Der Takt nimmt zu

Gute Fachkräfte, leistungsfähige Hochschulen und ein – im internationalen Vergleich – noch immer schlanker Staat: Die Schweiz ist für die digitale Zukunft gut aufgestellt. Unsere Wirtschaft, pragmatisch wie immer, steht dem Thema grundsätzlich offen gegenüber. Und wie so oft in der Schweiz bedeutet Praxisnähe nicht, dass es an Visionen fehlen würde. Es lässt sich also mit Zuversicht sagen: Wenn mit der Digitalisierung die Karten neu verteilt werden, dann haben wir im Vergleich zu anderen führenden Industrienationen durchaus ein paar Trümpfe in der Hand. An uns, sie nun geschickt auszuspielen. 

Ein paar goldene Regeln behalten auch in der neuen digitalen Ära ihre Gültigkeit, andere ändern sich: So ist in der digitalisierten Wirtschaft Unternehmertum gefragter denn je, es sind hier aber nicht die Grossen, die die Kleinen schlagen, sondern die Schnellen die Langsamen. Da könnte uns unsere Schweizer Gemächlichkeit in den Weg kommen, da müssen wir uns einen Ruck geben, unseren Perfektionismus auch einmal wegstecken können und lernen, erste digitale Projekte rasch zu realisieren, Know-how zu sammeln, neue digitale Kunden zu gewinnen und zukunftsfähige Mitarbeitende auszubilden.

An ein neues Tempo gewöhnen muss sich auch der Staat. Noch laufen die Uhren im Gesetzgebungsprozess nicht im Takt der digitalen Wirtschaft. Und solange das so bleibt, solange neue Gesetze nach dem Vorsorgeprinzip gestaltet und möglichst alle Aspekte der digitalen Welt vorsorglich geregelt werden, riskieren wir, Innovation auszubremsen. Vorsicht ist gut, aber manchmal ist ein bisschen Zuversicht, eine Prise Vertrauen besser. In diesem Fall bedeutet das: Entwicklungen zulassen, greifbare Resultate abwarten und erst dann, auf der Grundlage von Tatsachen und Erfahrungen, eine Kosten-Nutzen-Analyse für Wirtschaft und Gesellschaft anstellen und die notwendigen regulatorischen Korrektive vornehmen.

Zum neuen Tempo kommt das Ausmass der Vernetzung. Kein Unternehmen kann die Reise allein bestreiten, keine Politiker und keine Regulatoren die Entwicklung allein unter Kontrolle bringen. Angesagt sind Netzwerke, gemeinsame Plattformen, ein neues Verständnis von Wettbewerb, Haftungsfragen und Datenschutz. 

Gemeinsam die Stärken des Werkplatzes Schweiz ausbauen, genau das ist denn auch das Ziel der Plattform «Industrie 2025». Industrie 2025 ist der Schweizer Begriff für die vierte industrielle Revolution, die Verschmelzung von Informatik (IT) und operationeller Technologie (OT), die Automatisierung und Vernetzung von Unternehmensabläufen und die Ausbildung von immer leistungsfähigeren Mensch-Maschine-Schnittstellen mithilfe IP-gestützter Technologie. Das verspricht mehr Effizienz, tiefere Prozess- und Produktionskosten und damit einen ungeheuren Qualitätssprung  in der Industrieproduktion.

 Womit wir zurück bei Vernetzung und Geschwindigkeit wären: Es gibt Schweizer KMU, die die Zeichen der Zeit erkannt und sich beides für ihre Digitalisierungsstrategie bereits zu eigen gemacht haben: der Luzerner Liftbauer Schindler mit seinen sensorbestückten Aufzügen gehört dazu und auch der Zuger Schraubenhändler Bossard mit seiner Smart-Factory-Logistik. Beide Beispiele zeigen: Industrie 2025 ist für die Schweiz eine Chance. Das gilt insbesondere dann, wenn es gelingt, den Wert der menschlichen Arbeit in der Produktion durch eine noch bessere berufliche Qualifikation zu steigern und die durch die Digitalisierung erzielten Produktivitätsgewinne so zu verteilen, dass die Kaufkraft der Bevölkerung erhalten bleibt. Was braucht es dazu? Der diesjährige Swiss Telecommunication Summit der asut lieferte zahlreiche Ideen und Ansätze. Lesen Sie selbst. 

Peter GrütterPräsident asut