Vorgabe: «Many aircrafts flying through clouds», (created by DALL·E mini/craiyon.com)
Von Martin Apsel-von zur Gathen
Wenn nicht gerade durch eine globale Pandemie gebremst, dann bewegen sich zu jedem Zeitpunkt viele tausend Flugzeuge über unsere Köpfe. Einen Teil dieser Flugzeuge betreibt Swiss International Air Lines (SWISS) aus der Schweiz und verbindet so nicht nur Menschen und Kulturen miteinander, sondern trägt auch dazu bei, via Luftfracht sowohl die Schweizer Wirtschaft als auch Konsumenten an den Weltmarkt anzubinden. Neben Airlines wie SWISS agieren diverse weitere Stakeholder, z. B. Flughäfen, Fluglotsen und Bodenabfertigungsdienstleister, im System «Luftverkehr», um das Geflecht am Himmel über uns aufrecht zu erhalten.
Die Steuerung dieser Komplexität findet in der sogenannten Einsatzleitstelle statt, quasi dem Herzen einer jeden Airline. Bei SWISS befindet sich dieses am Flughafen Zürich, wo sich zirka 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, um einen reibungslosen, effizienten und vor allem sichern Flugbetrieb kümmern. Unterschiedliche Teams, verantwortlich für beispielsweise Flugzeugumläufe, Einsatzplanung der Crews oder Passagierflüsse am Flughafen, agieren dabei integriert und eng miteinander verzahnt.
SWISS, Teil des Lufthansa-Konzerns, ist bemüht, durch Innovation eine Vorreiterrolle einzunehmen. Eine dieser Innovationen ist die Operations Decision Support Suite – oder auch nur OPSD genannt. Dabei handelt es sich um eine modulare Datenplattform, die SWISS gemeinsam mit Google Cloud erarbeitet und entwickelt hat, um den täglichen Flugbetrieb effizienter planen und steuern zu können. Alle verfügbaren Informationen und Daten über Bedingungen und Ressourcen werden berücksichtigt, sodass die Mitarbeitenden der Einsatzleitstelle in kürzester Zeit die optimalen Entscheidungen für die Gäste und deren Flüge mit SWISS innerhalb des Ökosystems Luftverkehr treffen können. Das System schlägt optimale Szenarien für einen stabilen, effizienten und nachhaltigen Flugbetrieb vor. Optimal bedeutet beispielsweise mehr Pünktlichkeit für die Fluggäste. Optimal kann aber auch bedeuten, auf bestimmten Routen ein effizienteres Flugzeug einzusetzen. So kann SWISS den CO2-Ausstoss weiter reduzieren.
Bei der Lufthansa Group gibt es zur Abwicklung des operativen Geschäftes für die jeweiligen Prozesse entsprechende Kernsysteme, welche die Optimierung einzelner Prozesse unterstützen. Was jedoch fehlte, war eine Grundlage für die holistische Optimierung des gesamten Flugbetriebs, in Form eines gemeinsamen Datenspeichers, der Informationen über die Besatzung, die Passagiere, die Rotation und die Technik enthält. Für die Entwicklung einer solchen holistischen Optimierung hat sich SWISS mit Google Cloud zusammengetan.
Aufgrund des Umfangs und der Bedeutung des OPSD-Projekts wurden nur grosse Technologiepartner in Betracht gezogen, welche die nötige Stabilität und das erforderliche Know-how bieten konnten. Google Cloud vereint beide Voraussetzungen und verfügt über entsprechende Lösungen und Support.
Nach dem ursprünglichen Start im Februar 2020 veränderten COVID-19 und seine Auswirkungen auf die Reisebranche den Kurs und den Zeitplan des OPSD-Projekts. Anstelle eines übergreifenden Projektes wurde es in mehrere kleinere Anwendungsfälle aufgeteilt. In einem agilen Setup agieren die Mitarbeitenden von OPSD und Google Cloud als Kollegen.
Anstatt ihre Kernsysteme in die Cloud zu verlagern, nutzt SWISS die Google Cloud als zusätzliche Schicht über den bestehenden Datentools und -silos und bildet den Zustand des Flugbetriebs mit BigQuery in der Cloud minutengenau ab. Mit allen relevanten Daten an einem Ort nutzt SWISS die KI- und Machine Learning-Lösungen der Google Cloud, um Szenarien zu managen und Optimierungsmöglichkeiten für die verschiedenen operativen Dimensionen zu finden. Auf der Grundlage von Faktoren wie Kosten oder Kundennutzen schlägt OPSD den Operations Controllern ein optimales Szenario vor, das diese mit nur zwei Klicks überprüfen und ausführen können. Anstatt ihre begrenzte Zeit mit der Suche nach Routineoptimierungen zu verbringen, können sie sich auf komplexere singuläre Probleme konzentrieren, zu welchen noch keine KI-Lösung vorliegt.
Die ersten Anwendungsfälle von OPSD konzentrierten sich auf zwei Bereiche: Die Rotationsplanung, die die optimale Zuweisung und den Wechsel von Flugzeugen umfasst, und das Passagier-Transfer-Management, das die Steuerung umsteigender Passagiere und deren Anschlüsse unterstützt, um effektivere Passagierflüsse zu gewährleisten oder, wenn Anschlüsse am Ende nicht erreicht werden können, bei der Suche nach Alternativen für die betroffenen Fluggäste dient.
Im Flugverkehr ist Treibstoffsparen nicht nur aus Kostenaspekten sinnvoll, sondern trägt auch dazu bei, den ökologischen Fussabdruck einer Fluggesellschaft zu reduzieren. SWISS hat sich ehrgeizige Ziele für die CO2-Reduktion gesetzt: Bis 2030 soll die CO2-Bilanz halbiert werden, und bis 2050 soll sie neutral sein. OPSD ist eines der Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen und nachhaltiger zu werden.
Vorhersagbarkeit ist der Schlüssel für eine Branche, die schon vor der COVID-19 mit grundlegenden Veränderungen zu kämpfen hatte. Zwischen den langfristigen Auswirkungen der Pandemie, der Digitalisierung des Reiseerlebnisses und dem zunehmenden Fokus auf Nachhaltigkeit steht die Luftfahrt vor vielen Herausforderungen – eine Fluggesellschaft kann sie nicht alleine bewältigen. Es geht deshalb nicht darum, eine Fluggesellschaft, einen Flughafen oder die Flugsicherung zu optimieren, sondern eine Plattform für den Datenaustausch zu schaffen, die allen Beteiligten einen Mehrwert bietet und das gesamte Ökosystem optimiert.
SWISS ist die erste Fluggesellschaft der Lufthansa Group, die im Rahmen der strategischen Partnerschaft der Gruppe mit Google Cloud zusammenarbeitet. Es ist ein Anfang: Denn die Plattform auf der Cloud ist so konzipiert, dass sie auch von anderen Fluggesellschaften der Lufthansa Group übernommen werden kann.