asut-Bulletin
Shaping The Digital Future - Swiss Telecommunication Summit / 42. asut-Seminar
Ausgabe
04/2016
Digital liebt lokal

 

Coop hat die Bedeutung der Digitalisierung für den Detailhandel schon früh erkannt, setzt auf digitale Innovationen in den Verkaufsstellen, baut das Customer-Relationship-Management und das Online-Angebot konsequent aus. Gleichtzeitig pflegt sie auch die Nähe und den persönlichen Kontakt zu den Kunden. Denn gerade in der digitalen Welt werde die lokale Verankerung wieder wichtiger.

(cdh) –  Die Digitalisierung: eine gewaltige Transformation, eine dynamische Riesensache, gewiss. Doch allein davon lässt sich Coop-Chef Joos Sutter nicht allzu stark beeindrucken: "Grundsätzlich", sagt er, "geht es immer um Menschen und Emotionen." Digitalisierung ist für ihn deshalb nicht Selbstzweck, sondern ein Medium, das dabei helfen kann, die Kunden noch stärker an sich zu binden. Wichtig sei darum, dass ein Unternehmen sich auf die digitale Transformation gründlich und langfristig vorbereite und fähig sei, Mitarbeitende und Kunden einzubinden und auf die Reise mitzunehmen.

Grosse Veränderungen sind immer auch mit grossen Ängsten verbunden und Joos Sutter weiss, dass ein Detailhändler wie Coop, der auf eine gewisse Art "allen gehört", mit solchen Ängsten besonders stark konfrontiert ist: Was geschieht mit dem Kassenpersonal? Werden in Zukunft Roboter die Waren einräumen? Wie entwickelt sich die Logistik? Solche Fragen, sagt Joos Sutter, müsse man ernst nehmen, aber gleichzeitig sei klar, dass sich der Trend zur Digitalisierung nicht aufhalten lasse. Besser als sich vor der Welle zu fürchten, sei es deshalb, die Welle zu reiten. Für Sutter bedeutet das, gemeinsam mit anderen Lösungen zu finden, viel zu kommunizieren, zu motivieren und sinnvolle Weg in die neue Welt aufzuzeigen. Natürlich würden sich gewisse Jobprofile in Zukunft verändern, natürlich werde die Dynamik wachsen – doch statt grosse Worte zu machen, sei man besser beraten, die Kräfte zu bündeln und den Schritt in die Zukunft zu wagen, sagte der Coop-Chef, der deshalb auch viel lieber von den Chancen, als von den Risiken der Digitalisierung spricht. 

Bei Coop hat die Digitalisierung in vielen Bereichen bereits Einzug gehalten. Das Selberregistrieren an den automatischen Self-Check-out-Kassen gehört ebenso dazu wie das Produktescannen per Handy, das ein Mehr an Transparenz bietet, die Kunden beispielsweise über Aktionen informiert oder ihnen via QR-Code darüber Auskunft gibt, welcher Bauer die Lebensmittel, die sie kaufen, produziert hat. Automatische Bezahlsysteme sind ein weiteres aktuelles Thema – ob hierzulande eine Schweizer Lösung wie Twint oder eher Apple Pay die Oberhand gewinnen werde, müsse sich erst noch erweisen, sagt Sutter: "Das bessere System wird sich durchsetzen." Matchentscheidend sein werden das verbesserte Kundenerlebnis, die grössere Wahlfreiheit, die Transparenz und die Bequemlichkeit der Abläufe. 

Grenzenlose Konkurrenz

Auch hinter den Kulissen hat die Digitalisierung bei Coop einiges verändert: Die Bestellprozesse sind heute stark automatisiert. Algorithmen rechnen bei der Bestellung bereits die Konkurrenzierung oder die Wetterprognosen mit ein und minimieren Lagerzeiten und Food Waste. Ungemein wichtig sind auch die vielen Daten, die im Rahmen der Supercard erhoben werden und Coop die Möglichkeit geben, je nach Standort spezifische Sortimente zusammenzustellen. Stark anpassen müssen sich im Rahmen der Digitalisierung auch (Beschaffungs-)Preise und Prozesse. In den letzten Jahren hat Coop über eine Milliarde in die Logistik investiert und die Voraussetzungen für Robotisierung und Automatisierung geschaffen. Zentral wird zudem der Transport. Mit RailCare besitzt Coop seit 2010 zusätzlich zu seinen Lastwagen auch eine eigene Eisenbahn für eine effiziente Tür-zu-Tür-Logistik.

Ein weiteres Thema ist der Onlinehandel. Coop hat 24 Onlineshops, wird auch der Grosshandel im Ausland dazugezählt, sind es 40. Der Umsatz im Onlinebereich beträgt 1,2 Milliarden Franken und verschiedene Teams arbeiten daran, das Onlineumfeld weiter auszubauen. Auch hier gehe es darum, den Kunden innerhalb eines einzigen Netzes die grösstmögliche Wahlfreiheit anzubieten: Sie müssen die Möglichkeit haben, Waren ihren örtlichen und zeitlichen Bedürfnissen gemäss bequem bestellen und abholen zu können oder zugeschickt bekommen. Via den neuen Online-Marktplatz Siroop, ein Joint-Venture mit Swisscom, kann das von Bürobedarf über elektronische Geräte und Sportartikel bis hin zu Werkzeug und Blumentöpfen alles mögliche sein. Geliefert wird direkt nach Hause oder an eine von 69 Pick-up-Stationen. 

Als komplett offene Plattform steht Siroop auch Konkurrenten sowie kleinen regionalen Händlern ohne eigenen Webshop zur Verfügung. Sich der Konkurrenz zu stellen und sich sogar selber zu konkurrenzieren sei im digitalen Umfeld unumgänglich, meint Sutter: "Digitale Plattformen kennen keine Grenzen und es gibt daher auch keinen Schutz, den man künstlich aufbauen könnte."

Bosco Gurin und die Digitalisierung 

Die kleinste Coop-Filiale der Schweiz steht in Bosco Gurin, einem 100-Seelen-Dorf im Tessin. Der Verkäufer dort kennt alle Kunden, ihre Vorlieben und Eigenheiten, und weiss, wem er wann was anbieten und verkaufen kann. Das ist der Vorteil des Lokalen, Kleinräumigen. Und für Joos Sutter eröffnet paradoxerweise gerade die Digitalisierung mit ihrer grenzenlosen Vernetzung die Chance, diese lokale Vertrautheit wieder aufleben zu lassen: "Wir haben uns im Retail-Geschäft in der Vergangenheit durch Normierung, Standardisierung und Automatisierung von den Kunden eher entfernt", sagt er, "jetzt gibt uns die Digitalisierung die Möglichkeit der Personalisierung zurück und erlaubt uns durch geschicktes Datenmanagement, Vertrauen und Vertrautheit wieder aufzubauen." Der Coop-Chef ist überzeugt, dass aus demselben Grund in Zukunft auch die Regionalität, die lokale Verankerung und das Handwerk wieder eine viel grössere Rolle spielen werden. Aus diesem Gedanken heraus ist die Plattform "Miini Region" entstanden, auf der Coop lokalen Anbietern die Gelegenheit gibt, ihre Produkte anzubieten. 

Coop und Swisscom machen jetzt Siroop im Internet

 

 

Joos SutterVorsitzender Geschäftsleitung Coop

Der Bündner Joos Sutter, der als schneller, gleichzeitig aber bodenständiger Analytiker gilt, ist Chef der Coop-Gruppe und damit über ein Imperium mit einem Jahresumsatz von 27 Milliarden Franken und fast 80 000 Mitarbeitenden.

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