asut-Bulletin
It's not a man's world!
Ausgabe
03/2019
Begabten Mädchen auf der Spur


 

Die Ausgangslage ist klar: Bis 2020 werden in der Schweiz 25 000 ICT-Fachkräfte fehlen. Für die Initianten von ICT-Scout/Campus sind die Gründe dafür zum grössten Teil «hausgemacht». Sie lauten: Kenntnismangel, Vorurteile und Missinformation. Das führt dazu, dass wertvolle Talente nicht ausgeschöpft und damit verschwendet werden. Denn eigentlich gibt es genügend ICT-Talente in der Schweiz. Das Problem ist es, sie zu finden, zu informieren und ihnen die Berufsmöglichkeiten in der digitalen Welt aufzuzeigen, bevor sich unproduktive Vorurteile breit machen können. Denn vielfach liegt es an solchen Vorurteilen, dass Mädchen, aber auch Jugendlichen mit Migrationshintergrund und akademisch schwächeren Jugendlichen a priori das Talent für qualifizierte technische Berufe aberkannt wird.

Hier setzt die Initiative ICT-Scouts/Campus an, deren Präsident Rolf Schaub ist. So wie im Sport Scouts auf die Suche von potenziellen Spitzentalenten gehen, durchkämmen auch die ICT-Scouts die Sekundarschulen nach schlummernden Informatik-Talenten. Diese weden dann in den Campus, ein schulbegleitendes Informatik-Freizeitprogramm, aufgenommen und dort bis zum Übertritt in die nächste Ausbildungsetappe, z. B. bis zu Beginn der Lehre, kontinuierlich und individuell begleitet und gefördert. Interessierte Schülerinnen und Schüler können sich auch selber anmelden oder von Lehrern oder Eltern anmelden lassen. Das dreijährige Programm ist kostenlos, Fun und Freude am Entdecken stehen im Vordergrund. Auf starre Strukturen, Drill und Bewertungen wird bewusst verzichtet. Das Programm funktioniert wie eine offene Werkstatt, in der Kinder und Jugendliche selber nach Lust und Laune bestimmen, woran sie als nächstes tüfteln möchten. Das scheint die Zauberformel zu sein, um gerade auch Mädchen anzusprechen: ICT-Scouts/Campus erreicht einen sensationellen Anteil von 50 Prozent Mädchen.

ICT-Scouts/Campus ist seit 2016 aktiv: Nach der Pilotphase wurde im Juni dieses Jahres der erste ICT Campus in Bern eröffnet. Viele andere sollten folgen. Die Wunschvorstellung der Initianten ist mindesten ein ICT-Campus in jedem Kanton der Schweiz.

 

 

 

Rolf Schaub, Geschäftsführer von ICT-Scout/Campus und ehem. Leiter der Informatik-Ausbildung an der Gewerblich-industriellen Berufsfachschule Muttenz

Nachgefragt: Wer sucht, findet

asut: Die Hälfte der gescouteten Talente bei Ihnen sind Mädchen – wie schaffen Sie das?

Rolf Schaub: Intelligenz und Begabung sind normal verteilt. Wenn man sucht, dann findet man die Talente also auch bei den Mädchen. Das Problem ist vielmehr, die Mädchen dann nicht wieder zu verlieren, sondern nachhaltig für Informatik zu begeistern. Dafür braucht es kontinuierliche Arbeit über längere Zeit. Mit einer lustigen Plakatkampagne erreicht man das nicht.

Die ICT-Scouts sprechen die Mädchen an, «bevor sich unproduktive Vorurteile breit machen». Von was für Vorurteilen sprechen wir hier?

Informatik hat bei Mädchen oft noch das Image, eher etwas für komische Nerds zu sein, die den ganzen Tag im Keller unten vor ihrem Computer hocken. Da geht es darum, ihnen zu zeigen, wie vielfältig die digitale Berufswelt ist und welchen grossen Stellenwert Kreativität, Kommunikation und Teamwork in ihr haben. Ein wesentlicher Punkt ist zudem, auch die Eltern einzubinden. Sie müssen spüren, dass das ein guter Weg für ihre Tochter sein kann und dass Mädchen auch andere Wahlmöglichkeiten haben als das KV oder ein Psychologiestudium.

Solche Stereotype bekämpfen auch andere MINT-Initiativen. Warum klappt es bei Ihnen besonders gut?

Ich denke, es ist das Campus-Feeling, das entsteht, wenn sich Kinder und Jugendliche jeden zweiten Samstag zusammenfinden und an selbstbestimmten Projekten arbeiten. Alle können sich selber aussuchen, ob sie still für sich allein arbeiten oder sich mit Gleichgesinnten zusammentun, sich von andern helfen lassen oder selber eine Lösung finden wollen. So entsteht eine Gemeinschaft, in der alle ihren Platz haben und Freundschaften geschlossen werden, die lange halten: Diversity ist bei uns nicht auf Gender beschränkt.

 

 

 

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