...der Vermögensverwaltung: Non-fungible Tokens (NFTs)

von Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf, laut «Handelszeitung» einer der profiliertesten digitalen Vordenker der Schweiz, teilt in diesem Essay ein paar Gedanken über Non Fungible Tokens oder NFTs. So heissen die aufsehenerregenden, auf der Blockchain basierenden Eigentums- und Echtheitsnachweise, die gerade die Kryptowelt und den Kunstmarkt aufmischen.

 

Das animierte GIF der Nyan Cat, die schon seit fast einem Jahrzehnt durchs Internet geistert und zu den bekanntesten GIFs zählt, wurde vor Kurzem für sehr viel Geld versteigert. (Foto: Nyan Cat/Youtube)

Was sind NFTs?

Ein Katzen-GIF wird für 600’000 Dollar verkauft. Wie bitte? Egal, ob GIFs, Kunstwerke oder Musikstücke – derzeit sind Sammlerinnen und Sammler gerade bereit, Unsummen dafür zu bezahlen. Und dies in Form von NFTs. Doch was ist ein NFT, welche Rolle spielt diese Währung in der vernetzten Digitalwirtschaft? Und besteht eine Verbindung zum ebenfalls oft zitierten Metaverse?

Beginnen wir mit der Begrifflichkeit: NFT steht für «Non Fungible Token». Es handelt sich konkret um ein nicht ersetzbares (engl.: non-fungible) digital geschütztes Wertobjekt. Technisch beruht das Konzept auf einer kryptographisch gesicherten Zeichenkette, die – im Gegensatz zu einer fungiblen Wertmarke wie z. B. einem Geldstück oder einem Cumulusbon im Wert von 5 Franken – nicht einfach austauschbar oder kopierbar ist. Dies ist relevant, um digitale Dateien oder Inhalte wie Sammelkarten, Musik, Memes oder computergenerierte Kunstwerke als Einzelstücke zu kennzeichnen und damit werthaltig auch handelbar zu machen.

Die Analogie im nicht-digitalen Leben wäre beim NFT beispielsweise die Mona Lisa von Leonardo Da Vinci oder der Football, mit dem Tom Brady vor ein paar Wochen den letzten Touchdown seiner NFL-Karriere geworfen hat. Beides kann nicht ersetzt werden, weil das originale Werk physisch nur einmal existiert und zwar als Ausstellungsstück im Pariser Louvre oder in der Hall of Fame der Tampa Bay Buccaneers. Token werden allgemein im Zusammenhang mit der Blockchain und Kryptowährungen erwähnt und sind digitale Zertifikate, gespeichert auf einer gesicherten und verteilten Datenbank. Eigentlich gar nicht so kompliziert.

NFTs und Metaverse. Gibt es da einen Zusammenhang?

Bei vielen vermeintlich neu gehypten Technologiethemen geht oft vergessen, wo und wie diese in Kombination mit anderen zusätzliche Innovationspotenziale erschliessen könnten. Metaverse und NFTs sind «friendly neighbors» in Bezug auf den Monetarisierungsaspekt. Monetarisierung bzw. die Entwicklung neuer sowie die Kombination verschiedener (digitaler) Geschäftsmodelle – notabene ein Bereich, der bei einer Wirtschaftshochschule wie der HWZ ganz weit oben im Lehrplan steht – ist die bedeutendste Motivation für die Bereitschaft von Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern, grosse Investitionen in die darunterliegenden Technologieplattformen zu leisten.

Metaverse – die Verknüpfung von verschiedenen heute oft silo-artig getrennten digitalen Plattformen wie E-Commerce, Social Media, Gaming und Digitalwährungen mit der analogen Realwelt – findet in der Blockchain-Technologie (spezifisch durch die dezentrale Abwicklung von Kryptowährungstransaktionen und NFTs) einen kongenialen «Partner», um diese mitunter für Laien etwas abstrakte Vision greifbarer zu machen. Wenn ich digitale Werte (z. B. Währungen, ein unverwechselbares Outfit für meinen Zoom-Avatar oder ein PS-starkes Gefährt auf digitalen Gaming-Plattformen) sicher und eineindeutig einem Eigentümer als Original zuordnen kann, lässt sich damit für den Urheber respektive für Verkäuferinnen und Verkäufer (und ebenso die Käuferinnen und Käufer) auch Wertschöpfung erzielen.

Was ist der Sinn und Zweck von NFTs?

Mit dem ursprünglichen Internet hat sich das Prinzip «Inhalte sind frei» als Eckpfeiler etabliert und für viele Branchen (leider) auch bis heute gehalten. Während sich an gewissen Orten – wie z. B. in den Social Media – allmählich die Erkenntnis «Wenn das Produkt/die Dienstleistung kostenlos ist, bist wohl du (bzw. deine Datenspuren) das Produkt» durchsetzt, ist dies insbesondere bei der Urheberschaft von digitalen Inhalten meist noch nicht der Fall. Der Grund liegt darin, dass digitale Inhalte, die nicht kryptographisch gesichert oder als einzigartig und unveränderlich in eine dezentrale Blockchain eingeschrieben sind, sich relativ einfach in Form von Attachments und Screenshots kopieren und weitergeben lassen. Im Metaverse hingegen, kann ein Prosumer-Modell (der Konsument wird zum Produzenten) potenziell sehr effizient abgewickelt werden kann. Wenn ich damit nur schon meine eigene Daten-Souveränität zurückerlange, ist dies ein beachtlicher Schritt weg vom «Gratis-Mantra» des Internets 1.0.

Welche neuen Use-Cases eröffnen sich dadurch?

Vor 50 Jahren hätte sich die Gesellschaft nicht vorstellen können, für saubere Luft bezahlen zu müssen. Die Zertifikate, welche Unternehmen heute erwerben, um ihren CO2-Ausstoss zu kompensieren, bedeuten aber genau das. Auf das Metaverse und NFTs bezogen, soll uns dieses Beispiel ein Ansporn sein, mögliche Anwendungsfälle etwas grösser zu denken. Überall, wo es heute analoge Werte mit entsprechendem Markt gibt, werden in absehbarer Zukunft auch ihre digitalen Pendants auf Angebot und Nachfrage treffen. Über mittlerweile reife Technologien werden diese Transaktionen einfach, sicher und rechtlich verbindlich abgewickelt werden können.

Bei realen Werten bedeutet Besitz oft auch Eigentum. Der Vorteil von NFTs ist, dass auch Investitionen in Mikroanteilen möglich werden.

Dies erschliesst auch Anlegern mit kleineren Tickets den Zugang zu interessanten alternativen Anlageklassen auf dem Kunstmarkt. Denn sie können an der (positiven) Wertentwicklung einer digitalen Kunstinstallation partizipieren, ohne sie komplett zu besitzen. Transaktionen lassen sich digital viel einfacher niederschwellig abbilden, was wiederum nachfragefördernd wirkt. Das dies nicht nur Zukunftsmusik ist, zeigt der Blick in die Nachrichtenspalten der Mainstream-Medien. So hat die Post in Zusammenarbeit mit Exponenten des Schweizer Crypto-Valley im November 2021 mit grossem Erfolg eine Serie von Cryptostamps, also tokenisierte digitale Briefmarken, lanciert. Sie waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft.

Eignen sich NFTs auch als Altersvorsorge?

Grundsätzlich gilt bei der Altersvorsorge stets die Prämisse «der frühe Vogel fängt den Wurm». Mit diesem langfristigen Anlagehorizont lassen sich Wachstumschancen zweifellos besser wahrnehmen, als bei einem Szenario, wo uns bis zur Pensionierung nur noch ein paar Jahre bleiben. Je nach Risikoappetit ist es daher durchaus sinnvoll, im Umfang von 2 bis 8 Prozent des Gesamtportfolios in alternative Anlagen zu investieren. NFTs gehören ähnlich wie Kryptowährungen, Direktinvestitionen in Private Equity, Kunst oder Anteile an digitalen Plattformen, die z.B. Renditeliegenschaften halten, in diese Kategorie. Wer Zeit und Musse mitbringt, das Themenspektrum NFTs/Digital Assets auch selber ein wenig zu verfolgen, wird wahrscheinliche Kursschwankungen auch eher als Chance für eine aktive Anlagestrategie verstehen. Wie eine retrospektive Betrachtung zeigt, war die Rendite eines Musterportfolios mit nur 3 Prozent Bitcoin im 5-jährigen Betrachtungszeitraum von 2015-2020 (notabene noch vor dem rasanten Anstieg auf über 60'000 USD) mehr als die Hälfte höher als beim selben Portfolio ohne Beimischung der Crypto-Leitwährung. Bei einem überschaubaren Einsatz (3 Prozent) sind die Gewinnchancen offensichtlich sehr attraktiv. Es spricht wenig dagegen, dies  als Analogie für NFTs zu nehmen.

Die Auswahl dieser Anwendungsfälle illustrieren, dass es sich durchaus lohnt, sich schon jetzt aktiv mit den Auswirkungen von NFTs, Metaverse und Co. auseinanderzusetzen. Nachgerade dann, wenn man RoI nicht einfach per se als «Return on Investment» versteht, sondern – smarter – als «Risk of Ignorance».

Patrick Comboeuf

Patrick Comboeuf ist Studiengangsleiter CAS Fintech & Blockchain Economy an der Hochschule für Wirtschaft Zürich  (HWZ) und Principal bei der Digitalberatung EY etventure. Zuvor war er Digitalchef bei Swiss Life und bei den SBB, wo er u.a. die SBB-Mobile-App verantwortete.