Jede erfolgreiche Volkswirtschaft basiert auf einer gut entwickelten Infrastruktur. Schweizer Pioniere wie Alfred Escher haben das früh erkannt. Gemeinsam mit mutigen Mitstreitern nahm er vor 150 Jahren das Jahrhundertprojekt Gotthardtunnel in Angriff und schuf mit der Alpentransversale das Antriebsaggregat für den modernen Wirtschaftsstandort Schweiz. Der Bau der Nord-Süd-Verbindung brachte uns schwunghaften Handel, beschleunigte die Industrialisierung und band damit selbst entlegene Talschaften an die erfolgreich wachsende Schweizer Wirtschaft an.
Ich bin überzeugt, dass die Infrastruktur auch in der digitalen Welt der Schlüssel zu künftigem Wohlstand ist. Mit dem Zugang zur hochskalierbaren Cloud kann die Schweiz all ihre Stärken ausspielen − vom eigenen Boden aus, aber mit weltweiten Chancen. Das weltumspannende Netzwerk von Datacentern ist im übertragenen Sinn die neue Gotthardröhre, die es den Schweizer Unternehmen und Organisationen ermöglicht, ihre Innovationskraft in die Welt hinauszutragen.
Die Voraussetzung für die Akzeptanz und breite Nutzung der digitalen Infrastruktur ist deren vollumfängliche Vertrauenswürdigkeit und Sicherheit. Mit der Inkraftsetzung der neuen Datenschutz-Grundverordnung Ende Mai wurde in der EU ein neuer Standard für Privatsphäre und Datenschutz gesetzt. Dieses Gesetz, das global für viel Gesprächsstoff sorgte, hat dazu beigetragen, dass Privatsphäre in der öffentlichen Wahrnehmung schon beinahe als Menschenrecht angesehen wird. Die löbliche Konsequenz: Wer die Privatsphäre einer Person nicht respektiert, dem wird das Vertrauen sofort und dauerhaft entzogen.
Das nächste wichtige Thema, das wir mit der gleichen Gründlichkeit und Sorgfalt angehen müssen, ist Cyber-Security. Die Rahmenbedingungen, um in diesem Bereich gute Arbeit zu leisten, sind im Vergleich zum Schutz der Privatsphäre sogar noch um einiges komplexer. Die grosse Herausforderung besteht darin, dass eine vernetzte Welt vernetzte Antworten erfordert. Der wirksame Schutz vor Cyberangriffen kann deshalb nur in enger, grenzüberschreitender Zusammenarbeit von staatlichen Einrichtungen, Unternehmen der Privatwirtschaft und Organisationen erfolgen.
Ein wichtiges Element einer möglichen Lösung ist die Idee einer so genannten «Digitalen Genfer Konvention». Diese soll staatliche Akteure zur Einhaltung von anerkannten Normen verpflichten. Eine solche Norm könnte sein, keine IT-Systeme anzugreifen, deren Zerstörung weitreichende Folgen für die Sicherheit und das Wohlergehen von Zivilpersonen haben, zum Beispiel Spitäler oder Energieversorger.
Ähnliches muss aber auch für den Privatsektor gelten: Globale Technologieunternehmen wie Microsoft verpflichten sich auf die Norm, staatlich verordnete Cyberattacken nicht zu unterstützen und sich neutral zu verhalten. Erst kürzlich haben 34 Unternehmen den so genannten «Tech Accord» unterschrieben, eine konkrete Absichtserklärung, sich künftig an gemeinsam vereinbarte Handlungsanweisungen zu halten. Prominente Unterzeichnerin des Tech Accords aus der Schweiz ist die ABB. Bundesrat Cassis hat öffentlich bekundet, dass die Stossrichtung des Tech Accords im Einklang mit der Sichtweise der Schweizer Regierung steht.
Es braucht also neue Governance-Strukturen, die neben den Staaten auch anderen Akteuren Verantwortung und Autorität übertragen. In der internationalen Diskussion und der Lösungserarbeitung kann die Schweiz mit ihrer föderalen Tradition und auf Interessenausgleich ausgerichteten Steuerungskompetenz sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene eine zentrale Rolle übernehmen.