Von jeder Schweizer Bergspitze aus erreicht man die Welt

Interview mit Fritz Sutter, ehemaliger Präsident asut

Er gilt als profunder Kenner der hiesigen Telkom-Branche und «Netzwerker par excellence»: Fritz Sutter, vormaliger asut-Präsident und Erfinder der ICT-Networkingparty über Netzwerke und Vernetzung in der Schweiz.

asut: Wenn Sie zurückschauen: Haben sich die Telekommunikationsnetze in der Schweiz so entwickelt, wie Sie sich das vor 50 Jahren vorgestellt haben?

Dazu machte ich mir damals keine Gedanken. Wir hatten zwei kleine Kinder und ich interessante Aufgaben bei der IBM, wozu eine zeitlang auch die Telekommunikation gehörte. Zudem hatte ich als Offizier der Übermittlungstruppen jeweils mehrere Wochen pro Jahr mit militärischen Netzen zu tun. Unsere Funkstationen und Krypto-Funkfernschreiber waren in VW-Bussen installiert, der Telegrammverkehr wurde chiffriert.

Ist die Schweiz in Sachen Telekommunikation heute dort, wo sie sein könnte?

Unser Land ist «telekommunikativ» ausgezeichnet positioniert. Im neusten «IMD World Competitiveness Yearbook», das 67 Länder weltweit vergleicht, stehen wir im Bereich «Technologische Infrastruktur» auf Platz 3. Ich bin hin und wieder in den Bergen unterwegs: Es fällt mir keine SAC-Hütte ein, von der man die Welt nicht per Telefon oder Internet erreichen kann.

Aber werden wir den Platz auf dem Podium behalten können? Soeben hat das Bundesgericht entschieden, dass 5G-Anlagen ohne Bewilligung nicht stärker strahlen dürfen. Laut asut wird das die kundengerechte Mobilfunkversorgung mit einer effizienten und zeitgemässen Technologie in der Schweiz stark verzögern. Wie sehen Sie das?

Na ja, auch Gerichte fällen hin und wieder Entscheide, die mit gesundem Menschenverstand schwer nachvollziehbar sind. Die vom Bundesgericht verlangten zusätzlichen Baubewilligungsverfahren für rund 3000 bestehende 5G-Antennen sind eigentlich überflüssig. Die Massnahme kommt mir vor wie das seinerzeitige Autoverbot im Kanton Graubünden. Die Kantonsregierung untersagte damals das Fahren mit Automobilen auf allen Strassen des Kantons. Autos mussten auf Pferdefuhrwerken transportiert werden! Das Verbot wurde dann 25 Jahre später in einer Volksabstimmung aufgehoben.
 

Als Graubünden das Auto verbieten wollte. Flugblatt der Autogegner aus dem Jahr 1925. (Bild: ACS)
 

Immer grössere Datenmengen, mehr gleichzeitige Verbindungen, hohe Anforderungen an die Datenübertragung, immer mehr datengetriebene Services – all das setzt auch immer smartere Netze voraus. Aber gleichzeitig wächst in der Bevölkerung auch eine gewisse Technologieskepsis. Können Sie  solche Vorbehalte verstehen?

Ich bezweifle, dass die breite Bevölkerung den modernen Technologien misstraut; ganz im Gegenteil, sie nutzen sie mehr denn je. Junge und ältere Menschen, Frauen wie Männer. Es sprechen eigentlich immer mehr Leute als zuhören! Wenn ich sehe und vor allem wenn ich mitbekomme, wieviel und vor allem über was am Telefon in Zügen, Trams und Bussen alles gesprochen wird, mache ich mir deswegen wirklich keine grossen Sorgen.

Aber eine Antenne möchte doch lieber niemand hinter, vor oder neben dem Haus. Momentan blockieren auf kantonaler und kommunaler Ebene ein paar Tausend Einsprachen den weiteren Ausbau des 5G-Netzes. Da scheint es doch, dass es der Telekombranche nicht wirklich gelingt, die Vorbehalte der Bevölkerung auszuräumen?

Auch ich würde es nicht schätzen, wenn man vor, hinter oder neben mein Haus eine Antenne stellen würde. Allerdings nicht wegen der Strahlung, sondern aus optischen Gründen. Die Mobilfunkbetreiber haben das Problem erkannt und bemühen sich, entsprechende Antennenstandorte zu finden. Wenig bekannt ist in diesem Zusammenhang übrigens, dass ca. 90 Prozent der Strahlung nicht von den Sendemasten, sondern vom eigenen Handy kommen. Mit dem Thema wird hin und wieder Schindluderei betrieben: Ich erinnere mich, in Bern einmal in einem Ladenschaufenster eine Weste gesehen zu haben, die vor Strahlung schützen sollte. Es kommt mir der Spruch in den Sinn, wonach vierblättrige Kleeblätter auch dann helfen, wenn man nicht daran glaubt. Oder die Umkehr der Ursache-Wirkung: Der Hahn kräht morgens, damit die Sonne aufgeht.

Und wie steht es auf politischer Ebene: Haben Sie den Eindruck, dass beispielsweise dem Parlament genügend klar ist, wie zentral die Telekominfrastruktur für das Funktionieren des Landes, für die Standort- aber auch die Lebensqualität ist?

Solange alles so gut funktioniert, wie das in der Schweiz heute der Fall ist, wird sich weder unser Parlament noch sonst jemand darum kümmern. Es gibt Dinge, die sind einfach da wie Luft oder Wasser. Telekomdienste gehören inzwischen dazu. In Notsituationen sind sie unentbehrlich. Wehe aber, sie fallen einmal aus, was kaum je passiert: Dann werden mit Sicherheit allenthalben sofort «griffige Massnahmen» verlangt und von allen Seiten gute Ratschläge erteilt.

Aus Ihren bisherigen Antworten schliesse ich: Sie sind resolut optimistisch und sehen die Schweiz auf dem richtigen (Telekommunikations-)Weg in die Zukunft. Kann sich asut zum 50. Jubiläum ein Stück von diesem Erfolg abschneiden? 

Vorab: Ja, der Optimismus ist in meinen Genen, und das wird sich kaum mehr ändern. Was übrigens die wenigsten wissen: asut steht für «Association Suisse des Télécommunications». Der Benutzerverband wurde seinerzeit von einem Mitarbeiter der Schweizerischen Bankgesellschaft gegründet, einem Bündner namens Martial Sialm. Er ist heute über 90 Jahre alt und aufgestellt wie eh und je. Er war es, der damals mit asut ein Gegengewicht zum PTT-Monopol schaffen wollte. Nebenbei bemerkt: Zu meiner Zeit im Vorstand der asut spielten vor allem Regulierungsfragen eine bedeutende Rolle, Stichwort «Entbündelung der letzten Meile»: Es ging darum, dafür zu sorgen, dass nicht zu viel reguliert wird. Heute geht es hingegen mehr um optimale politische, rechtliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft. In dieser Hinsicht ist asut eine wichtige Stimme.

Vielleicht ist auch eine Vernetzung der ganz anderen Art daran beteiligt, dass in der Schweiz in Sachen Telekommunikation zwar oft und gerne und manchmal mit harten Bandagen debattiert wird, am Ende aber doch Kompromisse mit Hand und Fuss herauskommen: Ich spiele auf die von Ihnen ins Leben gerufenen ICT- Networkingparty an, die dafür sorgt, dass Branche, Politik und Verwaltung zusammensitzen und – vor allem – zusammen reden…

Zusammen reden ist immer die beste Lösung. asut führt regelmässig Branchenveranstaltungen für Fachleute durch: Lunch-Foren, Member-Apéros, die IoT-Konferenz etc. Dazu gehört auch das sogenannte asut-Seminar, dessen Name später in Swiss Telecommunication Summit geändert wurde. Inzwischen ist es mit Abstand der grösste Anlass aller vom Branchenverband organisierten Events. Nächstmals findet der «Telco-Gipfel» am 26. Juni 2025 im Kursaal Bern statt. Die ICT-Networkingparty entstand übrigens im Jahr 2003 als Abschiedsanlass nach meiner Pensionierung bei Swisscom. Eingeladen waren damals Personen, mit denen ich in und ausserhalb der Firma beruflich zu tun hatte, notabene mit ihren Damen. Zusammen mit meiner Frau organisierte ich diese Veranstaltung nachher noch mehrere Male. Es erstaunt mich nach wie vor, dass der Anlass bis heute derart erfolgreich ist. Der Kursaal Bern ist mit 1000 Teilnehmenden jedes Mal ausverkauft. Die nächste Ausgabe findet dort am 23. Januar 2025 statt.

Aufgezeichnet von Christine D'Anna-Huber

Fritz Sutter

Nach einer ersten Anstellung als Verwaltungsangestellter beim Statthalteramt in Zürich war Fritz Sutter 32 Jahre bei IBM im Bereich Grosscomputer, Verkauf + Management tätig. 1996 wechselte er zur Swisscom, damals Telekom PTT, wo er als Stabschef für Change-Projekte die Monopolistin fit für den Wettbewerb machte und – als begnadeter Netzwerker – die Beziehungen zu den Regulierungsbehörden und zum Eidgenössischen Parlament pflegte. Nach seiner Pensionierung engagierte sich Fritz Sutter als profunder Kenner der Telecom-Branche bei der asut, die er von 2003 bis 2006 präsidierte, bei SwissICT und ePower. Zudem erfand und initiierte er die ICT-Networkingparty – den wichtigsten Networking-Event der Telekom und IT-Branche. Und weil das alles noch nicht reicht, hat Fritz Sutter (unter anderem) über zwanzig 4000er bestiegen – Matterhorn inklusive, Jahr für Jahr fast alle grossen Alpenpässe mit dem Velo bezwungen, zwei Dutzend Strassen-Marathons und -Halbmarathons absolviert sowie zehn Mal den Engadiner Ski-Marathon.