Von Kevin Saner
Der digitale Bildungsraum Schweiz steht unter der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Kantonen. Während die Hoheit über das Bildungswesen grundsätzlich bei den Kantonen liegt, wirken die Zuständigkeiten der beiden Politik- und Verwaltungsebenen namentlich bei der Berufsbildung und generell bei den transversalen Themen der Digitalisierung stark ineinander. Die je zur Hälfte durch Bund und Kantone finanzierte Fachagentur Educa hat den Auftrag, die nötigen Grundlagen zu schaffen, und künftige Entwicklungen im digitalen Ökosystem zu antizipieren. So erarbeitet sie seit Juni 2021 ein System zum schweizweiten Datenaustausch in der Berufsbildung.
Die grosse Herausforderung im Bildungswesen, und somit auch in der Berufsbildung, ist der Umgang mit dem Föderalismus und der grossen Heterogenität der eingesetzten Systeme, Prozesse und Strukturen sowie die teils auch kantonal unterschiedliche Gesetzeslage. Ein System, das alle diese Akteure verbindet, muss also gänzlich gegensätzliche Anforderungen erfüllen. Es muss mit einer Vielzahl an Applikationen kompatibel sein, es soll die Administration von Lernenden für Grossbetriebe erleichtern, aber es soll auch für kleine, wenig technikaffine Unternehmen einen Mehrwert bieten. Letztlich ist das Ziel, die Daten schweizweit effizient auszutauschen, aber auch möglichst alle bestehenden Daten in einem Vertrauensraum zugänglich und für das gesamte System nutzbar zu machen.
Die Datenföderation in der Berufsbildung sieht vor, die Potenziale der Blockchain zu nutzen: Datensätze und Ereignisinformationen aus vielfältigen Quellen verbinden, Ausbildungs-Ereignissen aller Art bis und mit Abschlusszeugnissen in der Blockchain anlegen, Zugriffsrechte über ein persönliches Wallet individuell steuern, usw. (Illustration: Educa, März 2022).
Die Idee einer Datenföderation
Der momentan verfolgte Architekturansatz nennt sich Datenföderation. Eine Datenföderation ist ein virtueller Zusammenschluss von unterschiedlichen Systemen, die dabei ihre Autonomie und ihr lokales konzeptionelles Schema bewahren. Ziel dieses Ansatzes ist es, auf Bestehendem aufzubauen und so die Systemstärken wie Diversität, Agilität und Innovationskraft zu erhalten. Um dies zu erreichen ist eine gesamtheitliche Systembetrachtung wichtig.
Die Datenföderation wird primär für die Berufsbildung konzipiert. Von Anfang an sind Überlegungen aus einer übergeordneten systemischen Perspektive integraler Teil des gewählten Ansatzes. Dazu gehören Fragen wie: «Wie können Daten von verschiedenen Identitätsanbietern, beispielsweise des Einwohnermeldeamts, genutzt werden?» oder «Wie können Bildungsabschlüsse, insbesondere auch von nicht in der Berufsbildung tätigen Akteuren, digital verifizierbar gemacht werden?».
Potenziale der Blockchain
Um Innovationspotenzial zu schaffen, ist es wichtig, sich bei der Konzeption der Datenföderation frühzeitig mit neuen Technologien wie maschinellem Lernen oder auch der Blockchain zu beschäftigen. Insbesondere bei vernetzten Systemen, wie es die Datenföderation sein soll, hat die die Blockchain ein neues Zeitalter eingeläutet. Nach einer Ära der Zentralisierung ermöglicht die Blockchain-Technologie nun dezentralisierte Architekturen. Aufgrund des hohen Grades an Heterogenität des Berufsbildungssystems eignet sich ein dezentralisierter Ansatz hervorragend. Ein Peer-to-Peer Netzwerk befähigt Akteurinnen und Akteure, direkt miteinander zu kommunizieren. Die modulare Struktur der Blockchain ermöglicht es dabei allen Beteiligten, jeweils nur die benötigten Komponenten zu installieren und die erforderlichen Daten zu nutzen.
Lehrabschluss im Wallet
Ein dezentralisierter Ansatz könnte insbesondere die Entscheidungsfindung und Kommunikation von Ereignissen in der Berufsbildung reformieren. Bildungsrelevante Nachweise, wie Noten oder Kursabschlüsse, werden in der Blockchain festgehalten und sind sofort für alle autorisierten Akteurinnen und Akteure verfügbar. Alle können ein Ereignis für sich interpretieren und dies wiederum in der Blockchain festhalten. So kann das Ereignis «bestandene Zwischenprüfung» zum Ereignis «zur Lehrabschlussprüfung zugelassen» führen. Hat eine Lernende oder ein Lernender sämtliche zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung relevanten Nachweise erbracht, wird dies ebenfalls in der Blockchain festgehalten. Dieser Eintrag wird so signiert, dass er eindeutig einer Person zuweisbar ist. Diese Signatur wird mit Hilfe eines Wallets erstellt. Somit belegt nicht bloss das Fähigkeitszeugnis als klassisches Büchlein den Lehrabschluss, sondern auch ein automatisch verifizierbares digitales Zertifikat, das im Bewerbungsprozess geteilt und authentifiziert werden kann.
Schliessen sich in Zukunft immer mehr Systeme der Datenföderation an, bedeutet das, dass eine Person sämtliche erworbenen Abschlüsse, von der Primar- bis zur Hochschule, in seinem Wallet verfügbar hat und sie gezielt freigeben kann. Diese Nachweise sind automatisch verifizierbar und verringern somit den administrativen Aufwand, sei es bei der Zulassung zur Berufsbildnerin oder bei der Anmeldung an einer weiterführenden Schule.
Links:
Bildungssystem Schweiz: www.edk.ch/de/bildungssystem-ch
Strategie Digitale Schweiz im Bereich SBFI: www.sbfi.admin.ch/sbfi/de/home/bfi-politik/bfi-2021-2024/transversale-themen/digitalisierung-bfi.html
Digtalstrategie EDK: www.edk.ch/de/themen/transversal/digitalisierung
Jahresbericht Educa: www.educa.ch/de/ueber-uns/fachagentur/jahresbericht-2021
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«Digitalisierung in der Bildung»: Bericht mit Podcast
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Im Sommer 2021 hat die Fachagentur Educa den Bericht «Digitalisierung in der Bildung» publiziert. Das Werk ist ein Beitrag zum Bildungsmonitoring im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) und der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK).
Der Bericht bereitet erstmals den aktuellen Wissensstand zur Digitalisierung in der Bildung umfassend auf und gibt Auskunft über allfällige Wissenslücken. So erbringt der Bericht zwei zentrale Leistungen für das Bildungssystem: Zum einen definiert er auf Basis eines Reviews bestehender internationaler Erhebungen zur Digitalisierung im Bildungsbereich, welche Informationen für ein Monitoring der Digitalisierung in der Bildung relevant sind. Er leitet daraus einen konzeptionellen Rahmen für den empirischen Teil des Berichts ab. Zum anderen trägt er, unter Rückgriff auf diesen konzeptionellen Rahmen, Wissen über die Nutzung digitaler Ressourcen, über die Effekte dieser Nutzung und die Gelingensbedingungen für deren erfolgreichen Einsatz im Bildungssystem Schweiz von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II zusammen. Dieses Wissen wird aufbereitet, bewertet und so verarbeitet, dass die Digitalisierung in den Institutionen der einzelnen Stufen beschrieben, erklärt und hinsichtlich der Bewertungskriterien der Bildungsberichterstattung Schweiz (Effektivität, Effizienz und Equity) beurteilt werden können. Der Bericht stützt sich dabei ausschliesslich auf die Analyse von wissenschaftlicher Literatur und Sekundärdatenbeständen, wobei die Aussagekraft von Bildungsstatistik und Bildungsforschung in Bezug auf die gewählten Fragestellungen kritisch beleuchtet werden.
Das so aufbereitete Wissen zeigt beispielsweise, dass die Ausstattung von Schulen mit digitalen Endgeräten in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist. Gleichzeitig sind aber auch die Unterschiede zwischen den Schulen grösser geworden. Ebenso hat die Nutzung digitaler Ressourcen in Lehren und Lernen in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen. Dabei treten allerdings deutliche sprachregionale Unterschiede zu Tage: digitale Ressourcen kommen in der Deutschschweiz häufiger als in der lateinischen Schweiz zum Einsatz.
Ende März hat Dr. Benjamin Volland, leitender Autor des Berichts, die erste Folge einer Podcast-Serie zu den Ergebnissen des Berichts veröffentlicht. Zu hören ist er hier: www.educa.ch/de/news/2022/lernen-mit-digitalen-medien-es-ist-kompliziert
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