(cdh) – So wie Bundesrat Ueli Maurer in dieser Videoansprache wird seitens der Verwaltung oder zumindest des E-Government-Steuerungsausschusses der Nutzen der E-Government-Zusammenarbeit mit Nachdruck betont. Bundeskanzler Walter Thurnherr setzt sich für die elektronische Stimmabgabe ein, Staatssekretärin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch dafür, dass Unternehmen ihre Geschäfte mit den Behörden möglichst unbürokratisch abwickeln können, während der Genfer Regierungsrat (und heutige FDP-Bundesratskandidat) Pierre Maudet die Digitalisierung als Geburtshelferin einer partizipativen Bürgerkultur sieht, in der die Bevölkerung öffentliche Services nach ihren persönlichen Bedürfnissen mitgestalten können.
Die E-Government-Strategie Schweiz unterstützt die Entwicklung hin zu einer offenen, innovativen und modernen Verwaltung, «die sich im internationalen Vergleich gut positioniert» wie es auf ihrer Webseite heisst.
In einer jüngst veröffentlichten Studie der Boston Consulting Group, die einen solchen internationalen Vergleich anstellt, schneidet die Schweiz allerdings nicht besonders gut ab. Zwar gebe es gute Initiativen, wie eben das E-Government-Gremium von Bund, Kantonen und Gemeinden sowie Initiativen wie «eUmzugCH», die den digitaler Wohnsitzwechsel in der ganzen Schweiz ermöglicht, «eMWST», die digitale Deklaration aller Mehrwertsteuer-Formalitäten für Unternehmen, oder das digitale Angebot schweizerischer Landeskarten von swisstopo, hält die Studie fest, kommt aber dennoch zum kritischen Fazit, dass die Schweiz in Sachen E-Government fast allen Industrieländern in internationalen Rankings hinterherhinke. Im E-Government-Ranking der UNO belegt die Schweiz Platz 28 – hinter der Mehrheit westlicher Industrienationen. Der «E-Government Report» der EU kommt zu einem ähnlichen Schluss.
Frustrationspotenzial
«Die Schweiz ist eines der weltweit innovativsten Länder mit qualitätsbewussten Bürgern und Unternehmen, besonders auch wenn es um staatliche Dienstleistungen geht. Gleichzeitig stehen diese nur unzureichend online zur Verfügung – das schafft Frustrationspotenzial», schreiben die Studienautoren Florian Frey, Jürgen Rogg und Christian Schmid. Gleichzeitig sehen sie gerade in der traditionell hohen Qualität der öffentlichen Dienstleistungen einen möglichen Grund dafür, warum der Ausbau des Online-Angebots hierzulande besonders harzig vor sich geht: Es fehlt der Leidensdruck, von dem beispielsweise im vielgerühmten Estland nach Zusammenbruch der Sowjetunion mehr als genug vorhanden war.
Hat die Schweiz es also vielleicht gar nicht nötig, ihren Rückstand aufzuholen? Im Gegenteil: «Die digitale Qualität einer Gesellschaft wird im 21. Jahrhundert zum kritischen Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Bürger und Unternehmen», urteilt die Studie und deshalb sei es eine zentrale Aufgabe der Verwaltung, der Bevölkerung eine gemeinsame, möglichst leistungsfähige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und damit auch die internationale Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft zu unterstützen. Zumal die dazu notwendige Technologie durchaus vorhanden ist – sie müsste nur konsequent eingesetzt werden.
Gemäss der Experten der Boston Consulting Group können fünf Faktoren zu einer erfolgreichen digitalen Transformation der Verwaltung beitragen:
- Ein übergreifender Fahrplan: In einer Gesamtsicht über alle Stufen der Verwaltung sollten mögliche Projekte nach Nutzen für die Bürger sowie anhand des Umsetzungsaufwandes in Wellen priorisiert werden.
- Ein «Central Digital Officer» (CDO) kann als zentrale Koordinierungsstelle eingesetzt werden, beim Bund und in den Kantonen. Diese Rolle muss genügend hoch positioniert und mit dedizierten Budgets ausgestattet werden.
- Es ist vermehrt ein Arbeiten in gemischten Teams aus IT- und Fachexperten erforderlich, welches agile Arbeitsmethoden nutzt und externes Wissen einbezieht, um schnell Fortschritte zu erzielen.
- Bei der Digitalisierung handelt es sich nicht um ein IT-Projekt, sondern um eine Veränderung der Prozesse, Organisation und Kultur. Sie muss also Chefsache sein und von Anfang an von einem Veränderungsmanagement begleitet werden.
- Die bestehenden IT-Systeme und deren Governance sind anzupassen. Das bedarf einer Bereinigung der gemeinsamen technischen Standards und Applikationen sowie einer Durchsetzung der Rollen von IT und Fachbereich.