Als Philosoph, Physiker und Publizist wurde er vorgestellt, aber geradeso gut hätte er als «weiser Seher» angekündigt werden können. Denn Ludwig Hasler hatte es in seinen Ausführungen mit der Zukunft, beziehungsweise mit der Frage, ob der Mensch, gemessen an intelligenten Maschinen und Algorithmen eine solche überhaupt noch habe. Oder ob er, «zu dumm, zu teuer, zu pubertär», sich damit abfinden müsse, von der technologischen Entwicklung zum Auslaufmodell degradiert und ein für alle Mal ausgemustert zu werden.
Hasler erinnerte an die berühmte Oxford-Studie, der gemäss 47 Prozent der herkömmlichen menschlichen Tätigkeiten «zu den Algorithmen abwandern» werden und zwar nicht unbedingt die «minder ausgebildeten Menschen», sondern die Berufe, die einen gewissen Wissensfundus voraussetzen: «Ein Arzt der heute nichts anderes macht, als allgemeines Studienwissen auf Ihren Fall herunterzubrechen, ist völlig überflüssig. Dr. Watson hat den besseren Speicherplatz und macht das besser», ironisierte Hasler. Watson diagnostiziere Krebserkrankungen mit einer Treffsicherheit von 90 Prozent, ein normaler Onkologe bringe es auf 65 Prozent. Werde Intelligenz als Informationsverarbeitung verstanden, dann sei der Mensch also längst hoffnungslos überflügelt. Der Roboter vergesse nichts, sei nie verschlafen, nie bekifft, nie melancholisch, nie deprimiert: «Er ist genau das, was er kann und deshalb kann er das, was er kann, perfekt.» Menschen hingegen seien nie einfach nur das, was sie können, sondern stünden immer noch mit einem Fuss neben ihrem Können und überlegten sich, ob sie nicht noch etwas anderes lieber können möchten. Das mache sie fehleranfällig, gleichzeitig aber auch grossartig: «Denn weil wir nie ganz dicht sind, sondern porös, haben wir immer auch einen Ausblick auf Träume, Sehnsüchte, Möglichkeiten.»
Man sieht, worauf der Philosoph als Menschenfreund hinaus will: Gemessen an der Perfektion der Maschine, kann der Mensch nicht genügen. Dann wird die intelligent vernetzte Zukunft ohne ihn, als ewigen Störungsfall, wohl besser und reibungsloser funktionieren. Dann ist es besser, ihn in Pension zu schicken und der in der vierten industriellen Revolution lernfähig und erwachsen gewordenen Maschine die Regie zu überlassen: «Wir werden infantilisiert, überwacht und von einem bedingungslosen Grundeinkommen ausgehalten, als Haustiere von irgendwo im Silicon Valley bewirtschafteten Algorithmen ewig leben – wir wissen dann nur nicht mehr so recht, wozu.»
Hasler plädiert für eine andere Welt. Eine Welt, die der Mensch, mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, aktiv mitgestaltet. Es gebe, sagt er mit Schopenhauer, für den Menschen kein Glück, «es sei denn, im Gebrauch seiner eigenen Kräfte». Mit dem Entschluss, die Gestaltung der Welt nicht mehr länger den Göttern oder dem Feudaladel zu überlassen, sondern sich als freie Bürger selber zu schaffen, habe die Moderne begonnen: «Wenn wir die Welt nun sozusagen den Algorithmen übergeben, dann fallen wir wieder zurück vor die Moderne, vor das Bürgertum – dann sind wir relativ nahe an Huxleys «Schöne neue Welt».
Besser also die zweite Variante, meint Hasler: Der Mensch als Kreator, die Maschine assistiert. Es sei die Ratio, die handelnde Vernunft, die rationale Intelligenz, mithilfe derer der Mensch die Maschine gebaut habe, die ihn genau darin, im Rechnen, im Kontrollieren, überlegen sind. Nun sei es Zeit, sich daran zu erinnern, dass er auch eine andere Art von Intelligenz besitze. Zeit sich zu fragen, wie eine Symbiose Mensch-Maschine gelingen könnte, so dass der Mensch die Oberhand behalte. Zeit zu begreifen, dass wir dank der Technologie nun endlich Zeit für das haben, was nur wir Menschen können: nicht «Fachkompetenzen», sondern Zuwendung, Empathie, das feine Gespür für Zwischentöne, Motivation, Ehrgeiz, Leidenschaft, Leistungserotik: «Das kann kein Computer, weil er letztlich nur eine Blechbüchse ist. Er hat keinen Körper, ist nicht geboren, hat keine Leidenschaft.»
Dieses Zurückbesinnen auf die spezifisch menschlichen Fähigkeiten bedinge auch eine ganz neue Art des Lernens: «Damit wir nicht programmiert werden, müssen wir in der Schule einerseits programmieren lernen und auf der anderen Seite eine andere Art der kreativen, gestalterischen Intelligenz fördern.» Denn: Besser als die Maschine, schloss Hasler, sei der Mensch nur als Mensch. Und erntete dafür tosenden Applaus – nota bene von einem der Digitalisierung mehrheitlich sehr zugetanen Publikum.