asut-Bulletin
Kids & Codes: Bildung für eine digitale Welt
Ausgabe
01/2018
Lernen und Lehren im digitalen Klassenzimmer

Werden digitale Medien mit Bildung in Verbindung gebracht, halten sich zwei Annahmen hartnäckig: Zum einen, die Digitalisierung müsse einen Mehrwert beim Lernen bringen, zum anderen, die digitalen Medien befähigen zum schnelleren und besseren Lernen. Rahel Tschopp, Zentrumsleiterin Medienbildung und Informatik an der PH Zürich, über den Irrtum der digitalen Parallelwelt.

Bildungsinstitutionen haben einen klaren Auftrag: Sie tragen die Verantwortung, Schülerinnen und Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürger zu erziehen, die entsprechend handeln und reagieren. Dies setzt voraus, dass sich unsere Kinder in der Welt eigenmächtig orientieren und mit digitalen Technologien bewusst umgehen können. In einer Welt, in der digitale Medien schon lange integraler Bestandteil sind und nicht, wie oft angenommen, eine Art futuristisches Paralleluniversum, welches nur sporadisch mit der Realität in Berührung kommt. Digitale Technologien sind jedoch kein pädagogischer Ersatz und keine automatischen Beschleuniger des Lernens, sondern lediglich weitere Medien, welche die Inhaltsvermittlung und das Lehren unterstützen können.

Gerade deswegen geht es in unseren Weiterbildungen nicht nur um das Lernen mit digitalen Medien, sondern insbesondere auch um das Lernen über digitale Technologien. Phänomene wie «Fake News» und «Social Bots» sind nicht leicht durchschaubar. So stellt bereits die korrekte Unterscheidung zwischen redaktionellen Beiträgen und Native-Advertising-Inhalten für viele Schülerinnen und Schüler eine Hürde dar. Dies stellt grundliegende Herausforderungen an die Lehrpersonen: Wie kann ich Fragen zu solch hochkomplexen Themen sinnvoll beantworten, wenn es für die Antwort kaum ein «Richtig» und ein «Falsch» gibt? Wie gehe ich, trotz persönlicher Widerstände und Unsicherheiten, mit diesem Thema verantwortungsvoll um?

                 

In Tiere verwandelte programmierbare Roboter aus einem Weiterbildungskurs für Lehrpersonen (Foto: phzh)

An der PH Zürich hat sich unser Zentrum zum Ziel gesetzt, Lehrerinnen und Lehrer im Bereich «Medien und Informatik» so umfassend wie möglich weiterzubilden. Da es für das Fach kaum traditionelle Setzungen hinsichtlich Didaktik gibt, profitiert es von der Chance der Neugestaltung. Grundlage der Kursangebote für Lehrerinnen und Lehrer ist der spielerische Umgang mit digitalen Medien, der die Komplexität des Themas aufbrechen und den Lehrpersonen vermitteln kann, dass solche Technologien eine positive, anregende Herausforderung darstellen können. Generell wird stark im visuellen Bereich gearbeitet: Mit Bildern sollen neue, positive Assoziationen mit der Informatik ausgelöst werden. Der Frontalunterricht mit Beamer, während dem die Schülerinnen und Schüler alleine an Arbeitsstationen nachahmen, was vorne gezeigt wird, ist passé. Die heutige Lernsituation fördert eine selbstständige Lösungsfindung in Peer-Groups. Die Lehrperson wird zur Lernbegleiterin. Bereits auf der Primarstufe ist die Informatik optimal dafür geeignet, Kreativität, kooperatives und kommunikatives Verhalten sowie kritisches Denken (4K-Modell) durch offene Aufgabenstellungen anzuregen. Ein Beispiel: Die Kinder können in kleinen Gruppen einen Roboter (z.B. Thymio oder Ozobot) auswählen. Sie bestimmen dann, welches Tier dieser darstellen soll. Gemeinsam legen sie fest, welche Charakterzüge ihr Tier haben soll. Vielleicht hat es Angst vor Katzen und flieht, wenn es einer begegnet? Anschliessend wird der Roboter entsprechend programmiert.

Das Thema Digitalisierung stellt ungeübte Lehrpersonen vor einige Herausforderungen. Die Aufgabenstellungen in unseren Kursen sind zum Teil entsprechend fordernd, zum Beispiel, wenn für ein Projekt zwingend die Applikation «Snapchat» angewendet werden muss. Spannend ist, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Schluss stolz auf die eigenen Produkte sind und Hemmungen ganz von alleine in den Hintergrund rücken. Wenn wir bei unseren Kursteilnehmenden Freude und Neugierde an der Thematik auslösen können, dann – und davon bin ich absolut überzeugt – führen sie den begonnenen Lernprozess weiter und werden «Medien und Informatik» mit Begeisterung unterrichten.

 

 

 

Rahel Tschopp

Rahel Tschopp ist Zentrumsleiterin Medienbildung und Informatik an der Pädagogischen Hochschule Zürich

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