Von Olaf Schulze, Swisscom
Swisscom hat kürzlich angekündigt, 100 Millionen Franken in die künstliche Intelligenz zu investieren. Damit stärkt sie nicht zuletzt die Souveränität der Schweiz. Denn die oft sensiblen Daten, die je nach Anwendung in der KI verarbeitet werden, sollten nicht unbedingt internationalen Playern anvertraut werden.
Wenn es derzeit ein Hype-Thema in der Technologiewelt weltweit gibt, dann ist es schnell gefunden: KI – die künstliche Intelligenz oder Artificial Intelligence (AI). In der EU wird derzeit ein europäisches KI-Gesetz mit hohem Tempo auf den Weg gebracht. Und auch die Schweizer Politik beginnt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Doch der grosse Hype kommt aus der Wirtschaft selbst. Investoren überschlagen sich mit Kapitalspritzen und stecken Milliarden bis Billionen in die Entwicklung dieser neuen Technologie.
Künstliche Intelligenz, auch bekannt als maschinelles Lernen, wird seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Bei Swisscom ist sie bereits fester Bestandteil in Form von Chatbots oder auch, um durch KI-gestützte Analysen das Mobilfunknetz stabiler und schneller zu machen. Doch mit GenAI, der generativen künstlichen Intelligenz, ist die Technologie schlagartig in den öffentlichen Fokus gerückt. Kam AI «früher» vor allem in der Datenanalyse zum Einsatz, so erschafft die generative AI (GenAI) Inhalte wie aus Zauberhand. Auf einmal lassen sich Texte, Bilder und Videos auf Knopfdruck generieren. Und die Nutzung ist dank ChatGPT, Midjourney & Co bereits breit in der Bevölkerung angekommen.
Doch kurz, um was es überhaupt geht: GenAI basiert auf einem grundlegenden Modell des maschinellen Lernens. Grosse Sprachmodelle (LLM Large Language Model) werden mit gigantischen Datenmengen trainiert, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen. In diesem grossen Sprachmodellen können verschiedene Arten von Daten – sei es in der Genomik, Bildverarbeitung oder Sprachanalyse – verarbeitet und interpretiert werden. So können komplexe Sachverhalte erkannt und passende Vorschläge generiert werden. Insgesamt bietet GenAI eine leistungsfähige Methode zur Analyse und Nutzung von Daten, um Probleme anzugehen und innovative Lösungen zu schaffen. Wichtig hervorzuheben ist dabei: Die AI bewegt sich in dem Rahmen, in dem sie trainiert wurde. Sie erschafft keine gänzlich neuen Ideen.
In drei Lebensbereichen wird AI höchstwahrscheinlich als erstes grössere Veränderungen bringen: In Gesundheit, Bildung und in unserer Arbeitswelt. Im Gesundheitswesen liegt das grosse Potential von AI in der Diagnose und bei der Entwicklung neuer Medikamente. In der Bildung könnte AI individuell auf Inhalt, Umfang und Art des Lerntyps eingehen. Besonders zu spüren bekommen wir die AI im täglichen Leben und zwar speziell in unserem Arbeitsumfeld. Repetitive Arbeiten wie Reportings, Analysen oder auch die Protokollierung von Prozessen und Abläufen werden bald AI-unterstützt erfolgen. Kreative Umsetzungen werden durch AI sekundiert. Und auch im Bereich der Programmierung wird die AI zu mehr Effizienz führen.
AI-Lösungen für die Schweiz
Swisscom hat kürzlich angekündigt, 100 Millionen Franken in AI zu investieren. Dazu arbeitet sie eng mit NVIDIA zusammen, greift aber auch auf bestehende Partnerschaften mit AWS und Microsoft zurück. In einem ersten Schritt geht es um den Aufbau von Full-Stack-Supercomputern mit generativer AI in der Schweiz. Der Schwerpunkt wird jedoch darauf liegen, vertrauenswürdige AI-Anwendungen zusammen mit Kunden und Partnern in der und für die Schweiz zu entwickeln. In der Schweiz haben wir – auch dank ETH und EPFL – die richtigen Ressourcen und Fachkräfte. Dabei geht es in erster Linie nicht darum, möglichst grosse Basismodelle zu entwickeln. Vielmehr werden Kunden bei ihren spezifischen AI-Anwendungen mit ihren eigenen Daten individuell begleitet. Modelle werden so angepasst, dass sie den Kunden den gewünschten Mehrwert bieten. Vier Schritte sind dabei wesentlich:
- Zusammen mit den Kunden die Herausforderungen verstehen
- Das Modell adaptieren
- Relevante Daten sicher verfügbar machen
- Lösungen in die bestehende IT- und Prozess-Landschaft integrieren
Mit ihrer Investition in den Ausbau einer Schweizer AI stärkt Swisscom die Souveränität der Schweiz. AI verarbeitet je nach Anwendung sensible Daten, die häufig nicht einem internationalen Player mit einer Datenverarbeitung im Ausland anvertraut werden sollten. Firmen und deren Kunden benötigen eine vertrauenswürdige AI. Denn viele Modelle der internationalen Anbieter sind eine Blackbox, was den Umgang mit Daten betrifft. Der EU Al Act wird die Anforderungen zudem weiter erhöhen.
Viele Rahmenbedingungen für den Einsatz von AI sind derzeit noch unklar. Firmen sind daher zunächst einmal selbst gefordert, sich Gedanken zu machen, wie AI effizient, wirtschaftlich und vor allem auch ethisch vertretbar eingesetzt werden sollte. Swisscom arbeitet derzeit mit Hochdruck an der Umsetzung einer eigenen Al Governance, die für die Umsetzung von Projekten klare Leitlinien geben wird. Denn nicht nur für Kunden soll die AI-Revolution verfügbar gemacht werden. Auch in der Telekommunikationsbranche selbst, wird AI einen grossen Nutzen bringen. Für Customer Care kann der Einsatz zu einer besseren Kundenbetreuung und schnelleren Problemlösung führen. Der Netzbau kann optimiert werden. Und der Zugriff auf die zahlreichen Wissensdatenbanken wird für Mitarbeitende viel einfacher. Damit wird auch dem Fachkräftemangel ein stückweit entgegengewirkt.
Das Gute zum Schluss: AI wird unsere Art zu arbeiten und zu leben beeinflussen. Aber überflüssig wird sie uns bis auf Weiteres nicht machen. Denn der AI wird auch in Zukunft die menschliche Intuition und die Kreativität fehlen. Auch wenn jeder seine Bilder dank AI einfach und schnell bearbeiten kann, wird niemand über Nacht zum Fotografen. Und auch wenn dank ChatGPT einfache Programme durch Texteingabe generiert werden können – niemand wird einfach Programmierer und kann die Vorschläge der AI kritisch überprüfen. Dafür braucht es weiterhin Menschen, die kritisch und kreativ sind. Die Maschine kann unangenehme Aufgaben für uns übernehmen. Auch das dürfte für viele Anwender eine gute Entwicklung sein.