asut-Bulletin
It's not a man's world!
Ausgabe
03/2019
Die Headhunterin

(cdh) – Claudia Nussberger war eine der ersten Frauen, die in der ICT-Branche eine Führungsposition besetzte. Sie erklärt das ganz nüchtern damit, dass die privaten Anbieter, die nach der Liberalisierung des deutschen Telekom-Marktes um das Jahr auf den Markt kamen, «händeringend nach guten Leuten suchen mussten: Da kamen auch Frauen zum Zug, so wie das in US-amerikanischen oder asiatischen Unternehmen längst der Fall war.» Von diesen ersten Frauen in der deutschen Telekom-Branche waren nur einige wenige Ingenieurinnen. Die meisten Frauen in der ICT Branche wurden hauptsächlich im Vertrieb tätig und brachten zum ersten Mal etwas in die Branche, wovon zur Zeit der Staatsbetriebe selten bis nie die Rede gewesen war: Sie gingen auf ihre Kunden und deren Bedürfnisse ein: «Kundenorientierung ist nicht zuletzt auch mit den Frauen in die Branche gekommen», sagt Nussberger. Und erzählt: «Die Frauen im Vertrieb waren kompetent und fleissig. Denn um sich in dieser Männerwelt durchzusetzen und ernstgenommen zu werden, mussten sie sich über Inhalte und Ergebnisse profilieren. Und sobald sie so richtig erfolgreich waren, wurden sie von Headhuntern um- und abgeworben.» So ist es 2005 auch ihr ergangen: Sie kam als Mitglied des Top-Managements von Swisscom in die Schweiz und wurde später Geschäftsführerin von Alcatel-Lucent, heute Nokia.

Die IT-Girls

Sie stand damals nicht als einzige Frau an der Spitze eines Schweizer IT-Unternehmens: Dass gleichzeitig mit ihr Hauke Stars an der Spitze von Hewlett-Packard (HP) Schweiz stand, Susanne Ruoff die British Telecom Global Services Schweiz führte und Isabelle Welton IBM-Schweiz-Chefin waren, das machte Schlagzeilen. Von den vier «IT-Girls» war die Rede, die «Berner Zeitung» beispielsweise schrieb: «Offensichtlich machen Unternehmen der Informationstechnologie bei der Frauenförderung etwas besser als andere Branchen.» Für Nussberger waren die international geprägten IT-Unternehmen in jenen Jahren klar morderner als die europäischen und lokalen Telkos: «Dort ging es eher um die robuste Sicherheit in den Netzen und das war nach wie vor Sache der Ingenieure.» Die IT-Firmen hingegen, die in einem multikulturellen Markt bestehen mussten, waren darauf angewiesen, die nötigen IT-Skills zu finden: Das waren entweder Talente aus Ländern wie Indien oder eben Frauen.

Lippenbekenntnisse

Und heute? Claudia Nussberger hat die ICT-Welt inzwischen verlassen und setzt ihre über 20-jährige Erfahrung nun als Headhunterin beim Executive-Search-Berater Roy C. Hitchman AG ein. Dass es in der Branche an Frauen mangle, kann sie aus dieser Warte nicht bestätigen, im Gegenteil: «Ich sehe noch und noch tolle Frauen da draussen, nicht zuletzt hochausgebildete und hochqualifizierte Frauen aus Osteuropa», sagt sie. Selbst für sehr spezifische Aufgaben bestens qualifizierte weibliche Kandidatinnen zu finden, sei kein Problem, zumal Englisch mehr und mehr auch als Firmensprache – gerade in der IT – anerkannt ist.

Die Schwierigkeit liegt für sie an einem ganz anderen Ort: «Alle Unternehmen schreien nach Diversität, aber wenn dann tatsächlich Diversität in die Unternehmensstrukturen reinkommt, dann wird es vielen rasch zu ungemütlich. Es ist für – überwiegend männliche – Führungskräfte sehr viel einfacher, eine Belegschaft von Ähnlichdenkenden und Ähnlichfunktionierenden zu managen, das lässt sich auch in der Schweizer ICT-Branche beobachten.» Diversität ist für Nussberger eine Herausforderung, die sehr viel Führungsqualität voraussetzt: «Das ist Chefsache, das muss man wollen und dann auch aktiv dafür sorgen, dass es funktioniert», sagt sie und zitiert als gutes Beispiel Sandra Hauser, bei der Zurich Schweiz soeben zur Leitung des Bereichs Technology, Data and Business Transformation berufen: «Da hat der CEO ganz bewusst nach einer qualifizierten Frau gesucht und  auf die Ausweitung seiner Geschäftsleitung im Bereich Diversity. Auch die SBB hat da einen guten Track Record.»

Quoten, wie sie sie vor Jahren noch befürwortete, lehnt Claudia Nussberger heute aber ab. Zu oft hat sie erlebt, dass Frauen nur deshalb eingestellt werden, weil der Job mit einer Frau besetzt werden soll: «Frauen so teilweise zu «verbrennen», um dann genüsslich sagen zu können, dass sie versagt haben, das ist unschön», sagt sie, «das brauchen wir heute nicht mehr zu riskieren.»

Claudia Nussberger

Claudia Nussberger-Schwers blickt auf 20 Jahre Management-Erfahrung in Vertriebs- und Geschäftsführungspositionen in der IT- und Telekommunikationsbranche zurück. Stationen ihrer Karriere waren u.a. T-Systems International, Swisscom und Alcatel Lucent Schweiz, bevor sie im Jahr 2012 in den Executive-Search-Bereich wechselte. Der Fokus ihrer Beratungstätigkeit liegt heute u.a. im breiten Umfeld der Digitalisierung, insbesondere bei Branchen die von der ICT-Branche dabei auch unterstützt werden bzw. eigene Bereiche auf- oder ausbauen.

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