Der Verbrennungsmotor und damit das Auto, wie wir es heute kennen, ist vermutlich ein Auslaufmodell. Diese Sicht vertraten verschiedene Experten am asut-Kolloquium. Bedeutet das gleichzeitig, dass die Autoindustrie obsolet wird? Wilfried Steffen, bis vor kurzem Leiter Business Innovation beim Autohersteller Daimler, referierte darüber, ob und wie sich die Automobilindustrie neu erfinden muss, um in der zukünftigen Mobilitätswelt weiterhin eine Rolle zu spielen.
Wilfried Steffen ist überzeugt, dass der Wunsch nach individueller Mobilität nach wie vor ungebrochen ist. Doch im Zeitalter der emissionsfreien Fahrzeuge, der intelligenten Vernetzung und der digitalisierten Nutzungsformen muss er nun eben anders befriedigt werden. Mag sein, dass für viele klassische Geschäftsmodelle deshalb das letzte Stündlein geschlagen hat. Doch gleichzeitig ermöglicht die Digitalisierung unzählige neue Geschäftsideen: Der E-Commerce zieht in den Mobilitätsbereich ein, traditionell gewachsene Strukturen werden durcheinandergeworfen, der Autobesitz und damit die Gestaltung ganzer Städte wird neu definiert, branchenfremde Marktteilnehmer bringen frischen Wind.
Grosses Wachstumspotenzial sieht Steffen auch im autonomen Fahren. McKinsey rechne damit, dass bis 2030 bereits 15 Prozent aller Autos autonom fahren werden. Das wird älteren Menschen, Behinderten oder Kindern eine ganz neue Bewegungsfreiheit ermöglichen. Einen weiteren wichtigen Trend stelle die Elektromobilität dar, die seit dem Markteintritt von Tesla und dem Dieselgate rund um VW nicht mehr als nette Utopie belächelt werde.
Urbanisierung, Digitalisierung, Elektrifizierung, Autonomie: Die Automobilindustrie wird von den globalen Trends mitgetrieben und kann gewiss nicht weitermachen, wie bisher. Sie müsse sich, sagt Wilfried Steffen, öffnen, neue Services anbieten, neue Partnerschaften, insbesondere mit der ICT-Branche eingehen. Gleichzeitig hat sie neuen Playern gegenüber den Vorteil, dass die Verkehrsnutzenden ihre Marken seit Jahrzehnten kennen und ihnen vertrauen. Autokonzerne seien gerade für Start-ups deshalb ideale Partner, da sie nicht nur Kapital und die Organisation, sondern auch einen ganzen Kundenstamm mitbrächten, um neue Ideen sofort zu testen.
Muss sich die Automobilindustrie also neu erfinden? Ja, gewiss, aber sie ist, sagt Wilfried Steffen, schon dabei und mittendrin: «Sie ist heute für neue Ideen und neue Partnerschaften offener als je zuvor.»