Mit Dronen, die an gefährliche Orte wie Kernkraftwerke, Chemie-, Energie- und Bergbaubetriebe gelangen, hat sich das Lausanner Startup Flyability zum Weltmarktführer im Bereich der Industrieinspektion entwickelt. Interview mit CEO Patrick Thévoz.
Asut: Flyability heimst Preise und Auszeichnungen ein und ist zu DEM Wahrzeichen des Swiss Drone Valley geworden: Was sind Ihrer Ansicht nach die Zutaten für diesen Erfolg?
Patrick Thévoz: Als wir in den Markt eintraten, gab es noch keine andere technische Lösung für diese im Indoorbereich häufig sehr gefährliche Art der Inspektion. Daher glaube ich, dass wir genau zum richtigen Zeitpunkt mit einem Produkt an den Markt gingen, das einem echten Bedürfnis nach Verbesserung der Personalsicherheit entsprach und gleichzeitig die Inspektionskosten senken konnte. Von Anfang an haben wir viel mit den Kunden zusammen gearbeitet, damit unser Produkt kein reines Laborprodukt wird, sondern der Wirklichkeit vor Ort entspricht.
Welche Herausforderungen muss eine Indoor-Drohne bewältigen?
Sie muss viele Heausforderungen gleichzeitig bewältigen. Zunächst gibt es da die Hindernisse in hoch komplexen Umgebungen. Es gilt daher, Kollisionen entweder zu vermeiden oder dafür zu sorgen, dass sie für das Flugobjekt kein Problem darstellen. Darüber hinaus kann im Indoorbereich kein GPS-System eingesetzt werden; häufig wird ohne direkten Sichtkontakt auf die Drohne geflogen. Oft ist es dunkel und staubig. Zudem möchte man das zu inspizierende Objekt von allen Seiten betrachten. Dies sind einige der technologischen Herausforderungen.
Wie kann sich Ihre Drohne ohne GPS orientieren?
Rund um die Drohne sind verschiedene Sensoren angebracht, die es ihr ermöglichen, ihre Umgebung zu «spüren» und sich insbesondere mithilfe von Kameras, Beschleunigungsmessern, Gyroskopen und Barometern zu stabilisieren. Auch heute noch wird sie hauptsächlich manuell gesteuert. Der typische Anwendungsfall ist der Innenbereich einer Fabrik, der durch die Errichtung eines Gerüsts oder durch Abseilen in einen Schacht oder Tank oder in das Innere eines Kraftwerks inspiziert wird. Heutzutage kann der Pilot die Drohne einsetzen, um Informationen und Bilder sehr viel schneller zu sammeln und kann dabei die Gefahr eines Absturzes oder das Risiko einer Chemikalienexposition vermeiden. Es handelt sich dabei also häufig um Personen, die ganz genau wissen, wohin sie den Flugroboter lenken müssen und wo sich die kritischen Bereiche befinden, in die sie die Drohne manuell steuern. Bevor es den ersten vollkommen autonomen Roboter gibt, wird es noch einige Jahre dauern. Wir arbeiten daran.
Wie kommuniziert die Drohne mit dem Piloten?
Zwischen der Drohne und dem Piloten besteht eine Funkverbindung, die in beengten Umgebungen sehr gut funktioniert. Wir nutzen sogar die Tatsache, dass wir uns im Innenbereich befinden, und zwar durch Auswertung der Signalreflexionen. Und sobald das Signal zu schwach wird, signalisiert der Flugroboter dies dem Piloten.
Wird 5G Ihrem Flugobjekt einen Mehrwert verschaffen?
Als Netz mit sehr hohen Datenübertragungsraten wird 5G einen hohen Mehrwert schaffen, da eine niedrige Latenz für die Fernsteuerung eines Objekts extrem wichtig ist. Jeder Zeitverzug zwischen dem Moment, in dem der Pilot die Drohne auffordert, eine Kurve zu fliegen, und dem Moment, in dem die Drohne wendet, macht das Steuern sehr schwierig. Die 5G-Technologie ist daher hoch interessant, auch wenn sie derzeit durch die Grösse des Netzes und die Netzabdeckung an den Orten, an denen unsere Flugobjekte operieren müssen, noch eingegrenzt ist. Industrielle Infrastrukturen befinden sich selten in Ballungsgebieten.
Hätte Ihre Idee anderswo genau so starten können?
Fest steht, dass wir dank der EPFL und den Hunderten von brillianten Ingenieuren, die diese Hochschule jedes Jahr verlassen, problemlos auf Talente zugreifen konnten. Es besteht sehr viel weniger Wettbewerb in der Schweiz als in Regionen wie dem Silicon Valley, wo die Suche nach guten Ingenieuren extrem schwierg und teuer geworden ist. Ein weiterer Pluspunkt besteht darin, dass uns der relativ kleine Binnenmarkt sehr schnell zur Internationalisierung gezwungen hat.
Bestes Schweizer Start-up
Flyability wurde gerade mit dem TOP 100 Swiss Startup Award 2019 ausgezeichnet. Das 2014 von Patrick Thévoz und Adrien Briod gegründete EPFL-Spin-off entwickelt Drohnen, die Indoor-Inspektionen an schwer zugänglichen Orten durchführen können, wodurch Kosten in Zusammenhang mit der Stilllegung von Infrastrukturen vermieden, die Unfallgefahr gesenkt und zuverlässige und genaue Ergebnisse sichergestellt werden können. Das Unternehmen zählt heute mehr als 80 Mitarbeitende und vertreibt seine Produkte in über fünfzig Ländern. Flyability plant in den nächsten zwölf Monaten die Eröffnung einer Zweigstelle in den USA.
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