Bei den digitalen Ureinwohnern – die digitale Jugend im Spiegel von (Marketing-)Studien

Gibt es sie überhaupt, die Generation X und ihre Nachfolger, die Zoomer oder Zler? Wie sinnvoll und zulässig ist es, ganze Alterskohorten verallgemeinernd über einen Kamm zu scheren? Sicher ist eins: Das Bedürfnis, sich mit den digitalen Eingeborenen auseinanderzusetzen scheint riesig zu sein. Das sagt am Ende vielleicht mehr über die Schwierigkeiten der Älteren aus, mit dem digitalen Wandel zurecht zu kommen, als über die Leichtigkeit der Jüngeren im Umgang damit.

 
Wer findet sich im digitalen Dschungel zurecht? (Foto: piqsels)

(cdh) – «'Die' Generation Z gibt es nicht», schreiben die einen apodiktisch (Sinus-Milieus), «Generation Z und warum sie uns so interessiert», die anderen (Generation Z im Vier-Länder-Vergleich, Nomos Verlag, 2019). Die Dritten verkünden, dass junge Menschen die Botschaft eines Videoclips schon nach zwei Sekunden checken und deshalb ganz anders anzugehen seien als Ältere, die mehr Zeit brauchen, bevor die (Werbe-)Botschaft ankommt (Kantar Media). Anders, aber bitte nicht über Facebook und Twitter, warnt eine weitere Studie, denn dort sind sie bereits nicht mehr: «Ein Fünftel der Mitglieder der Generation Z weltweit hat den sozialen Medien den Rücken gekehrt.» (Dentsu Aegis Network). Wichtig ausserdem: Junge Schweizer stehen auf lustigen Content, sind eher sportlich, eher grün, mögen zu viel Werbung nicht und entfolgen sehr schnell, wenn sie Inhalte als nicht relevant wahrnehmen (jim & jim). Und sie haben eine feine Nase für Boomer, die sich bei ihnen anbiedern wollen (Emojipedia): Wie und welche Emojis jemand verwendet, sagt ihnen beispielsweise sofort, ob er oder sie zum alten Eisen gehört. Dies ein paar Einsichten aus den Studien verschiedener Marktforschungsunternehmen.

Also was gilt jetzt: Gibt es sie oder gibt es sie nicht? Die Wissenssoziologie geht davon aus, dass prägende Ereignisse in Kindheit und Jugend durchaus einen Einfluss auf ganze Geburtsjahrgänge haben können. Und dass die Digitalisierung die Welt verändert hat, wird niemand ernsthaft bestreiten: Gewisse Gemeinsamkeiten unterscheiden die digitalen Eingeborenen, die jungen Menschen, für die das Internet oder, für die Jüngeren unter ihnen, das Smartphone seit Kindsbeinen dazu gehört hat, vermutlich also schon von ihrer Elterngeneration. Ein besonderes Augenmerk legen viele Untersuchungen hier insbesondere auf die Generation Z (dazu zählen, je nach Definition, die Jahrgänge ab 1995 oder 1996, dem ersten Jahr, in dem in den USA mehr E-Mails verschickt wurden als Briefe per Post). Sie gelten, wie eine interessante Metastudie von Deloitte belegt, als die «wahren» Digital Natives.

Denn im Gegensatz zur Generation Y, die zwar die grössten Sprünge der digitalen Technologie bereits miterlebt hat, sich aber noch an eine Welt ohne Smartphone erinnern kann, sind die Zler oder Zoomer die ersten, die von Anfang an mit dem Smartphone aufgewachsen sind. Digitaler als sie ist keine ihrer Vorgängergenerationen. Eine Welt ohne mobilen Internetzugang rund um die Uhr ist für sie schlicht nicht vorstellbar. Lernen, daten, sich informieren, Spass haben, mit Kolleginnen und Kollegen abhängen – das alles spielt sich zwar nicht ausschliesslich, aber eben zu einem grossen Teil immer auch online ab: «Für die Gen Z sind soziale Netzwerke nicht eine virtuelle Realität, sondern faktische Wirklichkeit», hält die Studie fest. Es ist der Ort, wo sie die verschiedenen Phasen ihres Erwachsenwerdens auf wechselnden Kanälen beinahe konstant dokumentieren. Klar, dass sie die Tools, die dazu nötig sind, souverän handhaben. Für Deloitte ist damit das Risiko neuer digitaler Gräben verbunden: Nicht mehr nur zwischen Gesellschaftsschichten, sondern auch zwischen Generationen. Allerdings bedeutet wie ein Pro durch Social Networks zu cruisen, sich im alltäglichen Umgang mit dem Internet auszukennen nicht automatisch, auch zu wissen, wie man relevante Informationen aus dem Web filtert, vertrauenswürdige Quellen von zweifelhaften unterscheidet oder ein Phishing-Mail erkennt. Das beherrscht, laut einer kürzlich veröffentlichten Pisa-Sonderstudie, in der Schweiz nicht einmal die Hälfte aller 15-Jährigen. Oder anders ausgedrückt: Der Prozentsatz an innovativen Talenten unter dieser Kohorte ist kaum höher als das bei früheren Generationen der Fall war. Aber es sind Talente ohne digitale Berührungsängste.

Im Zentrum der meisten Studien ist denn auch, wie sich diese digitale Aufgeschlossenheit auf ihr Verständnis von Arbeit, Konsum, Wohnen, Mobilität oder sozialem und politischem Engagement auswirkt. Denn langsam, aber sicher werden die Zoomer erwachsen, treten auf den Bildungs- und Arbeitsmarkt. Und sie sind keine vernachlässigbar kleine Gruppe: Sie machen ungefähr 30% der Gesamtbevölkerung aus. Was zu tun ist, um sie als Kundinnen und Kunden zu gewinnen oder um ihr Potenzial für die Arbeitswelt möglichst erfolgreich zu nutzen, ist für viele Unternehmen deshalb von allerhöchster Priorität.