asut-Bulletin
IoT auf dem Weg in die Zukunft
Ausgabe
02/2024
Aber ist es auch sicher?

(Illustration: OST)

Interview mit René Pawlitzek, Ostschweizer Fachhochschule

Digitalisierung und Vernetzung haben unser Leben nachhaltig geprägt – ihr strategischer Charakter ist unbestritten. In ihrem Zentrum steht für René Pawlitzek, Informatikprofessor an der Ostschweizer Fachhochschule (OST), das Internet der Dinge. Umso bedenklicher findet er, dass die Sicherheit rund um das Internet of Things oft vernachlässigt wird.

asut: Lange galt das IoT als Spielerei.  Sinnbild dafür war der berühmte Kühlschrank, der selbständig Einkäufe tätigt – und den es nie wirklich gegeben hat. Inzwischen scheint das IoT aber angekommen zu sein. Teilen Sie diese Einschätzung?

René Pawlitzek: Durchaus. Das Internet der Dinge ist heute allgegenwärtig und es gibt viele Anwendungen, die selbstverständlich und unverzichtbar geworden sind.

In welchen Bereichen bewährt sich das IoT besonders?

Überall dort, wo die effiziente Nutzung der verfügbaren Ressourcen und Infrastrukturen besonders vorteilhaft ist. Also unter anderem in Produktion und Logistik (Industrie 4.0, Smart Factory), in der Landwirtschaft (Smart Agriculture), im Gesundheitswesen (Smart Health), in der Energieversorgung (Smart Grid), in der Gebäudetechnik (Smart Home), im Städtemanagement (Smart City), in der Nahrungszubereitung (Kitchen 4.0) oder in intelligenten Produkten (Smart Products). Konkrete Beispiele in der Gebäudetechnik sind intelligente Lampen, Überwachungskameras, Putzroboter, Systeme zur Steuerung der Heizung, etc. Wearables, um die Fitness zu tracken, sind ein Beispiel aus dem Bereich Gesundheit. In der Industrie werden mit Industrial IoT Maschinen und Informationssysteme vernetzt, um intelligente Fabriken zu realisieren.

Wo sind die nächsten grossen Entwicklungen zu erwarten?

Das IoT wird sich in vielen Bereichen weiterentwickeln. IoT-Geräte werden immer kleiner und leistungsfähiger. Dadurch müssen Berechnungen nicht mehr zwangsläufig in der Cloud durchgeführt werden, sondern können auf die Endgeräte oder in deren Nähe verlagert werden (Stichwort: Edge Computing). Die Auswertung der mit IoT erfassten Daten geschieht mit den Methoden des maschinellen Lernens, um aus den durch das IoT erfassten Daten neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das ist gewissermassen das ‘Smart’ in Smart Devices, Smart Home, Smart Grid oder Smart Agriculture. Diese Erkenntnisse können dann wiederum dazu genutzt werden, einzelne IoT-Geräte zu verbessern oder um ganz neue Business-Anwendungen zu realisieren. An der OST arbeiten wir derzeit an der Konzeption von nachhaltigen IoT-Lösungen im Gebäudebereich. Diese Forschung wird vom Interreg des Europäischen Fonds und vom Schweizer Bund finanziert.

Was bremst – und sind irgendwann die Grenzen der Nutzbarkeit erreicht?

Das IoT wird durch eine Reihe von Faktoren ausgebremst, u.a. durch die fehlende Interoperabilität von IoT-Lösungen, weil diese proprietär sind. Es fehlen Standards. Ferner ist die Lebensdauer der Geräte oftmals limitiert, was zu sehr viel Elektronikschrott führt. Auch die Benutzerfreundlichkeit von IoT-Lösungen ist verbesserungswürdig. Viele IoT-Anwendungen sind schlichtweg zu kompliziert. Und schliesslich fehlt es an gut ausgebildeten Informatikern für die Realisierung von IoT-Projekten.

So viele vernetzte Dinge: Kann das überhaupt sicher sein? Sind all diese vernetzten Sensoren nicht einfach ebenso viele Einfallstore für Hackerangriffe?

Das Internet der Dinge ist Realität geworden, d.h. die Vernetzung von Gegenständen und Dingen ist in vollem Gange. Vernetzte Geräte greifen auf jeden Aspekt unseres Lebens ein und überwachen und steuern lebenswichtige Prozesse – die Verkehrsampel im Autobahntunnel, die Herz-Lunge-Maschine im Spital oder die Stromversorgung einer ganzen Stadt. Fatale Folgen drohen, wenn diese Prozesse ausfallen. Und klar: Die enorme Anzahl an Geräten (ca. 50 Milliarden im Jahr 2020) bedeutet, dass es für Hacker sehr viele Angriffsvektoren gibt. IoT ohne Sicherheit ist deshalb ein absolutes No-go.

Wie können Unternehmen Sicherheit rund um IoT erhöhen? Hilft KI dabei?

Sicherheit bei IoT-Systemen ist von enormer Wichtigkeit, gewissermassen eine ‘Conditio sine qua non’. Denn der kritische Punkt ist, dass das IoT die virtuelle mit der realen Welt vernetzt. Und doch wird Sicherheit oft aus Unwissen oder um Kosten zu sparen unterschätzt oder vernachlässigt. Dabei ist es technisch absolut möglich, sichere Informationssysteme zu bauen. Die Technologien dazu existieren, müssen aber von gut ausgebildeten Fachleuten angewandt werden. Es ist deshalb unabdingbar, dass Unternehmen Geld in die Sicherheit von IoT-Lösungen investieren, auch wenn auf Anhieb vielleicht kein wirklicher Nutzen erkennbar ist. Die künstliche Intelligenz (KI) wird nämlich nicht nur von den Sicherheitsexperten genutzt, sondern auch von Hackern.

Ist die totale Vernetzung überhaupt erstrebenswert? 

Das Internet der Dinge sollte idealerweise aus intelligenten vernetzten Gegenständen bestehen, die den Menschen bei seinen Tätigkeiten unterstützen und ihr Leben verbessern, ohne abzulenken oder aufzufallen. Nur dann ist es sinnvoll. IoT-Lösungen, die keinen wirklichen Mehrwert bringen, werden nach einer gewissen Zeit wieder verschwinden. Fest steht aber bereits heute, dass das IoT Millionen von Menschen positiv und nachhaltig beeinflussen wird. Das berühmte Zitat von Dave Evans: «IoT will change everything – including ourselves», ist also durchaus angebracht.

Die OST hat einen IoT-Experimentierkasten entwickelt. Was muss man sich darunter vorstellen?

Mit der vierten industriellen Revolution folgt auf die Digitalisierung die Vernetzung von Computersystemen und die Anwendung des Internets der Dinge und Dienste im privaten, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Das zieht hohe Anforderungen an die Qualifikation von Studierenden nach sich, damit diese die Systeme entwickeln und betreiben können. Mit dem IoT-Experimentierkasten sind Studierende in der Lage, vernetzte IoT-Projekte selbstständig durchzuführen. Damit erlernen und üben sie die Grundlagen moderner technischer Systeme. Der Experimentierkasten umfasst einen leistungsfähigen Einplatinencomputer, Aktoren, Sensoren und ein Kommunikationsmodul und kann bei der OST erworben werden.

René Pawlitzek

René Pawlitzek ist Professor an der Ostschweizer Fachhochschule (OST). Er hat an der ETH Zürich Informatik studiert und war danach u.a. im Silicon Valley (Borland International, WindRiver Systems, Hewlett-Packard) und am IBM Forschungslabor in Rüschlikon tätig. Pawlitzek unterrichtet seit 2012 Computerkommunikation, Verteilte Systeme, Cloud Computing und Mikrocontroller-Programmierung. Er beschäftigt sich intensiv mit dem Internet der Dinge, führt Seminare und Workshops zu diesem Thema durch und arbeitet mit Unternehmen auf diesem Gebiet zusammen.

 

 

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