Immer mobil – Wunsch oder Wirklichkeit?

Von Andreas Kronawitter, its switzerland

Zwei Wochen vor den Sommerferien regnet es im Misox. Nicht wie sonst um diese Jahreszeit, sondern in Mengen, wie man sie in dieser Region noch nie erlebt hat. Die Wassermassen, vermischt mit Erde und Gestein, stürzen die steilen Talflanken hinunter, lassen die Bäche und die Moesa anschwellen und richten riesige Schäden an. Die A13, eine der beiden Hauptverkehrsachsen über die Schweizer Alpen, wird auf einigen hundert Metern unpassierbar, ein Teilstück wird komplett weggespült. Doch zu Beginn der Sommerferien ist eine Spur der Autobahn schon wieder befahrbar. Der Verkehrskollaps in der Schweiz bleibt aus.

Wie war das möglich?

Das Schweizer Verkehrssystem ist bereits stark vernetzt. Praktisch «über Nacht» schufen die SBB an den Wochenenden 11'000 zusätzlichen Plätze auf der Gotthardroute. Der Strassenverkehr wurde grossräumig von der San Bernardino-Route auf die Gotthardstrecke umgeleitet, Baustellenplanungen und Verkehrsregime wurden überprüft und angepasst. Die Experten von Swisstopo vermassen mit Drohnen die noch instabilen Hänge und lieferten die nötigen Informationen für die Planung und Arbeiten zur Instandstellung der Autobahn. Was sich hier kurz und einfach zusammenfassen lässt, ist das Ergebnis einer über Jahre aufgebauten Zusammenarbeit von Behörden und Unternehmen. Systeme wurden entwickelt, umgesetzt und miteinander verbunden. Jetzt, im Ernstfall, zeigen sich die Früchte dieser Anstrengungen, die von der Öffentlichkeit meist unbemerkt erbracht wurden.

Das Misox war dieses Jahr kein Einzelfall. Zermatt und das Saastal sowie Brienz im Berner Oberland wurden ebenfalls von extremen Wetterereignissen heimgesucht. Auch hier mussten Strassen und Schienenwege wiederhergestellt werden. Noch viel schlimmer hat es dieses Jahr aber Österreich, Tschechien, die Slowakei und Polen getroffen. Eine besondere Wetterlage brachte aus dem überwarmen Mittelmeer zuvor nie gemessene Niederschlagsmengen, die monatelange Reparaturarbeiten zur Folge hatten. Die ÖBB wird erst gegen Weihnachten wieder den Normalbetrieb aufnehmen können.

Extremwetterereignisse nehmen zu, sowohl was ihre Häufigkeit als auch ihre Heftigkeit betrifft. Die Statistiken der Rückversicherungen weisen dies in nackten Zahlen aus. Der Klimawandel, der hinter der Zunahme solcher Wetterphänome steckt, ist aber nicht der einzige Faktor, der die Unsicherheit erhöht. Kriege und Verteilungskämpfe um Energie und Rohstoffe sind weitere Treiber der Entwicklung. Wir müssen uns also künftig darauf einstellen, unsere Mobilitätssysteme entsprechend zu gestalten, um rasch und angemessen reagieren zu können.

Was tut die Schweiz? Sie lernt, aus dem, was im eigenen Land passiert ebenso wie aus dem, was in in anderen Ländern geschieht. Der Austausch von Daten, Strategien, Notfallplänen und vielem mehr ist notwendig – und er funktioniert. Der internationale Austausch wird zum Beispiel über die ITS-Organisationen (Intelligent Transport Systems) in der DACH-Region (Deutschland, Österreich und Schweiz) schon seit Jahren ausgebaut, aber auch im ITS-Nationals-Netzwerk europaweit gepflegt.

Dieser Austausch würde aber wenig nützen, wenn nicht alle Länder, auch die Schweiz, ihre Hausaufgaben machen würden. In der Schweiz arbeiten dabei Verbände wie asut und its switzerland, aber auch Behörden, Firmen und Forschung, eng zusammen. Ein gutes Bespiel ist die Mobilitätsdateninfrastruktur, kurz MODI, deren Grundlagen in einer Arbeitsgruppe von its switzerland erarbeitet wurde und die sich nun in der Gesetzgebungsphase befindet. Wenn die eidgenössischen Räte 2025 zustimmen, wird der Datenaustausch über alle Mobilitätssysteme in der Schweiz massiv verbessert und über einen «National Access Point» auch mit anderen Ländern möglich. Vorarbeiten dazu wurden unter anderem im Rahmen des von Österreich initiierten Projekts «Linking Alps» geleistet, an dem auch Slowenien, Italien, Frankreich und Deutschland beteiligt sind.

Wo ein Wille, da ein Weg. Wo ein Weg, da bleiben wir mobil.

Andreas Kronawitter

Als gelernter Physiker hat Andreas Kronawitter eine Schwäche für komplexe Systeme wie die Mobilität. Nach vielen Jahren im öffentlichen Verkehr ist er aktuell Geschäftsführer von its switzerland, Mitglied der Verwaltung der Genossenschaft openmobility und Gründer des Mobilitätsangebots mybuxi.