Auf dem Weg zum generationenübergreifenden Mitmach-Staat

Von Nicola Forster

«Ich chume nöd druus mit dem Züügs.» Freimütig erklärte Bundesrat Ueli Maurer (70) am Radio, dass er mit der Swisscovid-App nichts anfangen könne. Viele schätzen die bodenständige Art von Ueli Maurer – und er leistet als Finanzminister in der Corona-Pandemie zweifellos sehr wichtige Arbeit für unser Land. Wenn er als offensichtlicher Technologieskeptiker jedoch den neu geschaffenen Bundesratsausschuss «Digitalisierung und IKT» leitet, wird es problematisch. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob ein anderes Regierungsmitglied geeigneter dafür wäre: Bundesrat Alain Berset ist als Jungspund des Gremiums auch schon beinahe 50 Jahre alt. Damit sind alle Bundesrätinnen und Bundesräte sogenannte «Digital Immigrants», die erst im Berufsleben mit einem Computer konfrontiert waren. Im Gegensatz dazu sind «Digital Natives» gemäss Duden-Definition «mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt». Die Generationen Y und Z (ab Jahrgang 1980) gehören dazu. Sie sind jedoch nicht vertreten im Bundesrat – und auch sehr selten anzutreffen in den wichtigsten Führungsgremien der Wirtschaft, der Zivilgesellschaft und des Staats. Deshalb gestalten erschreckend «undigitale» Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger die Zukunft der nächsten Generationen, die von der Digitalisierung aller Lebensbereiche geprägt sein werden. Zentrale Richtungsentscheidungen werden meist getroffen, ohne die «Digital Natives» zu involvieren. Der vielgescholtene Fax des Bundesamts für Gesundheit ist so zum Symbol für die Schweizer Digitalisierungs-Steinzeit geworden – auch wenn in diesem Fall die Ärztelobby auf der weiteren Nutzung des Faxes beharrte und nicht die Verwaltung. Eigentlich wäre eine Diskussion über der Vergangenheit angehörende Legacy-Tools wie den Fax absolut müssig, und wir sollten uns auf komplexe Zukunftstechnologien fokussieren: Wie könnte ein sinnvoller Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Virtual Reality oder Computergames in der Verwaltung aussehen? Aber soweit sind wir leider noch nicht: Zuerst brauchen wir ein Wissenschafts- und Technologie-Update des Schweizer Betriebssystems.

Um dieses Update zu schaffen, ist es jetzt höchste Zeit für einen Brückenschlag zwischen den Generationen. Dafür müssen insbesondere die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger von heute einen Teil der Kontrolle abgeben und akzeptieren, dass ein junger Mensch als Digital Native in entscheidenden Fragen kompetenter sein kann als sie. Bescheidenheit ist hier gefragt.

Jetzt gibt es erste vielversprechende Ansätze. So wagt der Kanton Aargau mit dem Pilotprojekt «Innovation Champions» unter der Leitung des Staatslabors sowie Euforia das Miteinander der Generationen: Verwaltungsteams können sich melden für einen regelmässigen Austausch mit technophilen Jugendlichen. Diese unterstützen die Verwaltung dann während zehn Monaten bei aktuellen Herausforderungen; sie entwerfen digitale Dienstleistungsangebote, Prozesse sowie Politiken und testen diese in einem Design-Thinking-Ansatz. Das mit vereinten Kräften verfolgte Ziel ist ein bürgernaher und zukunftsgerichteter Staat. Ein partizipativer Mitmach-Staat, den wir alle mit unseren Ideen und unseren Kompetenzen mitgestalten können. Eine moderne und agile Schweiz, auf die wir stolz sein können. Packen wir es an!

Und den Ueli Maurer holen wir dann schon auch noch an Bord.

Nicola Forster

Nicola Forster (36) ist Co-Founder des Staatslabors, Plattform zur Vernetzung und zum Austausch über Innovation im öffentlichen Sektor, des Think Tanks foraus, Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft SGG und der Stiftung Science et Cité sowie Co-Präsident der Grünliberalen im Kanton Zürich.