asut-Bulletin
E-Government
Ausgabe
05/2017
Digitaler Jungbrunnen für Verwaltung und Gesundheitswesen

Wo immer sie durchstürmt, gestaltet die Digitalisierung Prozesse neu, effizienter, bruchfreier und nutzerfreundlicher. Davon könnten insbesondere der Staat und die öffentliche Verwaltung profitieren. In der Schweiz tun sie es noch eher zaghaft

Patrick Progin bringt es in in seinem Editorial auf den Punkt: Die technische Revolution schreitet mit grossen Schritten voran, verändert Mentalitäten, Anspruchshaltungen und Problemlösungsstrategien. Nicht nur für Unternehmen, auch für die öffentliche Verwaltung in der Schweiz ist die Digitalisierung deshalb ein Schlüsselthema. Sie verspricht, Abläufe produktiver und effizienter zu machen und  die Interaktion mit den Bürgerinnen und Bürgern zu vereinfachen und zu verbessern. Allein durch die Neugestaltung von Verwaltungsprozessen wie etwa Grundbuchtransaktionen oder Steuererklärungen könnten in der Schweiz rund 1500 Stellen in der Verwaltung für andere Aufgaben freigestellt werden, schätzt eine vor kurzem veröffentlichte Studie der Boston Consulting Group. Um dann ernüchtert festzustellen: Viel zu oft erschöpft sich E-Government bei uns noch darin, dass eine Verwaltung ein Onlineportal hat und ein paar Onlinedienstleistungen anbietet. Hinter dieser digitalisierten Front aber, im Backend, werden alle Prozesse wie bisher abgewickelt.

Produktiv, bürgernah, klug im effizienten, transparenten, sicheren und innovationsfördernden Umgang mit Daten: So wäre ein Staat, der digital fit ist. Es gibt Beispiele: Estland, das nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion aus dem Nichts eine eigene Verwaltung aufbauen musste und dabei voll auf die Digitalisierung setzte, ist das wohl berühmteste. Die Schweiz aber, Innovationschampion, Sitz einiger der besten Forschungsstätten weltweit und, laut OECD-Vergleich, eines der Länder mit der höchsten Internetnutzung, hinkt in Sachen E-Government hinterher.

Woran das liegen könnte, ergründen wir in unserem Interview mit Prof. Reinhard Riedl. Er ist Spezialist für E-Government und elektronische Verwaltung,  Herausgeber des Online-Magazins SocietyByte sowie ein scharfer Denker, der auch in Sachen Blockchain eine erfrischend kritische Distanz hält.  Der letzte Artikel, den er auf Societybyte publiziert hat, trägt den Titel: «Der Unterschied zwischen Schweizer E-Government und Spitzenfussball». Für das Schweizer Startup Procivis hingegen hat die Blockchain-Technologie das Potenzial, der Schweiz den Weg in die digitale Zukunft zu ebnen. Darauf setzt beispielsweise auch die Stadt Zug, Hochburg der Verschlüsselungstechnologie in der Schweiz, die ab diesem Herbst als weltweit erste Gemeinde allen Einwohnerinnen und Einwohnern die Möglichkeit bieten will, eine digitale Identität zu bekommen.

Andreas Spichiger, Leiter des E-Government-Instituts an der Berner Fachhochschule, macht sich grundsätzliche Gedanken darüber, vor welche Herausforderungen die Digitalisierung  Staat und Verwaltung stellt. In einem weiteren Beitrag gibt die Juristin Barbara Widmer, Mitglied der Arbeitsgruppe des Koordiantionsorgans von eHealth Suisse, eine kenntnisreiche Übersicht über den schwierigen Werdegang des elektronischen Patientendossiers. Denn die Digitalisierung hat auch das Gesundheitswesen längst erfasst und sie fordert auch dort nach datenunterfütterten, massgeschneiderten und verknüpften Prozessen.

Wenn sich aus der Vielfalt der in diesem Bulletin präsentierten Perspektiven ein Fazit herauskristallisieren lässt, dann vielleicht dieses: Ihre Potenziale kann die Digitalisierung nur dort voll entwickeln, wo verstanden wird, dass sie viel mehr ist als ein IT-Projekt. Es geht um Prozesse, um Organisation und Kultur. Und genau deshalb ist es, um auch mit Patrick Progin zu schliessen, Zeit zum Umdenken.

 

 

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