das ihn zur Bestellung leitet. Die Fragen beantwortet der Nutzer über die Zahlentasten. «Welcome to Trotro Tractor. Please choose a service. Press 1 for ploughing, 2 for planting , 3 for spraying» und so weiter. Digital kann ja so einfach sein.

Infrastruktur nutzen, die da ist

Die Kleinbauern nutzen eher zwei alte, robuste Handys mit unterschiedlichen Netzen als ein Smartphone. TroTro Tractor hat sein Geschäftsmodell daran angepasst. Das Jungunternehmen nutzt die vorherrschenden Bedingungen auch geschickt, um seine Zielgruppe zu erreichen: Kleinbauern sind in Ghana eher nicht in Erzeugergemeinschaften oder Verbänden organisiert. Wen es aber in jedem Dorf gibt, sind Menschen, die aus kleinen Holzhütten heraus Guthaben für Mobiltelefone verkaufen. Und da schliesst sich der Kreis.

Sie arbeiten als verlängerter Arm nebenher für Trotro Tractor. Denn das mobile Guthaben verkaufen sie den Bauern ja ohnehin. Bislang wurden 215 von ihnen zu sogenannten extension agents weitergebildet. So heissen auch die Berater des Landwirtschaftsministeriums oder privater Unternehmen, die Landwirten Anbautechniken erklären oder Betriebsmittel verkaufen. Die Trotro-Agents erhalten eine Einführung in das System und verdienen sich etwas dazu, wenn sie Farmern die App erklären und für Fragen bereitstehen. Angesichts von über 200 Landessprachen ist es wertvoll, dass sie den Landwirten auf Augenhöhe begegnen. Das schafft Vertrauen.

«Niemand nutzt einfach so eine digitale Anwendung», sagt Emmanuel. Er will die technische Lösung im Alltag auf dem Land nutzbar machen. Sonst hilft die allseits – und in Bezug auf die afrikanische Landwirtschaft besonders – gepriesene Digitalisierung gar nichts. «Wenn wir den Bauern nur eine Gebrauchsanweisung auf Papier hinlegen, schauen sie nicht darauf», ist Emmanuel überzeugt. Erst durch persönliche Ansprechpartner lernen die Landwirte den Nutzen der Plattform zu schätzen.

Landmaschinenhersteller sind gefragt

374 Traktoren sind derzeit im System von Trotro Tractor erfasst. «2000 wären nötig, um alle bislang registrierten Landwirte umgehend zu versorgen», sagt Emmanuel. Für die schätzungsweise fünf Millionen Kleinbauern des Landes wären selbstredend weit mehr Traktoren notwendig. Die Landwirtschaft ist chronisch untermechanisiert und -finanziert. «Das Problem ist nicht die Nachfrage, sondern das Angebot.» Die meisten Traktoren werden von der Regierung angeschafft und günstiger weiterverkauft. Viele kommen als Secondhandware nach Afrika. Bei einigen Maschinen wundert man sich, dass sie überhaupt fahren. Aber alles ist besser, als einen Acker per Hand umzugraben.

Eine andere Lösung hat die nigerianische, etwas bekanntere Konkurrenz «hello tractor» gefunden. Gründer Jehiel Oliver hatte 2018 einen Deal mit John Deere abgeschlossen, bei dem 10'000 Traktoren importiert wurden – angedockt an die hello tractor-App. Davon träumt wohl auch Emmanuel Ansah-Amprofi. Er wirbt im Gespräch mit f3 um deutsche Landmaschinenhersteller, die ein ähnliches Geschäft machen könnten. «Die Traktoren würden sich innerhalb von fünf Jahren selbst finanzieren», verspricht er.

Finanzierungsfragen klären

Die Mechanisierung der Landwirtschaft soll nicht nur Erträge, sondern auch die Attraktivität des Berufs steigern. «Landwirtschaft ist einfach nicht sexy», sagt Emmanuel. Jedenfalls nicht, wenn die harte Arbeit nicht leichter und lukrativer wird.

Auch Banken interessiert die Landwirtschaft in Ghana bislang kaum. «Es gibt keine Bank, die einem Farmer einfach so einen Kredit gibt. Und wenn, müsste er derzeit Zinsen von 28 Prozent zahlen», schimpft Emmanuel. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland (GTAI) beziffert die durchschnittlichen Zinssätze für Fremdkapital sogar auf 35 bis 40 Prozent. An eigene Investitionen können also, wenn überhaupt, nur grosse Farmer denken.sieh

Derzeit feilt Emmanuel an einer Drohne, die die Äcker der Landwirte überfliegen und abmessen soll. Zur Erinnerung - die Gebühr zahlt der Bauer pro acre. Da wird das Feld in der Bestellung ganz schnell ganz viel kleiner. Gebündelte Daten über Flurstücke, ihre Bewirtschaftung oder andere Betriebsdaten gibt es kaum. Das wären kostbare Informationen für viele Player. Kein Zufall also, dass sich damit bereits Unternehmen und Start-ups befassen. Wenn ihnen nicht zwischendurch mal wieder das Internet ausfällt.

(*Die Schweiz schneidet minim besser ab, siehe: https://www.strategyand.pwc.com/ch/de/presse/openbanking.html; Anmerkung der Redaktion)

 

Eva Piepenbrock

Eva Piepenbrock ist Redaktionsleiterin des Magazins «f3: farm, food, future», wo ihr Bericht zur Sharingplattform für Landmaschinen in Afrika erstmals erschienen ist. Publiziert mit freundlicher Genehmigung der Autorin.