asut-Bulletin
Gar nicht wolkig: Die Cloud
Ausgabe
02/2022
Eine souveräne Ausgestaltung der Cloud-Infrastruktur braucht Kenntnis der Schlüsseltechnologien

Vorgabe: «Swiss Cloud in the mountains», (created by starryai)

 

Von Marc Holitscher 

Der Erfolg von Schweizer Firmen in der globalen Wirtschaft hängt zusehends von ihrer Fähigkeit ab, datenbasierte Wertschöpfung voranzutreiben und neue Einnahmequellen aus digitalen Produkten und Dienstleistungen zu erschliessen. Gleichermassen beschleunigen Regierungen und Kunden des öffentlichen Sektors auf der ganzen Welt ihre digitale Transformation, um wirtschaftliches und soziales Wachstum zu schaffen und ihre Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger zu verbessern. Hierbei haben Cloud-Plattformen eine zentrale Bedeutung erlangt, indem sie digitale Innovation und den Datenaustausch effizient und sicher ermöglichen.

Der Hyperscale Cloud kommt dabei eine besondere Rolle zu. Gemeint ist damit eine sehr grosse Infrastruktur, bestehend aus einem weltumspannenden Netzwerk von modernsten Datacentern, die hochstandardisiert und automatisiert betrieben werden. Erst die Hyperscale Cloud ermöglicht die Skaleneffekte, die zentral sind hinsichtlich Sicherheit, Innovationskapazität und Kostenstruktur, aber auch betreffend Einhaltung von Datenschutzvorschriften.

Wirtschaftlich und politisch relevant

Sobald dieses Bereitstellungsmodell aufgebrochen wird, sobald man in kleineren oder fragmentierten Einheiten operiert, etwa einer rein nationalen Cloud, stehen diese Vorteile nicht mehr im gleichen Ausmass zur Verfügung. So ist allgemein anerkannt,  dass die Hyperscale Cloud in der Gesamtschau über eine höhere Sicherheitsleistung verfügt als herkömmliche Rechenzentren.
Ihr globaler Charakter und ihre Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung und das Leben der Menschen führt jedoch unweigerlich zu einem Spannungsverhältnis zwischen der Möglichkeit, die Cloud als Innovationsplattform zu nutzen und gleichzeitig den territorial definierten Hoheitsansprüchen einzelner Staaten gerecht zu werden.

Die Frage nach der Kontrolle über die digitalen Infrastrukturen ist folglich sowohl wirtschaftlich wie auch politisch höchst relevant. Dabei sind die Nutzung der Skaleneffekte und ihrer Vorteile ins Gleichgewicht zu setzen mit der Sicherstellung der zentralen Staatsfunktionen. Dazu gehören die Hoheit über die Daten der Bürgerinnen und Bürger, ihr Schutz vor unrechtmässigem Zugriff sowie die Aufrechterhaltung des Betriebes auch in ausserordentlichen Umständen.

Digitale Souveränität bedeutet also, dass Nationen ihr Recht in Anspruch nehmen, ihre eigenen Regeln und Vorschriften für die Nutzung von Technologie zu definieren. Ein Blick auf Europa zeigt, wie breit das Spektrum der Souveränitätspräferenzen ist. Die von den Regierungen gewählten Lösungen sind unterschiedlich und können sich im Laufe der Zeit je nach Umständen auch ändern.

Die Essenz der digitalen Souveränität

Auch in der Schweiz wird derzeit politisch diskutiert, wie der Hoheitsanspruch über die digitalen Infrastrukturen künftig ausgestaltet werden soll. Wichtig dabei ist, dass dies kein Entweder-Oder ist, existiert in der Schweiz doch eine Vielfalt an Bereitstellungsformen, z. B. Hyperscaler mit lokaler Datenhaltung, Schweizer Hoster oder Eigenbetrieb. Diese müssen in Abhängigkeit der Datenkategorie und dem entsprechenden Schutzbedarf bestimmt werden. Die Hyperscale Cloud sowie herkömmliche Rechenzentren bieten dabei technische, organisatorische und vertragliche Kontrollmechanismen, die es erlauben, selbstbestimmt zu definieren, wo sich die Daten befinden sollen und wer von wo aus auf sie zugreifen kann. Der Schweizer Markt bietet also bereits jetzt sämtliche Voraussetzungen für den Aufbau und Betrieb einer sicheren und innovationsfähigen Infrastruktur: Hyperscaler mit lokaler Präsenz, ein breit gefächertes Ökosystem von lokalen Anbietern und eine vielfältige Landschaft von kompetenten Partnern. Der Schlüssel liegt darin, die bestehenden Komponenten bedürfnisgerecht zusammenzustellen, also Mischformen zu nutzen. Stichworte sind hybride oder Multi-Cloud-Architekturen.

Voraussetzung für selbstbestimmtes Handeln sind die Kenntnis der Schlüsseltechnologien sowie die Fähigkeit, diese zielgerichtet einzusetzen. Microsoft leistet einen konkreten Beitrag zur Förderung dieser Schlüsseltechnologien in der Schweiz, beispielsweise durch Kooperationen mit der ETH und der EPFL. Im Rahmen des so genannten Swiss Joint Research Centers werden Technologien wie Confidential Compute weiterentwickelt. Diese garantieren die vollständige Verschlüsselung der Daten auch während der Bearbeitung und verunmöglichen damit den Fremdzugriff technisch komplett.

Die Verfügbarkeit und Kenntnis der Schlüsseltechnologien sowie die Fähigkeit, diese zielgerichtet einzusetzen, sind die Essenz der digitalen Souveränität. Die Schweiz kann hier mit einem differenzierten und wertebasierten Ansatz vorangehen, der auf modernster Technologie aufbaut und es gleichzeitig erlaubt, die Vorteile der digitalen Wirtschaft und offener Märkte zu nutzen und die legitimen Ansprüche betreffend Kontrolle und Transparenz zu erfüllen.

 

 

Marc Holitscher

Marc Holitscher ist National Technology Officer (NTO) bei Microsoft Switzerland.

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