Um eminent wichtige Basisinfrastrukturen ging es auch beim 20. asut-Kolloquium vom 13. Dezember 2019 im Berner Kursaal – um die nämlich, welche die Mobilität der Zukunft ermöglichen werden. Sie werden, weil die physischen Mobilitätsinfrastrukturen kaum mehr erweiterbar sind, die Form eines Ökosystems annehmen müssen, welches analoge und digitale Ressourcen und Dienste effizient, flexibel, leistungsfähig und kundenfreundlich vernetzt. Der dafür nötige Umbau, so das Fazit des 20. asut-Kolloquiums, muss jetzt beginnen.
Eins ist sicher: Die Mobilität der Zukunft wird Spass machen. Hans-Kaspar Schiesser und Doris Wiederwald in der eBuxi-Rischka.
Die Verkehrsströme auf Strassen, Schienen und in der Luft nehmen stetig zu. Doch während die Infrastrukturen aus allen Nähten platzen, werden der Raum und die finanziellen Mittel zu ihrer Erweiterung immer knapper. Neue Technologien können einen Ausweg aus dieser Zwickmühle bieten. Dies der thematische Rahmen, den das 20. asut-Kolloquium, eine von asut gemeinsam mit dem Bundesamt für Strassen (ASTRA), der Mobilitätsplattform its-ch und dem Touring Club Schweiz (TCS) organisierte Fachtagung, aufspannte. Und innerhalb dessen diverse Mobilitätsexperten konkrete Lösungen sowie Strategien zur Beseitigung möglicher Hindernisse präsentierten.
Die Digitalisierung ist einer der wichtigsten Treiber für eine umweltverträglichere Mobilität. Sie ermöglicht es, Mobilität auf neue Art und Weise zu gestalten und zu steuern. So kann der Einsatz von Fahrassistenzsystemen die Effizienz im Bahnverkehr um einiges potenzieren, wie Oliver Kaiser, Stadler Bussnang AG, aufzeigte. Für Stephan Widrig, CEO Flughafen Zürich, hilft die wachsende Datennutzung in der Mobilität nicht nur beim Aufbau von innovativen Geschäftsmodellen, sondern auch dabei, den Flughafenbetrieb zu optimieren und den CO2-Ausstoss bis 2050 auf Null zu senken. Auch für Normann Frisch, Chairman der eLTE Industrie Allianz und Marketing Direktor der Huawei Enterprise Business Group sind Mobilitätsdaten der Sesam für eine nachhaltigere Mobilität der Zukunft. Er berichtete, wie die Behörden in Mega-Cities wie Shenzen angesichts des drohenden Verkehrskollapses die Situation mithilfe von Big Data zu entschärfen und die Stadt wieder lebenswert zu machen suchen: Die Analyse von überall auf dem Stadtgebiet erhobenen Daten könne ganz wesentlich zur Optimierung der Verkehrssteuerung, der Energieversorgung und der Stadtplanung beitragen.
Tempo machen
Wie komplex die Herausforderungen und wie vielfältig die Erwartungen sind, denen die Mobilität der Zukunft gerecht werden sollte, wurde aus einem lebhaften Gespräch deutlich, das den Höhepunkt des Tages bildete: Klimaaktivistin und Gymnasiatin Meret Schefer, Hans Kaspar Schiesser, begeisterter Initiant des ÖV-ergänzenden Mitfahrdienstes «EBuxi», Unternehmensberaterin Katja Diehl und Corinne Vogel, Mitbegründerin des weltweit ersten stationslosen E-Bike-Verleihsystems waren sich einig, dass die digitale Transformation dabei helfen könne, die Tür-zur-Tür-Mobilität umweltfreundlicher und gleichzeitig attraktiver zu gestalten. Alle vier gaben aber auch zu verstehen, für wie dringend sie diese Änderungen erachten. Und gemeinsam lancierten sie einen Appell an die Behörden, innovative Ideen junger Privatunternehmen im Bereich der nachhaltigen Mobilität nicht durch zu viel Regulierung zu ersticken. Oder durch Vorbehalte, die nicht mehr zeitgemäss seien: So wunderte sich Corinne Vogel darüber, dass in noch immer mit Autos verstopften Städten ein paar herumstehende E-Bikes als Ärgernis empfunden würden.
Das sich etwas ändern müsse, davon zeigte sich auch der britische Verkehrsexperte Eric Sampson von der Newcastle University überzeugt. Doch der Vision einer neuen Welt der intelligenten und grenzenlosen Mobilität, mit null Verkehrstoten und Netto-Null-Emissionen stehe zurzeit die mangelnde Kooperationsbereitschaft von Regulationsbehörden, Mobilitätsanbietern und Mobilitätskunden noch im Wege. Damit sprach er asut-Präsident Peter Grütter aus dem Herzen, der den Teilnehmenden zum Beginn der Tagung in Erinnerung rief, dass das Rückgrat einer smarten und datengestützten Mobilität eine leistungsfähige Mobilfunktechnologie ist: «Wir sollten deren Ausbau im Interesse der ganzen Schweiz nicht verhindern», sagte Grütter.
Zürich-Genf in 17 Minuten
Vielerorts wurde die Dringlichkeit zur Kooperation und zur Umsetzung intelligenter Mobilitätskonzepte aber bereits erkannt. In Österreich unterstützt AustriaTech, die Gesellschaft des Bundes für technologiepolitische Massnahmen, die Transformationsprozesse im Mobilitätsbereich, denen Städte allein nicht gewachsen sind. So etwa indem sie innovativen Ideen aus Forschung und Entwicklung Experimentierräume oder «Sandboxes» zur Verfügung stellt und ihnen damit auf den Weg in die Praxis hilft, wie Doris Wiederwald, Teamleaderin Mobilitätspolicy bei AustriaTech, erläuterte: «Das Chaos mit den E-Scooter in vielen urbanen Räumen etwa wäre durch so ein Durchspielen im ‘Sandkasten’ vermeidbar gewesen», sagt Wiederwald. Sandkastenwürdige Ideen präsentierte Björn Bartholdy, ein Professor für Media Design, dessen Ansicht nach moderne Mobilität viel vom Gamen lernen könnte. Und Denis Tudor, CEO und Co-Gründer von Swisspod Technologies, entführte die Anwesenden in eine Zukunft, wo dank des Hyperloops, einem unter Teilvakuum stehenden Röhrensystem, die Reisezeit zwischen Genf und Zürich nurmehr 17 Minuten betragen soll.
In der Schweiz steht, wie eine in Kooperation zwischen PwC Schweiz und der Universität St. Gallen (HSG) erarbeitete und am aust-Kolloquium erstmals vorgestellte Studie aufzeigt, die Mobilität zurzeit am Scheideweg. Die Mobilitätslandschaft ist fragmentiert, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei den etablierten Akteuren eher gering. Um die neuen Herausforderungen zu bewältigen, ist laut der Studie ein Umdenken hin zu mehr Kollaboration und Partnerschaft aber dringend nötig. Die Studie definiert sieben Stossrichtungen, die dabei helfen sollen, bestehende Barrieren zu überwinden und das aktuelle Mobilitätssystem in Richtung eines vernetzten Ökosystems mit institutionalisierten Rahmenbedingungen umzubauen. Dazu gehören, wie Gabriele D’Achille (PwC Schweiz) und Michaela Leitner (HSG) ausführten, allen voran die Definition einer gesamtschweizerischen Vision und Governance für neue Mobilitätsentwicklungen, gezielte Anreize für mehr Kooperation, der Austausch von Mobilitätsdaten und die Ausrichtung bestehender Verkehrsinfrastrukturen auf mehr Vernetzung und Intermodalität und – warum nicht – ein Amt für Mobilität.
Es war Aufbruchsstimmung zu spüren an diesem 20. Asut-Kolloquium, Zuversicht und Engagement. Die Tage der verstopften Strassen und überlasteten Schienen scheinen gezählt.