Reformblockade überwinden

Von Peter Grünenfelder, auto-schweiz

Untergräbt die Schweizer Politik gerade die Resilienz unseres Wirtschaftssystems? Die Aufrechterhaltung der Widerstandsfähigkeit des Werkplatzes Schweiz ist gegenwärtig umso bedeutender, als dass dieser durch multiple Entwicklungen zunehmend herausgefordert wird. Exemplarisch stehen hierfür die neue Weltlage und die Transformation auf dem Arbeitsmarkt, dazu Fragen zur Energieversorgungssicherheit. 

Einerseits haben geostrategische Umbrüche mit der zunehmenden Rivalität zwischen den beiden grossen Machtblöcken USA und China Auswirkungen auf das global tätige Schweizer Unternehmertum. Die Schweiz gilt als der Globalisierungschampion, der Aussenhandel wirkt dementsprechend als Beschäftigungsmotor. Anderseits ist mit dem rasanten Fortschreiten der Digitalisierung eine umfassende Transformation auf dem Arbeitsmarkt zu beobachten. In Zeiten von Fachkräftemangel ist ein Ermöglichen dieser Anpassungsprozesse umso dringender. 

Und bei der Frage der Versorgungssicherheit und einer allfälligen Strommangellage sehen viele politische Entscheidungsträger das Allheilmittel in noch mehr Staat – in Verkennung aller Realitäten. Bereits heute ist die öffentliche Hand zu fast 90 Prozent in Besitz der über 600 Stromunternehmen, und 99 Prozent aller Stromkunden können ihren Anbieter infolge staatlicher Gebietsmonopole nicht frei wählen. Die Politik hat sich also im letzten Jahr bei der Energiemangellage keinesfalls als der bessere Krisenmanager erwiesen. 

All diese Entwicklungen verlangen anstelle einer Ausbreitung des öffentlichen Sektors ein flexibleres und durchgehend digitalisiertes Staatswesen. Nur so kann die rasche Anpassungsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft gewährleistet werden. Statt weiterer regulatorischer Einschränkungen und einer Vervorschriftung des Unternehmertums sind strukturelle und marktwirtschaftliche Erneuerungen vonnöten, um die Resilienz wieder zu erhöhen.  

 

Denkblockaden gehören abgebaut

Um die Versorgungssicherheit wieder herzustellen, ist generell eine marktwirtschaftliche Ordnung anzustreben: Anstelle von Technologieverboten bräuchte es eine technologieneutrale Regulierung, statt einer gesetzlichen Verhinderung von Infrastrukturprojekten investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen, anstelle Abschottung eine Offenheit gegenüber ausländischen Kapitalgebern.

Arbeitsformen der Zukunft, in den Unternehmen vorangetrieben durch die Digitalisierung und die ortsungebundene Arbeit sowie stark ansteigende Beschäftigungszahlen im Teilzeitverhältnis, erfordern eine rasche Re-Liberalisierung des Schweizer Arbeitsmarktes. Dieser verliert allerdings durch die sich rasant ausbreitenden allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträge derzeit erheblich an Handlungsspielraum. Mit regulatorischen Vorgaben zwingen Behörden immer mehr Unternehmen zu Mindestlöhnen. Doch statt die Vergewerkschaftung der Arbeitsverhältnisse voranzutreiben, ist Flexibilität gefragt.
 
Wettbewerb ist anstrengend, doch ein Stehenbleiben mündet in eine Abseitsposition. Deshalb gilt es, die Resilienz für den Wirtschaftsstandort gesamthaft zu stärken, indem seitens der politischen Führung ein engagierterer Einsatz als bisher für den Ausbau der Marktzugänge zu den wichtigsten Handelspartnern erfolgen sollte. Das betrifft die Gewährleistung des privilegierten Zugangs zum EU-Binnenmarkt genauso wie das Anstreben eines Freihandelsabkommens mit den USA, aber auch die Aufrechterhaltung des wirtschaftlichen Austauschs zum Reich der Mitte.  

Letztlich kann die hausgemachte Reformblockade, die eine eigentliche Denkblockade ist, nur überwunden werden, wenn die mentalen Hindernisse überstiegen werden, die man hierzulande selbst errichtet hat. 

Peter Grünenfelder

Peter Grünenfelder, Dr.oec., ist Präsident von auto-schweiz. Zuvor war er langjähriger Direktor von Avenir Suisse.