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The new normal: Aktuelle Digitaltrends und Use Cases
Ausgabe
01/2021
Die digitale Stadt verbindet die Vorzüge beider Welten

Die Stadtverwaltung hat funktioniert, dank digitaler Instrumente und Prozesse. (Foto: zvg. Stadt Zürich)

2018 beschloss die Stadt Zürich im Rahmen ihrer Smart-City-Strategie, die digitale Transformation in der Stadtverwaltung zu beschleunigen. Wo steht sie mit diesem Vorhaben? Andreas Németh, Direktor OIZ, spricht über den Stand der Dinge, Erkenntnisse aus der Pandemie und den Arbeitsplatz der Zukunft.

Was verstehen Sie unter digitaler Transformation?

Tatsächlich gibt es hier Erklärungsbedarf, denn oft wird digitale Transformation mit Digitalisierung gleichgesetzt. Doch die Begriffe meinen nicht dasselbe: Digitalisierung bezieht sich auf neue informationstechnische Möglichkeiten, der Treiber dahinter ist die Technologie. Demgegenüber steht die digitale Transformation für die Auswirkungen dieser Technologien auf Gesellschaft, Wirtschaft und andere Lebensbereiche. Dank digitaler Technologien können Arbeitsprozesse vereinfacht, verknüpft oder automatisiert werden. Das eröffnet Unternehmen und Organisationen ganz neue Möglichkeiten, Produkte und Dienstleistungen zu verbessern, sich neue Geschäftsmodelle oder Zielgruppen zu erschliessen. Von einer digitalen Transformation ist allerdings erst dann die Rede, wenn diese Möglichkeiten auch genutzt werden – es geht also nicht einfach um Automatisierung.

Haben Sie hierfür ein Beispiel aus der Stadtverwaltung?

Ich denke etwa an die E-Government-Angebote der Stadt Zürich. Die Bevölkerung nutzt diese Online-Services rege, die Zahl der Schalterbesuche nimmt ab. Dadurch kann die Verwaltung Ressourcen bündeln. So ist die geplante Zusammenführung der zwölf Kreisbüros an drei zentralen Standorten ein klassischer Fall eines erfolgreich angepassten Geschäftsmodells, das aus der digitalen Transformation resultiert.

Der Strategie-Schwerpunkt «Digitale Stadt» sieht vor, digitale Prozesse und Instrumente in sämtlichen Bereichen zu optimieren. Wo steht die Stadt Zürich hier mit diesem Vorhaben?

Wir sind auf vielen Ebenen mit Digitalisierungsvorhaben unterwegs. Dazu gehört der Ausbau der Online-Angebote für die Bevölkerung, der laut Strategie-Schwerpunkt zu den wichtigsten Handlungsfeldern gehört: Über «Mein Konto», den zentralen Zugang zu den städtischen Online-Services, können mittlerweile 37 verschiedene Dienstleistungen bezogen werden. Neuerdings lassen sich Steuern online verwalten, und unsere soeben lancierte Login-App «Zürich Access» macht den Zugang zur Plattform noch unkomplizierter. Weitere Services sind in Realisation. Ein aus meiner Sicht zentraler Punkt des Strategie-Schwerpunkts betrifft die Digitalisierung stadtinterner Prozesse. Auch da hat sich einiges getan.

Wir denken heute pragmatischer. Wo es vorher hiess, es gehe nicht, geht es jetzt oft doch – und dazu erstaunlich gut.

Erzählen Sie.

Da ist etwa die Kreditorenverarbeitung, die zentral organisiert und digitalisiert worden ist, oder das erfolgreich auf den Weg gebrachte Vorhaben des digitalen Posteingangs. So wird zukünftig sämtliche Briefpost an die Stadtverwaltung digitalisiert, und die interne Weiterleitung erfolgt über den elektronischen Kanal – ohne Medienbrüche, die den Prozess erschweren. Im Rahmen einer Zusammenarbeit von OIZ mit HRZ wurden im vergangenen Jahr ausserdem Bewerbungs- und Rekrutierungsverfahren digitalisiert, ebenso Prozesse wie Zielvereinbarungen mit Mitarbeitenden. Gemeinsam mit dem Sozialdepartement hat OIZ ausserdem ein wegweisendes Pilotprojekt realisiert. Im Sozialdepartement fallen pro Jahr rund eine Million Belege an, von denen jeder einzelne manuell erfasst werden musste. Wir haben ein System entwickelt, das Mitarbeitenden diesen Aufwand erspart.

Wie?

Neu können sie solche Belege einscannen. Daraus resultiert aber keine gewöhnliche elektronische Kopie – die Daten werden so erfasst, dass sie maschinenlesbar sind und automatisiert verarbeitet werden können. Dank Machine Learning lernt das System neu dazu, es kann also mit der Zeit einen Apothekerbeleg von einem Lohnausweis oder eine Rechnungs- von einer Bestellnummer unterscheiden und das Dokument richtig zuordnen. Diesen Service stellen wir nun auch anderen Dienstabteilungen zur Verfügung.

Die Corona-Pandemie hat dem digitalen Wandel erheblich Vorschub geleistet. Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus dem vergangenen Jahr?

Vor der Corona-Krise hatten viele Mitarbeitenden keine Erfahrung mit Homeoffice und einen unterschiedlichen Wissenstand, was die Anwendung der digitalen Werkzeuge betrifft. Doch die Lernkurve zeigte rasch nach oben, und es stellte sich heraus, dass wir mit unserer Infrastruktur über ein sehr leistungsfähiges Fundament verfügen. Das ist für mich eine Erkenntnis, die Vertrauen schafft. Eine weitere betrifft die eindrückliche Erfahrung, welchen Einfluss Teamgeist auf unsere Fähigkeit hat, agil zu bleiben. Es war eine Freude zu sehen, wie sich Teammitglieder selbst organisiert und einander unterstützt haben. Dass es als Führungsperson genau darum geht, diese gemeinsame Identität zu pflegen, gehört für mich zu den wichtigsten Erfahrungen aus der Pandemie. Es geht darum die Vorzüge beider Welten (virtuell und/oder Präsenz) gewinnbringend zu nutzen und eine Balance zu schaffen. Zu guter Letzt hat uns die Pandemie die Notwendigkeit der digitalen Transformation vor Augen geführt und dabei eine lösungsorientierte Sicht gefördert. Wir denken heute pragmatischer. Wo es vorher hiess, es gehe nicht, geht es jetzt oft doch – und dazu erstaunlich gut.

Auf welche Handlungsfelder legt OIZ derzeit den Fokus?

Hohe Priorität hat für uns weiterhin, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was digitale Transformation bedeutet – und die Dienstabteilungen beratend zu unterstützen, also aufzuzeigen, wie sie Digitalisierungspotenzial erkennen und zu ihrem Vorteil umsetzen können. Denn Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie soll uns nützen. Das Fundament dafür bildet unsere Basisinfrastruktur, in die wir weiter investieren und automatisieren. Darüber hinaus möchten wir weitere Projekte mithilfe von Machine Learning umsetzen. Und wir wollen das Potenzial der Datenanalyse stärker ausloten. Etwa im Rahmen einer Zusammenarbeit mit ewz, die den Aufbau eines stadtweiten Funknetzes betrifft. Dieses eignet sich speziell für sogenannte Internet-der-Dinge-Anwendungen, die Informationen einfach und kostengünstig erheben können – sei es zur Luftqualität, Wasserständen oder freien Parkfeldern.

Stark an Bedeutung gewonnen hat auch der Einsatz von Cloud-Services.

Ja, wir nutzen vermehrt das Potential von Cloud-Services und haben dafür aus betrieblicher und rechtlicher Sicht die Grundlagen geschaffen. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist auch die Informationssicherheit. Seit 2018 betreiben wir ein eigenes Security Operation Center, das uns erlaubt, potentielle Angriffe noch früher zu erkennen und schneller darauf reagieren zu können.

In der zweiten Jahreshälfte soll der Arbeitsplatz der Zukunft Realität werden. Was erwartet die städtischen Mitarbeitenden?

Instrumente, die die digitale Zusammenarbeit vereinfachen. Wir setzen dafür auf verschiedene Microsoft-Produkte, im Zentrum steht Microsoft Teams, das unterschiedliche Kommunikationskanäle und Angebote bündelt. So können Mitarbeitende beispielsweise Video-Calls durchführen, Dokumente gemeinsam bearbeiten oder für Sitzungen digitale Whiteboards nutzen. In einer ersten Phase werden wir alle städtischen Mitarbeitenden mit Microsoft Teams ausrüsten und das Programm auch auf mobilen Geräten verfügbar machen. So haben auch die rund 6000 Mitarbeitenden, die über keinen Büroarbeitsplatz verfügen, bessere Möglichkeiten zu Partizipation und Austausch. Zusammen mit HRZ unterstützen wir die Einführung des Arbeitsplatzes der Zukunft mit einem Trainingsprogramm, das die Digitalisierungskompetenzen der städtischen Mitarbeitenden weiter fördert. Dazu gehören natürlich das IT-Anwendungswissen, aber auch Selbst- und Sozialkompetenzen, die im digitalen Zeitalter wichtig sind, etwa im Bereich Führung. Es geht uns dabei darum, den Mitarbeitenden zu zeigen, wie sie mit den neuen Instrumenten leichter zusammenarbeiten können.

Gespräch aufgezeichnet von Martin Otzenberger, Leiter Kommunikation OIZ.

 

Andreas Németh

Andreas Németh ist seit Juni 2017 OIZ-Direktor. Er ist diplomierter Wirtschaftsinformatiker und hat ein Masterstudium in Organisationsentwicklung abgeschlossen.

 

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