asut-Bulletin
Neue Arbeitswelten
Ausgabe
03/2017
Nachhaltiger Fortschritt muss sozial sein

Drei grosse Erfindungen, die Druckerpresse, das Schiesspulver und die Navigation (Kompass und Kartographie) haben die Geschichte vom Spätmittelalter bis heute massgeblich beeinflusst und verändert. Die Druckerpresse ermöglichte die Verbreitung des Wissens und der Wissenschaft, das Schiesspulver veränderte die Art der Kriegsführung und die Navigation gab der Schifffahrt und mit ihr dem Handel und den Finanzmärkten eine weltumspannende Prägung. Diese Erfindungen beeinflussten den gesellschaftlichen Wandel vom Spätmittelalter bis ins Zeitalter der Aufklärung und mit ihr in die Moderne.

Die «Digitalisierung» weist durch die Vielschichtigkeit ihrer Deutungen ähnliche Merkmale auf und kann zu ebenso tiefgreifenden gesellschaftlichen Umwälzungen führen, wie die drei genannten Erfindungen zusammen. Digitalisierung steht für digitale Umwandlung, Darstellung und Verarbeitung von Information und Kommunikation sowie für eine digitale Steuerung von Anlagen, Geräten und Fahrzeugen. Durch diese Veränderungen entstehen neue, bis vor kurzem unbekannte Wertschöpfungsnetzwerke und durchgängige Wertschöpfungsketten. Als Beispiel sei hier der Konsument als Teil einer Wertschöpfungskette erwähnt oder der Einsatz von 3D-Druckern. Die Verbindung zwischen Kommunikationstechnologien mit der industriellen Produktion verwischt die Grenzen zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz. Neue Produktionsformen und Dienstleistungen werden möglich, getrieben durch und eingebettet in neue Technologien, die durch Algorithmen und Geschwindigkeit geprägt sind.

Technologien sind per se weder gut noch schlecht. Die Digitalisierung birgt wie alle Erfindungen Chancen und Risiken. Setzen wir die neuen Technologien in den Dienst der Allgemeinheit, so werden die Chancen überwiegen. Wenn durch die Digitalisierung moderne Kommunikationstechniken, Robotik, Sensorik, Big Data, künstliche Intelligenz und neue Netze zusammenkommen, eröffnet das für die Arbeitnehmenden und für die Unternehmungen immense Chancen. Schwere und repetitive Arbeit kann durch menschengerechtere Tätigkeiten ersetzt werden. Die Wirtschaft kann ökologischer, effizienter und intelligenter werden. Neue Geschäftsmodelle werden möglich und die erhöhte Produktivität kann in sozialen Fortschritt münden. Kürzere Arbeitszeiten, gerechtere Verteilung und höhere Lebensqualität für alle liegen in den Genen einer menschenwürdigen vierten industriellen Revolution.

Mit den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien eröffnen sich auch neue Formen der Arbeitsorganisation. Die Arbeit kann flexibler gestaltet werden und verlagert sich von den klassischen Betriebsstätten hinaus an alle Orte der Welt. Die Konturen von Arbeitsort und Arbeitszeit verschwimmen. Die Arbeitszeit ist aber eine zentrale Grösse für die Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeitnehmenden. Dauer, Lage (Tageszeit) und Verteilung (Beständigkeit) der Arbeitszeit beeinflussen nicht nur das Einkommen, sondern auch die vielfältigen Lebensumstände der Arbeitnehmenden und ihres privaten Umfeldes.

Die Erfahrung lehrt uns: Flexibilität ohne Sicherheit würde dazu führen, dass sich die Menschen nicht auf die schwierigen Lernprozesse einlassen, die sich aus der Digitalisierung ergeben. Umgekehrt würde Sicherheit ohne Flexibilität dazu führen, dass sich kein kreatives Klima für Innovation entfalten kann. Deshalb braucht es beides: Flexibilität und Sicherheit. Darauf ist die Gesamtarbeitsvertragspolitik des Sektors ICT von syndicom ausgerichtet. Denn es gibt ein ökonomisches Gesetz: Nur mit sozialem Fortschritt ist nachhaltiger technischer und wirtschaftlicher Fortschritt möglich.

Gute Arbeit in der digitalen Schweiz

Der ICT-Sektor der Gewerkschaft syndicom hat Anfang Jahr ein Manifest für eine digitale Schweiz mit sozialer Verantwortung verabschiedet und kurz darauf in einer Broschüre ausführlich dargelegt, wie gute Arbeit in der digitalen Schweiz auszusehen hat. Zentral ist für syndicom das Stärken der Sozialpartnerschaft, zusätzliche Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sowie der Ausbau des Datenschutzes und die Mitsprache der Beschäftigten. Das Manifest und die Broschüre können kostenlos bei syndicom bezogen werden: ict@syndicom.ch

Kostenlos bezogen werden kann auch die Syndicom-Studie «Wie wir die Arbeit 4.0 gestalten. Trends zur digitalen Wirtschaft, Handlungsfelder für die Gewerkschaft».

 

 


 

Giorgio Pardini

Giorgio Pardini ist Mitglied der Geschäftsleitung der Gewerkschaft syndicom und Leiter des Sektors ICT.

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