Innovation als Tradition – Vorwort der Redaktion

Von Christine D'Anna-Huber

Innovation hat – so widersprüchlich das auch tönen mag – in der Schweiz Tradition. Die Stärke des Landes liegt darin, Traditionelles mit Modernem zu disruptiv Neuem zu verknüpfen. Industrielles Know-how, gepaart mit einer tüchtigen Portion Eigensinn, mit Sorgfalt und einer manchmal schier unbändigen Freude am Tüfteln haben immer wieder zu weltweit beachteten Schweizer Entwicklungen geführt, ob in der Uhrenindustrie, im Maschinen- oder Strassenbau oder in der Pharmabranche.

Und so führt die Schweiz, ein kleines Land mit 8 Millionen Einwohnern, regelmässig verschiedenste internationale Innovationsranglisten an. Sie verdankt es ihren stabilen Strukturen, ihren exzellenten Bildungsinstitutionen, soliden Technologietransfermechanismen und einer Kultur der Interdisziplinarität, die ebenso viel Gewicht auf Forschung, wie auf Anwendung setzt. Zusammen ergeben diese Faktoren ein hochlebendiges Ökosystem.

Letztes Jahr wurden in der Schweiz über 44'500 Unternehmen gegründet. Der Kanton mit den meisten Unternehmensgründungen ist Zürich, gefolgt von der Waadt und von Genf. Nicht alle dieser Neuunternehmen sind Start-ups. Als solche gelten Unternehmen, die nicht älter als zehn Jahre sind, ein innovatives Geschäftsmodell verfolgen und/oder stark auf Wachstum ausgerichtet sind. Zu dieser speziellen Gruppe gibt es, laut de.statista.com keine vollständig repräsentativen Erhebungen, sondern nur Stichproben. Diese zeichnen folgendes Bild: Ein Grossteil der Schweizer Start-ups sind in hochinnovativen Branchen tätig, insbesondere in den Bereichen Software, Life Sciences sowie Hardware und Elektronik. Auch bei den Start-ups stehen Zürich und die Waadt, Standorte der ETHZ und der EPFL, an der Spitze, gefolgt von Basel und Zug. Im Durchschnitt besteht ein Start-up in der Schweiz aus 2,6 Gründer die 13,5 Mitarbeitende aus aller Welt (aber vor allem der EU) beschäftigen: nur 41,9 Prozent der Belegschaft sind Schweizerinnen und Schweizer. Auch die Gründer stammen nur zur Hälfte aus der Schweiz. In der Regel sind sie männlich und zwischen 25 und 44 Jahren alt. Fast alle finanzieren sich zu Beginn zum Teil aus ihrem Ersparten. Auch Familie und Freunde gehören zu den Geldgebern der ersten Stunde – ein weltweiter Klassiker, im angelsächsischen Raum als FFF-Financing bekannt, wobei FFF für «Family, Friends and Fools» steht. Mit zunehmender Grösse suchen die meisten Start-ups dann auch externe Unterstützung. Die vergebenen Venture Capital-Investitionen in der Schweiz steigen seit Jahren an und erreichten 2019 ein Volumen von über 2,29 Milliarden Schweizer Franken. Das meiste Kapital entfiel dabei mit 840,2 Millionen Schweizer Franken auf den ICT-Sektor. Den Spitzenplatz unter den grössten Investitionen nahm mit 488,9 Millionen Schweizer Franken die Online-Reiseagentur GetYourGuide ein. Auf der Ebene der Kantone wurde in Zürich mit 1,17 Milliarden Schweizer Franken am meisten Risikokapital in Start-ups investiert, gefolgt von der Waadt (455,7 Millionen) und Zug (240,8 Millionen).

Switzerland Innovation bildet an fünf Standorten ein Ökosystem für die Vernetzung von Hochschulen und innovativen Unternehmen, wo diese aus Forschungsresultaten neue marktfähige Produkte und Dienstleistungen entwickeln können. Und in der Westschweiz: Switzerland Innovation West.

Kein Zweifel: Innovation ist in der Schweiz lebendig und gedeiht. Gleichzeitig ist sie eine sensible Pflanze, der es Sorge zu tragen und die es mutig zu beschützen gilt. Es braucht solide Förderungsmechanismen, Investoren, die etwas wagen, und eine Kultur, die Risikofreude honoriert und Misserfolg zulässt. Denn so innovativ die Schweiz auch sein mag – andere sind es auch.

 

Christine D'Anna-Huber

Die Publizistin Christine D'Anna-Huber (cdh) ist Redaktionsleiterin des asut-Bulletins und Inhaberin des Textbüros cdh, Wissenschaft im Text.