asut-Bulletin
Shaping The Digital Future - Swiss Telecommunication Summit / 42. asut-Seminar
Ausgabe
04/2016
Die digitale Zukunft gestalten – Möglich? Wünschbar?

 

 

Zwei Paneldiskussionen vertieften die Fragestellung des asut-Seminars. Das erste setzte sich damit auseinander, wie sich die digitale Transformation in der Praxis auswirkt, die zweite ging der Frage nach, welche Rahmenbedingungen eine erfolgreiche digitale Wirtschaft erfordert.

(cdh) – "Früher war alles viel schöner – wir hatten Tausende von Kunden, Jahrzehnte von schönem Wachstum, wunderbare Umsätze, schöne Vertriebskanäle, herrliche Produkte – das Credo war Ebit, Ebit, Ebit und es ging hauptsächlich darum, möglichst viel aus den Kunden rauszuholen." In der Darstellung von Stefan Muff, Gründer, VR-Präsident und Miteigentümer der Axon Active Holding AG, und bekannt für innovative Internet-Mapping- und Geo-Marketing-Lösungen, hat die Digitalisierung mit ihren Plattformen und ihrer halsbrecherischen Geschwindigkeit einen verwöhnten und wenig kundenfreundlichen, wenig transparenten Markt auf den Boden der Realität zurückgeholt. Denn jetzt könnten ein paar Nerds aus Kalifornien die Produkte eines gestandenen Unternehmens flächendeckend angreifen: "Die neuen Start-Ups haben Geld und brauchen sich nicht um das Ebit zu kümmern. Die konzentrieren sich stattdessen darauf, ihren Kunden das beste Produkt, das beste Erlebnis anzubieten." Um überhaupt eine Chance zu haben, müsse ein Unternehmen von dieser Ebit-getriebenen Denkweise fortkommen und "unbedingt alles digitalisieren und zwar so schnell wie möglich". Also Big-Data-Ansätze, Business-Intelligenz, Automatisierung, agile Geschäftsprozesse, Vernetzung und Transparenz. "Aber alle schlafen noch, es ist unglaublich", sagte Muff und schloss mit dem pessimistischen Fazit, er sehe für die Schweiz eher schwarz.

Schweizer Nachholbedarf 

Die übrigen Podiumsteilnehmer malten ein weniger düsteres Zukunftsbild. Zwar erklärte auch Jacky Gillmann, Verwaltungsratspräsident der Bauunternehmung Losinger Marazzi AG, im Bereich der Baubranche sei die Schweiz eher spät eingestiegen und müsse im Vergleich zum Ausland viel nachholen. Insbesondere das externe Umfeld – Architekten, Ingenieurbüros, Bauherren und Investoren – stehe kollaborativen digitalen Planungsmethoden wie dem Building Information Modelling (BIM) noch sehr zurückhaltend gegenüber. Zuversichtlicher gab sich Andreas Häberli, CTO und Mitglied der Konzernleitung der dorma+kaba Group. Die Bedeutung der Transformation sei im Allgemeinen erkannt worden, notwendig sei nun noch, auf allen Unternehmensebenen Aufbruchstimmung zu schaffen, gleichzeitig aber nicht hektisch jedem Hype aufzusitzen, sondern Digitalisierung nur dort einzusetzen, wo sie einen tatsächlichen Mehrwert bringt. Im Fall der dorma+kaba Group sind das beispielsweise mobile Zugangsberechtigungen. Adrian Müller schliesslich, Betriebsökonom und Managing Director HP Schweiz GmbH, sieht in der Digitalisierung in erster Linie einen Demokratisierungsprozess, weil sie Zugang zu Wissen und damit zu Macht und Einfluss schaffe. Das kremple die Unternehmensorganisation um und schaffe neue Machtverhältnisse und Freiräume. 

Zukunftsgestaltung am Reissbrett

Einen harten Schlagabtausch lieferten sich in der zweiten Panelrunde Silvio Borner, emeritierter Wirtschaftsprofessor der Universität Basel und so etwas wie das liberale Gewissen der Schweizer Wirtschaftspolitik, und Philipp Metzger, Direktor des Bundesamtes für Kommunikation. In seinem Impuls-Referat betonte dieser, das Gelingen der Strategie "Digitale Schweiz" des Bundesrates bedinge einen koordinierten Effort von staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren – einen Multistakeholderdialog also. Dass die Schweiz die Digitalisierung bisher relativ gut gemeistert habe, konterte Silvio Borner, komme eben gerade davon, dass es in dieser Hinsicht gar keine offizielle politische Strategie gebe, sondern nur eine relativ diskrete Ex-post-Regulierung. Grund des Erfolges sei also nicht staatliches Handeln, sondern die weltrekordverdächtigen Investitionen seitens der Wirtschaft und die dadurch ausgelösten Innovationen. Borner plädierte dafür, "möglichst viele digitale Zukünfte offen zu lassen und nicht top-down politisch festlegen zu wollen". Ausserdem gebe es in der Schweiz einen einzigen Sektor, der in Sachen Digitalisierung wirklich im Hintertreffen sei – und das sei die öffentliche Hand. Zweifel daran, dass der Regulator mit Eingriffen mehr Wettbewerb erzeugen könne, äusserte auch Kurt Lanz, Mitglied der Geschäftsleitung von economiesuisse: die komplexen Herausforderungen der Digitalisierung liessen sich nicht am Reissbrett lösen.

 

 

Thomas Gabathuler, Pionier des Internet-Fernsehens und Gründer von Wilmaa, wünschte sich für die Zukunft vor allem, dass der Markt auf dem Internet weiterhin frei und fair spielen könne, befürchtet aber, dass die Entwicklung eher in eine andere Richtung gehe – von der Netzneutralität weg. Und David Thiel, CEO der Industriellen Werke Basel und damit auch Glasfaserbetreiber, möchte Unterstützung, um digitale Wertschöpfungsprozesse lokal nutzbar machen zu können.

 

 

 

Kann man den Grad der Digitalisierung in der Schweiz messen? Man kann.

Das Projekt digital.swiss baut auf der «digitalen agenda 2.0» auf und adressiert die Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung in 15 Themenfeldern. Aus diesen Werten wird eine Scorecard entwickelt, die den den Stand der Digitalisierung in der Schweiz misst. Aus den Ergebnissen der Scorecards wiederum wird der digital.swiss-Index errechnet, eine Kennzahl für den Fortschritt der Digitalisierung in der Schwei, der die Entwicklung in 15 Themenfeldern repräsentativ dokumentiert.

digital.swiss ist ein Projekt von ICTSwitzerland.

 

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