asut-Bulletin
Connected Living
Ausgabe
04/2018
Ein smartes Haus zahlt sich aus

Komfortabel, wirtschaftlich und umweltfreundlich. Für Jürg Grossen, Elektroplaner, Nationalrat und Präsident der Grünliberalen Partei, gehört die Zukunft einer intelligenten Stadt voller intelligenter Häuser.

asut: Wer «Smart Home» sagt, denkt zuerst oft an den Kühlschrank, der selber einkauft. Aber was ist ein intelligentes Haus wirklich?

Jürg Grossen: Für mich ist das ein Haus, in dem viele kommunikationsfähige Geräte vernetzt sind. Diese Vernetzung dient in erster Linie dazu, den Komfort zu erhöhen. Zum Beispiel, indem beim Verlassen des Hauses mit einem einzigen Knopfdruck alle gewünschten Geräte, ausgeschaltet werden, die Lichter gelöscht, die Lamellen der Storen in die richtige Stellung gebracht und die Temperatur genau so geregelt wird, wie ich es mir in meiner Abwesenheit wünsche. Und sobald ich zurück bin, merkt das das Haus und schaltet nach Wunsch alle Geräte wieder ein.

Zum Komfort kommt also auch die höhere Energieeffizienz.

Genau. Gebäudeautomation erlaubt es, nutzlosen Stromverbrauch zu eliminieren. Aber das ist eher ein Nebeneffekt des Komforts. Denn es ist vor allem angenehm, wenn man sich nicht ständig sorgen muss, ob das Licht im Zimmer oder die Herdplatte wirklich ausgeschaltet ist oder dass es abends viel zu heiss ist, weil die Storen tagsüber nicht beschattet haben. Man kann die Vernetzung und Automatisierung auch auf die Spitze treiben, sodass sich beispielsweise die Kaffeemaschine per Sprachsteuerung einschalten lässt. Für mich sind das eher nette Gadgets ­– viel interessanter finde ich den Grundkomfort, den ein smartes Haus ermöglicht. Auch in einem Hitzesommer, wie wir ihn dieses Jahr erlebt haben, bleibt ein Smart Home angenehm kühl, weil die Scheiben im richtigen Moment beschattet werden. Und dies nur dort, wo die Sonne draufscheint, sodass über die restlichen Fensterflächen weiterhin genügend Tageslicht für die Zimmerpflanzen vorhanden ist. Es sind diese kleinen Dinge, Schatten wenn nötig, genug Tageslicht, Lüftung und Auskühlung im richtigen Moment,  welche das Leben in einem intelligenten Haus angenehm und gesund machen.

Ist dieser Komfort ein Luxus oder für alle erschwinglich?

Das ist genau der Punkt, wo es interessant wird. Ein smartes Haus zu bauen ist tatsächlich investitionsintensiv. Aber weil der Betrieb des Hauses in der Folge weniger Energie verbraucht, zahlt sich die Investition nach ein paar Jahren aus. Komfort, Energieeffizienz und finanzielle Rentabilität verbinden sich also auf ideale Art und Weise. Und wenn ich mir das Freizeit- und Ferienverhalten der Schweizerinnen und Schweizer so ansehe, dann scheint es für die meisten drin zu liegen, die paar tausend Franken zu investieren, um statt einer «dummen», eine intelligente Wohnung zu haben.

Sie sind Elektroplaner. Beobachten Sie auf dem Schweizer Markt eine Tendenz zum Smart Home?

Die Tendenz ist steigend, aber das Gros der Häuser wird noch nicht smart geplant und realisiert. Immerhin sind die meisten Gebäude heute wenigstens ein bisschen intelligenter als früher: Ein Türvideosystem beim Eingang, eine Storensteuerung oder eine tageslichtabhängige Beleuchtung im Treppenhaus. Aber zum Beispiel in Mehrfamilienhäusern werden richtig intelligente Wohnungen leider noch viel zu selten realisiert.

Woran liegt das?

Es hängt stark mit einem Informationsdefizit zusammen und zwar sowohl auf Seite der Bauherren, als auch auf Seite der Architekten und Fachplaner. Wer sich wie unsere Firma für intelligente Lösungen einsetzt, ist noch immer in der Minderheit. Das ist schade, denn beim intelligenten Haus kommt eine weitere hochinteressante Dimension hinzu: die der erneuerbaren Energie. Ein Smart Home bietet nicht nur die Chance, Energieeffizienz und Komfort nachhaltig zu verbessern, sondern darüber hinaus auch die auf dem eigenen Dach produzierte Energie selber zu verbrauchen. Wer ein Smart Home besitzt, spart also unter dem Strich nicht nur Geld, er kann auch einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz leisten.

Was sagen Sie als Parteipräsident und Parlamentarier: Müsste die Politik den Bau von Smart Homes im Interesse von Gesellschaft und Umwelt also gezielt fördern oder sogar subventionieren?

Die Politik muss die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Ich lehne es ab, mit der Giesskanne Gelder zu verteilen. Vielmehr sollten für die Förderung erneuerbarer Energien einerseits unnötige gesetzliche Hürden abgebaut und dafür gesorgt werden, dass der auf einem Mehrfamilienhaus produzierte Solarstrom im Gebäude einfach und direkt verbraucht werden kann. In der Energiestrategie 2050 ist dieses Anliegen aufgrund eines Antrages von mir wesentlich vereinfacht worden. Andererseits sollte mit Lenkungsabgaben sichergestellt werden, dass der Preis für «dreckigere» Energie wie Kohle- oder Atomstrom die verursachten CO2-Schäden oder die vollen Kosten für Entsorgung und Rückbau der Kraftwerke beinhaltet.

Lassen sich Gebäude «smart» nachrüsten?

Ja, das kann man, insbesondere im Bereich des Zweckbaus, also bei Schulen, Altersheimen, Hotels, Spitälern oder Einkaufszentren. Unser Firmengebäude ist ein Beispiel dafür. Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Bürogebäude der gleichen Art brauchen wir heute lediglich noch einen Fünftel Strom und einen Viertel Wärmeenergie bei gleichzeitig maximalem Solarstrom-Eigenverbrauch und reduzierter Stromnetzbelastung. Bei einzelnen Wohnungen ist es schwieriger, solche Werte zu erreichen. Aber auch dort lässt sich einiges machen.

Und wie geht man vor, wenn man ein Smart Home bauen möchte?

Am besten beauftragt man einfach unsere Firma, die Elektroplan Buchs & Grossen AG, mit der Planung. Spass beiseite: Man sucht sich einen Elektroplaner, der sich in diesem Bereich auskennt und lässt sich beraten. Das verhindert unnötige Investitionen und lohnt sich. Die Vernetzung in einem Smart Home setzt weder eine riesige Infrastruktur voraus, noch beansprucht sie viel mehr Raum. Aber die Installationsart ist anders: Statt dass der Strom von der Sicherung auf den Lichtschalter und dann beispielsweise auf die Lampe geführt wird, werden alle intelligenten Geräte und Schalter zusammen verbunden und auf die Schaltzentrale geführt, von wo alles übergeordnet gesteuert wird. Das gleiche Prinzip gilt für die Storen, die Videoüberwachung, die Zutrittssysteme, die Beleuchtung und für Geräte mit Stand-by-Abschaltungen.

Das tönt anspruchsvoll und ein bisschen abschreckend ­– zumal Sie vorhin angetönt haben, dass es noch relativ wenig Smart-Home-Experten gibt.

Es ist weder anspruchsvoll, noch wird damit mehr installiert – einfach anders. Und die Richtung stimmt. In der Ausbildung der Elektroplaner, der Elektroinstallateure und in den Ingenieurschulen haben Gebäudeautomation, Steuerung und Produktion von erneuerbarer Energie heute einen festen Platz. Bis sich diese Leute in den Firmen auf breiter Front durchsetzen, dauert es wohl noch ein paar Jahre. Kommt dazu, dass die Gebäudetechnikbranche seit Jahrzehnten vollbeschäftigt und deshalb nicht unbedingt zu Innovation gezwungen ist. Ich bin aber zuversichtlich und glaube an die Innovationskraft der Nachwuchs-Fachkräfte.

Und wohin geht die Zukunft? Werden die Smart Homes irgendwann auch zu ganzen smarten Quartieren und smarten Städten zusammenwachsen?

Ja, davon bin ich überzeugt. Denn damit lassen sich sehr viele Synergieeffekte erzielen. Unsere Tochterfirma, die Smart Energy Link AG, plant und realisiert beispielsweise Quartiere, wo mehrere Gebäude zu einer sogenannten Eigenverbrauchsgemeinschaft zusammengenommen werden. Auf allen Häusern wird Strom produziert und in allen Kellern stehen Wärmepumpen und werden intelligent angesteuert, so dass der Eigenverbrauch von Solarstrom maximiert wird. Die Wärmepumpen in allen Häusern werden prognosebasiert dann in Betrieb gesetzt und die Elektroautos in den Garagen dann geladen, wenn die nötige Energie dazu verfügbar ist, ohne den Nutzer zu beeinträchtigen. Zudem ist es möglich, neben der Energie auch Zutrittssysteme, Beleuchtungen, Kommunikationsanlagen und Überwachungen zu vernetzen, um Synergien zu nutzen. Und schliesslich könnten solche Quartiere zu grösseren Regionen anwachsen, die zusammen intelligent funktionieren. Werden auch Gewerbebauten auf diese Weise miteinander verbunden, sind die Synergieeffekte noch um eine Schuhnummer grösser.

Bis wann wird der Schweiz die Mehrheit aller Gebäude intelligent sein?

Die Gebäude-Sanierungsrate beträgt in der Schweiz rund ein Prozent pro Jahr, das heisst es dürfte hundert Jahre gehen, bis es soweit ist.

Ein deprimierender Gedanke für einen so überzeugten Verfechter einer nachhaltigen und wirtschaftlichen Gebäudetechnik wie Sie?

Nein überhaupt nicht, es zeigt höchstens, dass wir Elektroplaner noch lange genug zu tun haben werden! Spass beiseite: Es wird wohl doch schneller gehen als man denkt. So wie mit dem Ringelschnürli-Telefon. Das schien lange Zeit auch unsterblich. Aber inzwischen haben selbst meine Eltern mit über siebzig das Festnetz abgestellt. Irgendwann drückt das Neue durch und lässt sich nicht mehr aufhalten. So wird es auch mit smarten und weitgehend eigenstromversorgten Gebäuden vor sich gehen, davon bin ich überzeugt.

 

Jürg Grossen

Der Berner Oberländer Jürg Grossen ist Unternehmer, Politiker und Präsident der Grünliberalen, für die er auch im Nationalrat sitzt.

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