asut-Bulletin
The next big thing
Ausgabe
06/2017
Prosumenten als dezentrale und smarte «Powerstation»

Die Gebäude der Zukunft werden Energie nicht nur konsumieren, sondern diese vermehrt auch selbst produzieren – sie werden zu sogenannten «Prosumenten». Das BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung (ESReC) untersucht das Zusammenspiel von Energiemanagern und Solarstromspeichern in einer realitätsnahen Umgebung.

Photovoltaikanlagen und elektrische Speicher werden immer günstiger und daher wirtschaftlich gesehen immer interessanter. Mit dem «Ja» zur Energiestrategie 2050 des Schweizer Volkes vom 21. Mai 2017 ist ein Richtungsentscheid mit Massnahmen und Zielen erfolgt, der uns Planungs- und Investitionssicherheit gibt. Somit ist auch mit vielen Neuinstallationen in den nächsten Jahren zu rechnen, die das lokale Elektrizitätsnetz beeinflussen. Mit intelligenten Energiemanagementsystemen (EMS) kann die Spannungsqualität im Niederspannungsnetz nicht nur stabilisiert werden, es lässt sich damit auch der Eigenverbrauch des Stroms optimieren. Aber noch gibt es offene Fragen zum idealen Einsatz. Aus diesem Grund wurde am BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung das Prosumer-Lab aufgebaut, welches das Zusammenspiel von Photovoltaikanlagen, Energiemanagern und Solarstromspeichern sowie deren Einflussmöglichkeiten auf das Niederspannungsnetz in einer realitätsnahen Umgebung untersucht und optimiert.

Das smarte Gebäude im Labor

Um realitätsnah die Stromflüsse im smarten Gebäude und deren Einfluss auf das Niederspannungsnetz zu untersuchen und zu verbessern, wurde ein intelligentes Gebäude im Labor modular aufgebaut. Damit wird es möglich, reelle Stromflüsse eines Ein- oder Mehrfamilienhauses mit Photovoltaikanlage, Stromspeicher und Verbrauchern nachzubilden. Die Reproduzierbarkeit der Testszenarien ist dabei das wesentliche Element des Prosumer-Labs: Erst so wird es möglich EMS, Energiespeicher oder andere Geräte 1:1 zu vergleichen oder zu optimieren.

 

Bild 1: Prosumer-Lab Testumgebung im Labor des BFH-CSEM-Zentrums Energiespeicherung

Forschungsbedarf

Noch besteht Forschungsbedarf, um das Zusammenspiel zwischen Niederspannungsnetz und intelligenten Gebäude in Anbetracht der zu erwartenden Zunahme von PV-Anlagen und Hausspeichern korrekt zu beurteilen. Mit der Prosumer-Lab Testumgebung ist das nun möglich. Dieses Pilot- und Demonstrationsprojekt vom Bundesamt für Energie (BFE) und dem Industriepartner BKW dauert noch bis Mitte Juli 2019 und beinhaltet folgende Forschungsschwerpunkte:

  • Wie können Energieflüsse im Gebäude intelligent gesteuert werden?
  • Wie kann selbst produzierte elektrische Energie noch effizienter gespeichert werden?
  • Was bringen dezentrale Stromerzeugung und Speicher für die Stabilität der Netze?
  • Und wie erreicht man eine markttaugliche Integration dezentraler Prosumenten ins Niederspannungsnetz?

 

Video: Prof. Dr. Andrea Vezzini des BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung stellt die Forschungstätigkeiten an stationären Energiespeichern vor, die den Solarstrom im Keller speichern und die Energieflüsse mit einem intelligenten Energiemanager optimieren.

Prosumer-Lab Testumgebung

Die Testumgebung dient den Ingenieuren des BFH-Zentrums als Forschungs- und Entwicklungsplattform. Sie bietet die Möglichkeit, aktuelle und neuartige Komponenten (Hard- und Software) in intelligenten Gebäuden zu charakterisieren und Überwachungs- und Kontrollstrategien für eine effiziente Integration ins Niederspannungsnetz in einer gemischt realen und virtuellen Umgebung zu erforschen. Dabei werden zusätzlich die Wechselwirkungen zwischen Niederspannungsnetz und Gebäudenetz betrachtet. Gleichzeitig werden Daten generiert, die zur weiteren ökonomischen Analyse der Auswirkungen von Prosumenten auf bestehende Geschäftsmodelle von Verteilnetzbetreibern verwendet werden können.

Im Prosumer-Lab werden reale Komponenten in einem emulierten Umfeld getestet. Gemäss gängiger Definition ist ein Hardware-Emulator ein elektronisches Gerät, das ein System funktionell, elektrisch oder mechanisch nachbildet. Die Rechner des Prosumer-Labs emulieren die Lasten eines Hauses (Wärmepumpe, Boiler, Kochherd) und bilden deren elektrisches Verhalten bis zu einer maximalen Leistung von 50 kW reproduzierbar nach. Weitere Komponenten wie z.B. die Batterie oder der PV-Wechselrichter sind aber real vor Ort eingebaut und werden so unter echten Bedingungen getestet.

 

Bild 2: Modularer Aufbau der Testanlage: Alle Komponenten lassen sich einzeln zu- oder abschalten. Die MicroLabBox ermöglicht den automatisierten und reproduzierbaren Ablauf der Tests.

Der Aufbau der Testumgebung ist bewusst modular und flexibel gehalten, um die Komponenten einfach zu- und abzuschalten (Bild 2). Über ein Webinterface wählen die beteiligten Forschungsgruppen Testszenarien und Konfigurationen, starten Tests und werten Daten aus. Die Konfigurationen beinhalten im Wesentlichen frei wählbare Solar- und Lastprofile (Verbraucher), Initialisierungsbedingungen und die Dauer des Tests. Die Lastprofile für verschiedene Haushaltsituationen wurden mit dem LPG Lastprofilgenerator erstellt, der für Schweizer Verhältnisse angepasst wurde (Bild 3).

Bild 3: Typisches 24h-Lastprofil eines Schweizer Mehrgenerationenhaushalts in kWh/Min.

Fazit

Als Schlüsselelement für das zukünftige intelligente Gebäude (Prosumer) kann der Stromspeicher sowohl für die Verbrauchsoptimierung als auch für netzdienliche Funktionen eingesetzt werden. Ein sinnvolles Gleichgewicht zwischen den Interessen von Prosument und Netzbetreiber muss hier angestrebt werden (Win-win-Situation). Aufgrund der Preisentwicklung auf dem Speichermarkt wird die Verbreitung von Stromspeichern in den nächsten Jahren stark zunehmen. Das BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung möchte einen wichtigen Beitrag zur Beantwortung der zentralen Fragen leisten, die sich im Zusammenhang mit dem erfolgreichen Einsatz solcher Systeme im Versorgungsnetz ergeben. Dazu gehören neben den Untersuchungen für den technisch optimalen Einsatz auch Fragen zur gesamtwirtschaftlichen Effizienz solcher Systeme.

Weitere Informationen

Das BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung erforscht und entwickelt mit dem Centre Suisse d'Electronique et de Microtechnique SA (CSEM), Neuenburg, und weiteren strategischen Partnern elektrochemische Speicherlösungen für die Elektrizitätsversorgung und Entkarbonisierung des Transportsektors. Dank neuer Speichermöglichkeiten können beide Energiesektoren vernetzt werden. Immer mit dem Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien im Energiesystem zu erhöhen.

Publikationen

Projektpartner

      
         

www.bfh.ch/energy      www.csem.ch          http://www.bkw.ch/                          www.bfe.admin.ch

 

Benno J. Züger benno.zueger@bfh.ch

Dr. Benno J. Züger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am BFH-CSEM-Zentrum Energiespeicherung in Biel. Er ist verantwortlich für den Aufbau und die Projektkoordination des Prosumer-Labs.

Andrea Vezzini andrea.vezzini@bfh.ch

Prof. Dr. Andrea Vezzini ist Dozent an der Berner Fachhochschule und Leiter des BFH-CSEM-Zentrums Energiespeicherung.

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