Intelligenter Artenschutz
Wenn ein Schuss fällt, ist es schon zu spät. Während Jahren kämpften die Ranger in einem 60'000 Hektaren grossen Naturreservat in Südafrika vergeblich gegen Wilderer, die es auf die Hörner der gutmütigen Kolosse abgesehen haben. Jetzt helfen ihnen Sensoren, intelligente Kameras, Funk und hohe Rechenkapazitäten dabei, rechtzeitig zur Stelle zu sein.
(cdh) – Es gibt nicht mehr viele Nashörner auf der Welt. In den letzten 10 Jahren hat sich ihr Bestand zwar wieder etwas erholt – von weniger als 21'000 im Jahr 2009 auf etwas über 27'000 im Jahr 2019. Doch in den letzten Jahren war die Tendenz wieder rückläufig. Allein 2019 fielen in Afrika 900 Nashörner Wilderern zum Opfer.
Seit 2015 kämpfen die globalen Technologieunternehmen Dimension Data und Cisco gegen die Tendenz an. Der originelle Ansatz ihres Programms Connected Conversation ist es, nicht die Tiere selber zu überwachen, sondern alles, was sich in ihrer Umgebung aufhält und bewegt, mithilfe eines intelligenten Netzwerkes zu auzuzeichnen. Dieses besteht aus einem Reserve Area Netzwerk (RAN), WLAN-Hotspots, Überwachungsanlagen, Drohnen mit Infrarot- und Wärmebildkamera, seismische Sensoren, die jede Erschütterung des Bodens erfassen, sowie Sensoren zur Fahrzeugverfolgung. Das erlaubt es, den Wilderern proaktiv das Handwerk zu legen.
Seit die Connected-Conversation-Technologien in einem 60'000 Hektaren grossen privaten Wildschutzgebiet in der Nähe des Kruger-Nationalparkszum Einsatz kommen, konnte die Nashornwilderei um 96 Prozent reduziert werden. Das Projekt ist so erfolgreich, dass es nun auf Sambia, Kenia und Mosambik ausgeweitet wird.
Den wilden Nachbarn auf der Spur
Sie sind zwar vielleicht weniger spektakulär als die Big Five der Savanne, aber Igel, Biber, Fuchs und Marder, Blindschleichen und Maulwürfe sind unsere Nachbarn. Wir teilen ihren Lebensraum und nur wenn es ihnen einigermassen gut geht, müssen wir uns nicht um unsere eigene Lebensqualität sorgen. Das Projekt «Wilde Nachbarn» geht von der Prämisse aus, dass der Wettlauf für eine nachhaltige Entwicklung im Siedlungsgebiet entschieden wird.
Wo Mensch und wilde Tiere nahe beieinander leben, bekommen erstere die letzteren nur selten zu Gesicht: Die Tiere verstecken sich, weichen aus, sind nachtaktiv. «Wilde Nachbarn» will diese heimlichen Siedlungsbewohner sichtbar und erlebbar machen. Dazu werden gemeinsam mit der Bevölkerung Beobachtungen von Wildtieren gesammelt. Der Zweck ist doppelt: Einerseits lernen die Menschen die wilden Tiere im Siedlungsraum kennen und werden für die Natur vor ihrer Haustür sensibilisiert. Andererseits erhält die Wildtierforschung wertvolle Daten mit deren Hilfe sie Wissenslücken zum Vorkommen und zur Verbreitung von Wildtieren im Siedlungsraum schliessen und gezielte Schutzmassnahmen treffen kann.
«Wilde Nachbarn» arbeitet also mit den Methoden der CitizenScience oder Bürgerwissenschaft, bei deren Projekten auch Laien mitarbeiten können. Der Gedanke dahinter ist, dass in der Gesellschaft viel Expertise und Know-how vorhanden ist, das die Wissenschaft weiterbringen kann. Dank digitaler Tools und Social Media erlebt die CitizenScience zurzeit einen wahren Boom. Denn ein Smartphone und das Handynetz genügen, um Daten zusammenzutragen und selbst umfangreiche Projekte zu realisieren, die ganze Länder oder sogar Kontinente umfassen können. Die Universität Zürich und die ETH Zürich haben 2018 ein Kompetenzzentrum Citizen Science eröffnet.
Auch für die Finanzierung von Forschungsprojekten eröffnet die Digitalisierung neue Wege: So werden zurzeit auf www.wildenachbarn.ch per Crowdfunding Mittel für ein Projekt gesucht, das den grossen Abendsegler, eine einheimische Fledermausart, und seine Baumhöhlen schützen will und dazu Radiotelemetrie- und GPS-Sender benötigt.
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