(Illustration: ZvG)
Interview mit Christof Zogg, Swisscom
In einem vielbeachteten Vortrag an der IoT-Konferenz von asut hat Christof Zogg die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens ohne KI mit einem Dreirad verglichen, das mit Sportwagen um die Wette fahren will. Wir haben nachgefragt.
asut: «Sie haben die steile These aufgestellt, wonach nur Unternehmen überleben werden, die voll auf Künstliche Intelligenz (KI) setzen?»
Christof Zogg: Das klingt zwar etwas überspitzt, trifft aber genau meinen Punkt. Firmen, die KI nutzen, um ihre Geschäftsprozesse zu digitalisieren und zu automatisieren oder um einen strategischen Wissensvorsprung zu erzielen, werden klar wettbewerbsfähiger sein als ihre Mitbewerber, die die neuen Möglichkeiten zu spät oder zu halbherzig angehen. Natürlich ist das Verbesserungspotential in den Branchen grösser, die viel Wissensarbeit leisten (wie Banken, Versicherungen, öffentliche Verwaltung, Bildungsinstitute) als in denjenigen mit wenig (wie Detailhandel, Fertigung, Gastronomie). Aber der relative Vorteil durch KI besteht in jeder Branche.
Wie steht die Schweizer Wirtschaft zu KI – fürchtet sie sich davor oder erkennt sie deren Potenzial?
Viele der neuen Services, vor allem im Bereich der generativen KI, also die riesigen Sprach- und Bildmodelle wie GPT (OpenAI), Claude (Anthropic) oder LLaMA (Meta), sind bisher fast nur aus der Cloud verfügbar. Die Frage ist also eher, wie weit die Schweiz bei der Cloud-Nutzung ist. Und hier hinken wir sicher den englischsprachigen Ländern etwas hinterher. Gleichzeitig spüren wir gerade eine enorme Nachfrage nach KI-Beratung und -Umsetzung in Form von PoCs und konkreten Projekten. Das Potential wird also schon fast überall gesehen.
In welchen Einsatzbereichen ist KI erfolgreich?
KI lässt sich sehr vielseitig einsetzen. Konkrete Prozessbeispiele sind Anwendungen von Textanalyse (automatisiertes Bearbeiten von Rechnungen oder Schadensmeldungen), Textgenerierung (automatisiertes Erstellen von Austrittsberichten und Dokumentzusammenfassungen) oder Searchbots für HR-Themen oder Kundenverträge, die Resultate bequem und in beeindruckender Qualität in natürlicher Sprache zusammenfassen. Traditionelle KI kann aber auch sehr erfolgreich zur Gewinnung eines strategischen Wissensvorsprungs eingesetzt werden. Hier trainiert man oft Prediction Models, mit denen sich z.B. Produktetrends, der Bestelleingang oder der Erneuerungsbedarf von Bahninfrastruktur mit hoher Genauigkeit vorhersagen lassen.
Wird KI bereits genügend als Wettbewerbsvorteil begriffen?
Hier raten wir Unternehmen, noch etwas höher und ambitionierter zu zielen. Viele neue Softwaretools wie No-Code/Low-Code oder Process Mining können Unternehmen effizienter machen. Erreicht man dabei zweistellige Effizienzgewinne, ist das schon sehr gut. Konsequenter KI-Einsatz bietet aber noch einen viel grösseren Hebel. So bediente die chinesische Retailbank Ant Group 2021 mit nur 10'000 Mitarbeitenden eine unglaubliche Zahl von 700 Millionen Kunden. Das ist ein Betreuungsverhältnis, welche mehrere Hundert mal effizienter ist als bei Schweizer Privatkundenbanken.
Wie macht man die Unternehmens-IT fit für die Umsetzung von KI?
Nach meiner Wahrnehmung haben spätestens seit dem Durchbruch von ChatGPT alle IT-Abteilungen das Thema auf dem Radar – wenn auch nur, um eine Antwort auf die Useranfragen zu haben, weshalb generative KI-Tools bisher im Unternehmen nicht erlaubt sind. Anders sieht es aus, wenn Unternehmen eigene KI-Modelle trainieren wollen. Hier ist die wichtigste Voraussetzung für Fitness eine zentrale, umfassende und automatisierte Datenplattform. Und an dieser Mammutaufgabe sind eigentlich noch die meisten Unternehmen mit unterschiedlichem Reifegrad dran.
Überlassen Sie Ihre Unternehmensdaten einem KI-Modell bedenkenlos?
Zuerst muss man eine wichtige Nuance festhalten: KI-Modelle werden durch Abfragen (aka Prompts) nicht trainiert. Sie sind sogenannt 'stateless', d. h. jede Interaktion ist ein eigenständiger abgeschlossener Vorgang. Trotzdem werden in Abfragen teilweise sehr sensible Inhalte übermittelt, die der Anbieter theoretisch speichern und damit die nächste Version seines Modells trainieren könnte. So dass die kurze Antwort lautet: Wie bei jedem anderen Softwareprojekt muss man auch bei KI-Vorhaben die Fragen der Data Governance sauber klären und basierend darauf die passende Softwarearchitektur wählen. Und um nicht nur allgemein zu bleiben: Seit kurzem ist bei uns SwisscomGPT verfügbar, die Enterprise-Version des GPT-Modells, die alle Mitarbeitenden nutzen dürfen, nachdem sie den entsprechende Disclaimer gelesen und akzeptiert haben.
Warum sollte ein CEO sich um KI kümmern?
Er oder sie sollten das erstens tun, wenn sie, wie oben erläutert, ebenfalls überzeugt sind, dass KI ein strategisches Werkzeug zu mehr Wettbewerbsfähigkeit ist. Zweitens sollte sich der CEO persönlich engagieren, weil es immer schneller geht, wenn ein Unternehmensziel Chefsache wird. Das ist zwar eine Binsenwahrheit, dadurch aber nicht weniger wahr: In meinen Impulsreferaten und Workshops mit Geschäftsleitungen merke ich sofort, ob der CIO zuerst noch seine GL-KollegInnen abholen muss oder das Commitment von den obersten Entscheidungstragenden bereits steht.