Nachhaltige Bewegungsfreiheit: Chance und Herausforderung

Von Endre Angelvik, Ruter

Das Herzstück nachhaltiger Mobilität: Ridesharing (Foto: Ruter)

Europa, im Jahr 2023 der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmte, muss sich mit der Rolle des Verkehrs bei der Umweltverschmutzung auseinandersetzen. In Norwegen ist der Verkehr mit einem Anteil von 61 Prozent an den Gesamtemissionen der grösste Verursacher von CO2-Emissionen – das allein zeigt die Dringlichkeit eines grundlegenden Systemwechsels. Ruters Vision geht in Richtung eines wachsenden globalen Konsenses: Es muss gelingen, die Zahl der gefahrenen Kilometer zu reduzieren und private Autofahrten durch effizientere und nachhaltigere Alternativen zu ersetzen.

Die Oslo-Studie dient uns als wichtige Referenz, da sie die greifbaren Vorteile von Shared-Mobility-Lösungen aufzeigt, wie z.B. die Reduzierung der Fahrzeugkilometer um bis zu 30 Prozent, die Verringerung der benötigten Fahrzeugflotte um mehr als 90 Prozent sowie die Verkürzung von Warte- und Umwegzeiten in On-Demand- und Ridesharing-Szenarien. Diese Ergebnisse zeigen, dass es nicht nur möglich, sondern auch erstrebenswert ist, die Abhängigkeit vom privaten Pkw zu reduzieren, um das Pendlererlebnis zu verbessern und die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Das Resultat unserer Auseinandersetzung mit Shared-Autonomous-Vehicle-Systemen (SAV) ist ein sorgfältig durchdachter Ansatz, der darauf abzielt, den gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen zu maximieren. Die wichtigsten Gestaltungsprinzipien dabei sind:

  1. Fahrgemeinschaften als Kernprinzip: Durch die Bevorzugung von Ridesharing können SAV-Systeme die total gefahrenen Fahrzeugkilometer drastisch reduzieren und damit Emissionen und Staus verringern, sofern die Fahrzeuge gut ausgelastet sind, Leerfahrten minimiert und private Fahrzeuge ersetzt werden.
  2. Integrierter Flottenbetrieb: Ein integrierter Flottenbetrieb vermeidet Redundanzen und Ineffizienzen, die durch konkurrierende Systeme entstehen, und sorgt für einen reibungsloseren Betrieb und maximalen Nutzen.
  3. Nahtlose Integration mit öffentlichen Verkehrsmitteln: SAV-Systeme sind so konzipiert, dass sie öffentliche Verkehrsnetze ergänzen und mit ihnen zusammenarbeiten, um deren Nutzen zu erhöhen und gleichzeitig die Nutzung privater Pkw zu reduzieren.
  4. Skalierbarkeit: Eine Umsetzung im grossen Massstab ist entscheidend für die Zuverlässigkeit, die Nachhaltigkeit und die wirtschaftliche Tragfähigkeit, damit SAVs mit privaten Autos konkurrieren können.
  5. Subsitution von privaten Pkw-Fahrten: Der Erfolg des Systems hängt davon ab, dass die Nutzer von Privatfahrzeugen auf SAVs umsteigen, wodurch der CO2-Fussabdruck reduziert und gleichzeitig das verfügbare Mobilitätsangebot aufrechterhalten wird.

Lehren aus Pilotprojekten

Seit 2018 haben wir fünf Pilotprojekte durchgeführt, die das Potenzial autonomer Fahrzeuge unter verschiedenen Bedingungen aufzeigen. Diese Versuche belegen die Machbarkeit der autonomen Mobilitätslösungen anhand von Tausenden von Kilometern, die im autonomen Modus gefahren wurden, und Tausenden von Fahrgästen, die sich im Rahmen dieser Projekte fortbewegen konnten. Gleichzeitig bieten sie wichtige Einblicke in die betriebliche Herausforderungen und verdeutlichen die Bedeutung der Technologieintegration.

Schrittweise Transformation

Wir sehen einen dreistufigen Fahrplan für den Übergang zu nachhaltigeren Mobilitätssystemen vor:

  1. Grundsteinlegung: In dieser Phase liegt der Schwerpunkt auf der Erprobung und dem Testen von SAV-Systemen in kontrollierten Umgebungen, um die besten Betriebsverfahren zu ermitteln.
  2. Skalierung: Der Schwerpunkt verlagert sich auf die Integration dieser Lösungen in bestehende öffentliche Verkehrssysteme in grösserem Massstab.
  3. Umfassende Transformation: In der letzten Phase geht es um eine weit verbreitete Einführung, die den Individualverkehr ersetzt und die städtische Mobilitätsdynamik insgesamt verändert.

Kundenzentrierte Mobilität

Im Mittelpunkt unserer Strategie steht der Kunde. Gemeinsam genutzte On-Demand-Dienste sind so konzipiert, dass sie höchsten Komfort bieten, Warte- und Fahrzeiten verkürzen und gleichzeitig erschwinglich und zugänglich sind.

Der Weg in die Zukunft

Trotz dieser vielversprechenden Fortschritte steht die Zukunft noch ganz am Anfang. Der Erfolg hängt von kontinuierlicher Innovation, starken öffentlich-privaten Partnerschaften und einem unbeirrbaren Engagement für Nachhaltigkeitsziele ab. Indem wir technologischen Fortschritt mit nutzerorientiertem Design und ökologischen Prioritäten verbinden, können wir gemeinsam eine nachhaltigere Zukunft schaffen. Und deren Herzstück muss das Teilen sein.

(Übersetzung: Christine D'Anna-Huber)

Endre Angelvik

Endre Angelvik ist Executive Vice President der Radical Innovation Unit und leitet das SAV-Projekt beim ÖV-Betreiber Ruter in Oslo. Als Technologieoptimist ist Endre Angelvik auch Vorstandsmitglied des öffentlichen Nahverkehrs der norwegischen Region Agder sowie Vorsitzender der Abteilung für geteilte Mobilität des Internationalen Verbandes der Verkehrsunternehmen (UITP).