asut-Bulletin
Netze – Rückgrat der Digitalisierung
Ausgabe
05/2019
Verbindung hergestellt: Industrie 4.0 mit industrietauglichen privaten Funknetzen

Von Daniel Anklin

Sie haben vielleicht bemerkt, dass das Thema Industrie 4.0 die Fachmedien in diesen Tagen dominiert. Nach jahrzehntelanger Stagnation der Produktivität im Vergleich zu IT-Unternehmen setzen viele industrielle und anlagenstarke Unternehmen heute auf die digitale Technologie. Treiber dieses Wandels sind Technologien wie IoT und Cloud. Sie bieten eine Möglichkeit, das Physische ins Digitale zu überführen oder zumindest zu steuern. Nimmt man Machine Learning (ML) und KI in den Mix auf, erhält man Industrie 4.0.

Aber wie verbinden wir all diese Dinge miteinander? Die digitale Transformation funktioniert schliesslich nur, wenn alles mit allem verbunden ist. Kabelgebundene Netzwerke wie Ethernet werden in Industrie 4.0 weiterhin eine wichtige Rolle spielen; aber das Verbinden von Millionen und Milliarden von IoT-Geräten wird nicht nur allein über Kabel erfolgen. Dafür gibt es buchstäblich «zu viele bewegliche Teile». Und selbst unbewegliche Teile, müssen spätestens während des Umrüstens oder der Re-Konfiguration verschoben werden. Unternehmen expandieren und schrumpfen, wenn sich die Märkte verschieben. Vor allem aber müssen sie agil und skalierbar sein. Die Verkabelung all der notwendigen Sensoren und Maschinen untereinander wird zu teuer und einschränkend sein.

Um die Industrie 4.0-Technologie mit dem Netzwerk und der Cloud zu verbinden, müssen Unternehmen deshalb eine Ergänzung zu kabelgebundenen Netzwerken finden, die wirtschaftlich, flexibel und agil ist. Die nächste Generation der industrietauglichen privaten drahtlosen Kommunikation ist der fehlende Bestandteil. Mit industriellem Privatfunk der nächsten Generation meine ich 3GPP-Mobilfunktechnologien wie 4.9G/LTE und 5G. Es mag seltsam klingen, LTE «Next-Generation» zu nennen, wenn man bedenkt, dass die LTE-Technologie schon seit einem Jahrzehnt existiert. Doch sie ist in dieser Zeit deutlich weiterentwickelt worden, bis hin zu 4.9G. Dieses bietet viele Verbesserungen, die für industrielle Anwendungen sehr wichtig sind, wie höhere Geschwindigkeiten, niedrigere Latenzzeiten, Unterstützung von loT und mehr.

Zusätzlich besteht die grosse Veränderung darin, dass die Regulierungsbehörden in mehreren Ländern Tranchen von Funkfrequenzen für private Netze freigeben, um Fortschritte in der Industrie zu ermöglichen. So haben beispielsweise die deutschen Regulierungsbehörden das Frequenzband von 3700 bis 3800 MHz der Industrie 4.0 sowie land- und forstwirtschaftlichen Anwendungen zugewiesen. In Deutschland scheint sich die Industrie für eigentümerbetriebene private drahtlose Netzwerke zu entscheiden. Dies kann dabei helfen, Geschäftsrisiken zu reduzieren und die Datenhoheit zu bewahren, da für die Verbindung zur Aussenwelt dedizierte Schnittstellen verwendet und kontinuierlich überwacht werden. Hersteller können ihre private drahtlose Kommunikation auch für die oft sehr anspruchsvollen Anforderungen industrieller Kommunikationsanwendungen konfigurieren. Und private drahtlose Netzwerke können unabhängig von öffentlichen Netzwerken betrieben werden, so dass der Fabrikbetrieb auch bei Überlastung oder Ausfall des öffentlichen Netzes fortgesetzt werden kann. In vielen weiteren Ländern, wie auch in der Schweiz, können die Mobilfunkbetreiber das erforderliche Frequenzspektrum bereitstellen und damit die Mobilfunktechnologie für die industrielle Nutzung mit den oben genannten Vorteilen zugänglich machen.

Aber wie sieht es mit den weitverbreiteten Wi-Fi-basierten Industrielösungen aus? Viele haben sich für isolierte Anforderungen als ausreichend erwiesen. Sie sind jedoch in Bezug auf Abdeckung, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Leistung, Mehrbenutzerkapazität und Mobilität begrenzt. Sie werden uns, einfach ausgedrückt, nicht auf die Stufe bringen, die von der Industrie 4.0 gefordert wird.

In Fabriken, Minen, Hafenterminals oder Flughäfen wurde Wi-Fi ausprobiert. In vielen Fällen wird es noch verwendet, oftmals jedoch bereits in seinem Grenzbereich betrieben. So gibt es beispielsweise im Tagebau derzeit eine Reihe von Fällen, in denen grosse Bergwerke autonome Lastwagen einsetzen. In ersten Tests mit Wi-Fi verloren LKWs oft die Netzwerkverbindung wenn sie von einer Wi-Fi-Zone zur nächsten fuhren. Wi-Fi schafft es nicht, die Übergabe zuverlässig und reproduzierbar gut durchzuführen, da es sich nicht um ein wirklich mobiles Protokoll handelt. In diesem Fall wurden die Fahrzeuge natürlich so konfiguriert, dass sie aus Sicherheitsgründen sofort anhalten. Doch es kann bis zu einer Minute dauern, bis die Verbindung wiederhergestellt ist. Zudem kommt es zu Verschleiss an Reifen und Mechanik, wenn ein 390 Tonnen schweres Fahrzeug, das Erz transportiert, plötzlich anhält – nicht zu reden vom Risiko eines möglichen Kontrollverlustes, sollte das Stopp-Manöver an einem steilen Abhang vor sich gehen. Mit einer wirklich mobilen Funktechnologie wie LTE oder 5G ist all dies kein Problem – es sei denn, der LKW fährt schneller als 350 km/h. LTE versorgt heute schon autonome LKW-Anwendungen rund um den Globus.

Wi-Fi hat noch andere Mängel. Es ist nicht besonders sicher und kann recht einfach gehackt werden. LTE und 5G sind hochsicher. In einem Jahrzehnt der Nutzung in öffentlichen Mobilfunknetzen wurde LTE bisher noch nie gehackt. Auch wenn Wi-Fi eine sehr hohe Leistung erbringen kann, einschliesslich relativ niedriger Latenzzeiten, ist dies nur möglich, wenn es nur wenige Geräte pro Zugangspunkt gibt. Mit wachsender Zahl von angeschlossenen Geräten oder zunehmender Höhe der geforderten Bandbreite sinkt die verfügbare Leistung an den bereits angeschlossenen Geräten. Diese mangelnde Vorhersagbarkeit ist ein kritisches Problem für viele automatisierte Abläufe. An einem Wi-Fi-Zugangspunkt können 30 bis 50 Geräte angeschlossen werden. Eine LTE-Funkzelle hingegen kann 840 aktive und mehrere tausend angeschlossene Geräte aufnehmen. Und weil sie die Nutzung des Spektrums unterschiedlich verwaltet, stellt sie sicher, dass alle Benutzer das gleiche Niveau an konsistenter, zuverlässiger Leistung erhalten.

Vollständig implementiert, wird Industrie 4.0 weitaus mehr Geräte in den Betrieb einführen, so dass die hohe Anzahl der angeschlossenen Geräte relevant wird. Ebenfalls relevant ist die fehlende Unterstützung für Low-Power-IoT-Geräte mit Wi-Fi, während LTE/4.9G und 5G über Schmalband-IoT (NBIoT) und LTE-M-Unterstützung verfügen und ein einziges Netzwerk für alle Anwendungen bieten.

«Industrie 4.0 gepaart mit sicheren und agilen privaten Funknetzwerken wird eine signifikante Produktivitätssteigerung für die Schweizer Industrie bringen. Bell Labs Modellierungen haben ergeben, dass 10 bis 30 Prozent durch effizientere Nutzung von Ressourcen einerseits und flexiblere Adressierung von neuen Marktchancen andererseits möglich sind», erklärt Dr. Herbert Mittermayr, Partner bei Nokia Bell Labs.

Es gibt viele Gründe, sich für Industrie 4.0 zu begeistern. Die Einsatzmöglichkeiten für Automatisierung, maschinelles Lernen und Sensoren sind nahezu unbegrenzt. Die Entwicklung sicherer, erschwinglicher und zuverlässiger Industrie-4.0-Anwendungen steht erst am Anfang. Ein Grossteil davon kann heute mit LTE/4.9G abgewickelt werden. Und in naher Zukunft wird 5G all das unterstützen, wovon wir heute nur träumen können.

Um mehr darüber zu erfahren, was die nächste Generation von industrietauglichen privaten Funknetzen für Sie tun kann, besuchen Sie uns auf www.nokia.com/networks/go-allwhere/private-wireless.

Daniel Anklin

Daniel Anklin ist Solution Architekt bei der Nokia Schweiz AG und erarbeitet individuelle Lösungen für deren Kunden.

Artikel teilen: Verbindung hergestellt: Industrie 4.0 mit industrietauglichen privaten Funknetzen