Von Peter Grütter, asut
Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Energie: Der Siegeszug der Elektrizität zu seinem Beginn, der anhaltende Triumph der fossilen Brennstoffe und dazu bis in die späten 70er-Jahre die Atomeuphorie trieben die Industrialisierung voran und den Aufschwung der mobilen Konsumgesellschaft. Auf der einen Seite hat dieses Jahrhundert Forschung, Technologie, Mobilität und Wohlstand einen ungeheuren Schub verpasst. Andererseits hat es die Probleme geschaffen, mit denen wir heute zu kämpfen haben: Klimakrise, Verkehrsüberlastung, Bevölkerungswachstum und Umweltschäden.
Doch nun hat ein neues Zeitalter begonnen: das Jahrhundert der Daten. Sie fallen überall in grossen Mengen an, werden übertragen, gespeichert, gesammelt und ausgewertet. Das Volumen der weltweit täglich verarbeiteten Daten beträgt enorme 1 1/4 Milliarden Gigabytes. Diese Daten ermöglichen tiefe Einblicke in die natürlichen und die menschgemachten Prozessketten, den optimierten Einsatz von Maschinen und Ressourcen aller Art, bahnbrechende Innovationen und neue Businessmodelle. Die Kommunikationsnetze, die zur Übertragung und Verarbeitung der Daten notwendig sind, sind zur systemkritischen Basisinfrastruktur geworden. Ohne Anbindung an eine moderne Netzwerk-, Kommunikations- und Dateninfrastruktur ist ein Land heute nicht überlebensfähig, oder zumindest nicht dafür gerüstet, im globalen Wettbewerb zu bestehen.
Dank Daten bekommen Dinge, die wir für leblos hielten, Augen, Ohren und einen Mund. Mithilfe von Sensoren, Chips und durch die Vernetzung können Maschinen, Fahrzeuge, Gebäude und selbst Landschaften Auskunft über ihren Zustand geben und mit anderen Maschinen, Fahrzeugen, Gebäuden oder Landschaften kommunizieren. Packt man die Künstliche Intelligenz und Lernende Systeme obendrauf, kommt zur Kommunikationsfähigkeit, die Fähigkeit, autonome oder teilautonome Entscheide zu treffen. Der Mensch wird dabei zunehmend vom Boots- zum Steuermann: Im Internet of Things muss er seine Maschinen nur noch überwachen, nicht mehr bedienen.
In Daten schlummern Informationsschätze, deshalb macht die Analogie zum Rohstoff Sinn. Doch genauso wie man Rohstoffe zuerst abbauen muss, bevor sie sich verwenden lassen, muss auch das Wissen aus den Daten herausgeholt und nutzbar gemacht werden. Das bedingt einerseits den Aufbau einer geeigneten Infrastruktur zu ihrer Erfassung und andererseits auch das nötige Know-how zu ihrer optimalen Verknüpfung, Analyse und Verwertung. Und es bedingt den Datenaustausch: Wert schaffen Daten nicht, wenn sie in Silos weggeschlossen werden. Wert schaffen sie dann, wenn sie in einer Datenöknomie, einem Netzwerk aus Unternehmen, Einzelpersonen und Institutionen gesammelt, organisiert und ausgetauscht werden. Und der Wert, von dem wir hier sprechen, ist gross: Die Weltbank schätzt ihn für das Jahr 2025 auf rund 15 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts, das sind zwischen 15-20 Trillionen US-Dollar.
Der mit Daten verbundene Mehrwert ist aber auch gesellschaftlicher Art. So wie in einer innovativen Wissensgesellschaft Wissen ein Allgemeingut ist, zu dem möglichst viele Zugang haben sollen, so sind es in der modernen Informationsgesellschaft die Daten, insbesondere solche des öffentlichen Sektors. Das setzt breit in der Bevölkerung verankerte digitale Kompetenzen voraus, aber auch faire Zugangsmodelle zu sicheren Datenräumen und klare Regeln für die Datennutzung und Datenkontrolle.
Richtig eingesetzt kann moderne Datentechnik uns dabei helfen, die Altlasten des «Energiejahrhunderts» zu sanieren. Zum Beispiel durch die Entwicklung einer smarteren Energiewirtschaft oder dem Übergang von traditionellen Industrie- und Agrarsystemen zu kreislauforientierten Prozessen. Daten schaffen die Voraussetzung dafür, dass Volkswirtschaften in einer intakten Umwelt nachhaltig Wohlstand schaffen können.
Doch sie bergen, das ist klar, auch Schadenpotenzial: Daten lassen sich manipulieren, autonome Systeme missbrauchen. Die sicherheits- oder demokratiepolitischen Risiken von Cybercrime, Cyberwar, KI-gesteuerten Waffensystemen oder durch Fake News in ihrer Glaubwürdigkeit untergrabenen Institutionen sind beträchtlich. Wir können sie in den Griff bekommen, indem wir die länderübergreifende Internet Governance stärken, multilaterale Regeln vereinbaren und die internationale Zusammenarbeit unter Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden intensivieren.
Wir leben im Zeitalter der Daten: Machen wir das Beste daraus.