Die Kommunikation zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen

Von Stefan Junker

Viele Länder weltweit konzentrieren die jüngsten technischen Entwicklungsaktivitäten auf intelligente Verkehrssysteme und insbesondere auf die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit. Tatsächlich haben einige führende Automobilhersteller bereits damit begonnen, drahtlose Fahrzeug-zu-Fahrzeug- (Vehicle-to-Vehicle oder abgekürzt V2V) und Fahrzeug-zu-Allem- (Vehicle-to-Anything oder abgekürzt V2X) Kommunikationssysteme zu installieren. Die Verbindung von Verkehrsnetzen untereinander und mit dem breiteren Internet macht die Strassen sicherer, das Reisen effizienter, verringert die Luftverschmutzung und verbessert weitgehend auch das Fahrerlebnis.

Es wird erwartet, dass die umfassende Kommunikation von Fahrzeugen mit der umgebenden Infrastruktur (V2X) in naher Zukunft alltäglich wird. Aktuell werden für den Mainstream-V2X-Einsatz die DSRC-Technologie (Dedicated Short Range Communication) und der Standard IEEE802.11p (nachfolgend 11p genannt) eingesetzt. LTE und 5G werden folgen, die Konnektivität erweitern und zusätzliche Funktionen sowie Kommunikation über grössere Distanzlen ermöglichen. Ein erster Schritt zu V2X war die Einführung des automatischen eCall-Systems.

Trotz unterschiedlicher Standards, regulatorischer Unsicherheiten und anderer Herausforderungen wird erwartet, dass die globalen Ausgaben für die V2X-Kommunikationstechnologie zwischen 2019 und 2022 um mehr als 170 Prozent steigen werden. Die Marktforschung sagt voraus, dass V2X bis Ende 2022 einen Markt im Wert von 1,2 Milliarden Dollar ausmachen wird, mit einer installierten Basis von fast 6 Millionen mit V2X ausgerüsteten Fahrzeugen und einem enormen Zukunftspotential.

Die Messages in einem V2X-Umfeld

Die allgemein als V2X bezeichnete Fahrzeug-zu-Allem-Kommunikationstechnologie ermöglicht es Fahrzeugen, direkt miteinander, mit der strassenseitigen Infrastruktur und mit anderen Verkehrsteilnehmern zu kommunizieren, um eine Reihe von Vorteilen in Form von Verkehrssicherheit, Verkehrseffizienz, intelligenter Mobilität, Umweltverträglichkeit und Fahrkomfort zu erzielen. Darüber hinaus trägt V2X auch dazu bei, den Weg für ein völlig autonomes Fahren zu ebnen, indem es durch seine einzigartige, nicht auf Sichtverbindung basierende Erfassungsfunktion potenzielle Gefahren, Verkehr und Strassenbedingungen erkennt. Dies aus grösserer Entfernung und logischerweise früher als andere bordeigene Sensoren wie Kameras, Radar und LiDAR (Light Detection and Ranging).

Da es sich bei der 11p-Technologie um ein Upgrade handelt, welches auf den von WLAN verwendeten 11a/g-Technologiestandards für Short Range Communication basiert, sind die Methoden zur Bewertung der Leistung drahtloser Geräte (wie beispielsweise die Qualität des drahtlosen TX-Signals oder die RX-Empfindlichkeit) ähnlich wie bei der Messung von WLAN-Geräten. Tatsächlich sind HF-Testgeräte, die auf WLAN-Testgeräten basieren und eine erweiterte Unterstützung für die 11p-Technologie bieten, bereits kommerziell erhältlich. Folglich ist es für Hardware-Entwicklungsingenieure relativ einfach, eine V2X-Testumgebung zu konfigurieren.

Andererseits stellt sich die Frage, welche Prüfumgebung die Softwareingenieure für die Qualitätssicherung benötigen. Bisher gab es noch keine Testausrüstung für die genaue Auswertung von Daten (Nachrichten), die von 11p-Wireless-Geräten gesendet werden. Infolgedessen implementieren Software-Ingenieure für die Entwicklung von V2X-Systemen Tests zwischen ihren eigenen Testgeräten, was mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden ist, wie beispielsweise dem Zusammensetzen von Bit-Strings und ASCII-Code. Diese Methode erschwert jedoch die Fehlersuche aufgrund von Unterschieden bei der Interpretation von Normen und Problemen beim Testen zwischen selbstdefinierten Testgeräten.

Die von V2X-bezogenen Normungsorganisationen gesponserte Testumgebung (Plugfest) bietet Unternehmen eine begrenzte Möglichkeit, die Konnektivität zwischen Test-V2X-Geräten über gelegentliche 2- oder 3-Tages-Perioden zu bestätigen, aber die anschliessende Fehlerbeseitigung, Verbesserungen und erneute Prüfung der Konnektivität zur Bestätigung des normalen Betriebs von Testprodukten sind nach wie vor bemerkenswert schwierig. Das Hauptproblem ist die Schaffung einer Umgebung, in der V2X-Nachrichten zwischen Geräten verglichen und validiert werden können.

Testmöglichkeiten durch Simulation der Infrastruktur

Wie testet ein Entwickler seine Lösung, wenn allenfalls die Netzwerke der Infrastruktur gar nicht oder bestenfalls örtlich begrenzt zur Verfügung stehen? Wie erfolgt ein Test, wenn unterschiedliche internationale Standards unterstützt werden müssen? Ein Simulator von ANRITSU bietet hier alle notwendigen Möglichkeiten. Der Analyzer der V2X-Lösung empfängt und demoduliert die HF-Daten, um die dekodierte Nachrichtenübertragung anzuzeigen. Dadurch können die V2X-Systemsoftware-Ingenieure überwachen, ob die erwarteten V2X-Nachrichten, die entweder über die ECU oder über CAN gesendet werden, das Fahrzeug erreichen. Darüber hinaus ist diese Lösung so konzipiert, dass sie die verschiedenen Nachrichten unterstützt, die auf dem japanischen, nordamerikanischen und europäischen Markt verwendet werden.

 

Ein verwirrliches Mosaik: Normen in USA, der EU und Japan (Bildquelle: ANRITSU)

 

Unterschiedlicher Status der Normen weltweit

Die weltweiten Normen sind zurzeit unterschiedlich ausgeprägt. Fortgeschrittene V2X-Systeme beginnen eine kommerzielle Akzeptanz zu erlangen, wobei zwei Technologien um die Gunst von Automobilherstellern und Regulierungsbehörden konkurrieren: der kommerziell ausgereifte IEEE 802.11p/DSRC (Dedicated Short Range Communications)-Standard und die relativ neue 3GPP-definierte C-V2X (Cellular V2X)-Technologie, die einen Evolutionspfad in Richtung 5G aufweist.

Mit einem anfänglichen Schwerpunkt auf Anwendungen für Verkehrssicherheit und Verkehrseffizienz haben Toyota und GM bereits einige ihrer Fahrzeugmodelle in Japan und Nordamerika mit der IEEE 802.11p-basierten V2X-Technologie ausgestattet. Volkswagen begann ab 2019 mit dem Einsatz von IEEE 802.11p bei Volumenmodellen in Europa, während Geely und Ford planen, C-V2X bis 2021 oder 2022 in ihre neuen Fahrzeuge zu integrieren. Ein wenig kurzsichtig mutet es hingegen an, dass eine Reihe von Luxus-Automobilherstellern bereits heute bestimmten und eingeschränkten Anwendungen vom Typ V2X vor weiträumigen Mobilfunkverbindungen den Vorzug geben.

Aber damit all dies in grossem Massstab realisiert werden kann, benötigen intelligente, untereinander verbundene Fahrzeuge eine zuverlässige, sichere Netzwerktechnologie sowie die Unterstützung eines starken Ökosystems. Um dies zu gewährleisten, unterzeichnete die GSMA im September 2019 ein dreijähriges Kooperationsabkommen mit der 5G Automotive Association (5GAA), um gemeinsame Standards zu entwickeln, die Privatsphäre und Sicherheit der Benutzer zu gewährleisten und das 5,9GHz-Band speziell für das Internet der Fahrzeuge zu nutzen.

Entscheidend für diese Arbeit ist das gemeinsame Verständnis, dass C-V2X (Cellular Vehicle-to-Anything) der bevorzugte Verbindungsmodus für intelligente Fahrzeuge ist. C-V2X ist die offizielle Industriestandard-Technologie für die zukünftige Fahrzeugkommunikation und ermöglicht es Fahrzeugen, untereinander und mit der Infrastruktur am Strassenrand, mit Fussgängern, Radfahrern und dem Mobilfunknetz zu kommunizieren.

C-V2X ist heute kommerziell verfügbar und kann über die bestehende, allgegenwärtige LTE-Infrastruktur eingesetzt werden. C-V2X ist ein wichtiges Sprungbrett für die fortschreitende Digitalisierung des Verkehrswesens, da sie in Echtzeit höchst zuverlässige und umsetzbare Informationsflüsse liefert, die Verkehrssicherheit, Verkehrseffizienz und Umweltfortschritte ermöglichen. Darüberhinaus ist C-V2X die einzige vernetzte Fahrzeugtechnologie mit einer nachhaltigen Roadmap zu 5G, was für die Einführung eines vollständig autonomen und kooperativen Fahrens unerlässlich ist.

Eine eCall-Tester-Software simuliert die Notrufzentrale des eCall-Dienstes (Quelle: ANRITSU)



eCall112 als Vorreiter von V2X

eCall112 ist ein Notrufsystem, das von Fahrzeugen direkt ausgelöst werden kann und ein Vorreiter von zukünftigen V2X-Systemen. Das System basiert auf der einheitlichen europäischen Notrufnummer 112. Wie in der EU muss eCall112 auch in der Schweiz seit dem April 2018 in neuen Typen von EU- gesamtgenehmigten Personenwagen und leichten Nutzfahrzeugen (bis 3,5 T) eingebaut sein. Technisch gesehen wird vom Fahrzeug bei einem Unfall direkt eine Meldung mit grundlegenden Informationen (Minimum Set of Data) generiert und an das fahrzeuginterne In-Vehicle-System (IVS) übergeben. Das IVS sucht darauf über ein Mobilfunknetz (LTE, UMTS oder GSM) den Kontakt mit einen Servicepoint. Nach Möglichkeit wird auch automatisch eine Sprachverbindung zu den Sicherheitsdiensten aufgebaut.

Wie testet man nun die Systeme eines Fahrzeugs, ohne jedesmal einen Notruf zu generieren? Entwicklungsingenieure vertrauen auch hier auf die umfassenden Möglichkeiten von Systemsimulatoren (Base Station Simulator), welche die komplette Endverbindungen auch im Laboraufbau erlauben.

Stefan Junker

Stefan Junker ist Geschäftsführer der YOTAVIS AG, welche die ANRITSU Ltd in der Schweiz repräsentiert.