asut-Bulletin
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Ausgabe
03/2024
Digitale Nachhaltigkeit ist kein Widerspruch

Von Barbara Schaffner, Nationalrätin GLP

Nachhaltigkeit hat drei Dimensionen, das hört man immer wieder, wenn man sich ein bisschen mit dem Thema befasst. Rasch konzentriert sich die Diskussion dann aber auf die ökologische Nachhaltigkeit und oft noch viel enger auf den Energieverbrauch – gerade, wenn es um die Digitalisierung geht.

Steigender Energiebedarf durch die Digitalisierung?

Rechenzentren werden ringsherum aus dem Boden gestampft. Das Schürfen von Krypotwährungen und noch viel mehr die Anwendung von künstlicher Intelligenz brauchen enorm viel Rechenleistung und damit viel Strom. Die Grösse eines Rechenzentrums wird in Megawatt angegeben, also in elektrischer Leistung. Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind gefordert, um die Stromversorgung von Rechenzentren sicherzustellen. Kein Wunder also, entsteht der Eindruck, dass der Energieverbrauch für die Digitalisierung massiv steigen wird.

Ein Blick zurück zeigt allerdings, dass der Eindruck – mindestens mit Blick auf die Vergangenheit – täuscht. Der Stromverbrauch für Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Unterhaltung ist in den letzten 20 Jahren erstaunlich wenig angestiegen und gegenüber vor 10 Jahren sogar wieder etwas gesunken. Technologische Entwicklungen bei Prozessoren und Speichermedien machen das möglich. Anschaulich im wahrsten Sinne des Wortes ist die Entwicklung von Röhrenbildschirmen zu modernen Monitoren. Ob allerdings die technologische Entwicklung genügend rasch die Effizienz der Rechenleistung steigern kann, um den Bedarf für die Anwendungen der künstlichen Intelligenz zu kompensieren, steht zurzeit in den Sternen.

Wie umweltfreundlich ist die Digitalisierung? Dieser Frage gingen Barbara Haffner und Thomas Reitze Managing Director, T-Systems Schweiz AG, am Swiss Telecommunication Summit 2024 gemeinsam auf den Grund. (Video: asut)

Weitere Aspekte der ökologischen Nachhaltigkeit

Um die Frage nach der Nachhaltigkeit in der Digitalisierung zu beantworten, reicht es aber nicht, nur die Energieverbrauchszahlen anzuschauen. Es reicht nicht einmal, um die Dimension der ökologischen Nachhaltigkeit zu bewerten. Digitalisierung ist ja kein Selbstzweck, sondern wird eingesetzt, um etwas zu bewirken. Das geht einher mit Veränderungen in unserem Verhalten, in unserer Umwelt und in unserem Ressourcenverbrauch. Nur ein paar Beispiele:

  • Papier wird immer mehr durch digitale Daten ersetzt, das heisst weniger Energie, weniger Holzbedarf und weniger Chemie für die Herstellung, weniger Transportleistungen – insbesondere beim Zeitungsaustragen – und weniger Raumbedarf für zahlreiche Dokumentenordner.
  • Videokonferenzen anstelle von Geschäftsreisen sparen zahlreiche Flugreisen ein.
  • Logistikprozesse können verbessert werden, um Güter effizienter zu transportieren – auf optimierten Routen mit optimierter Auslastung. Das spart fossile Energie.
  • Ein präziser Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Nähstoffen in der Landwirtschaft schont die Umwelt vor Pestiziden und Überdüngung.

Diese Beispiele zeigen auf, dass die Digitalisierung sehr wohl einen Beitrag zur ökologischen Dimension der Nachhaltigkeit leisten kann – selbst wenn der Stromverbrauch steigen sollte.

Ökonomische und soziale Nachhaltigkeit profitieren

Während bei der Digitalisierung oft Fragen und Kritikpunkte zur ökologischen Nachhaltigkeit aufkommen, sind die ökonomische und soziale Nachhaltigkeit weniger umstritten. Klar ist, dass die Digitalisierung ein enormes Wertschöpfungspotenzial bietet. Das Feld ist so umfangreich, dass es zunächst notwendig wäre zu definieren, wo die Digitalisierung beginnt und endet. Doch auch ohne eine genaue Definition lässt sich sagen, dass kaum noch Geschäftsfelder unberührt von der digitalen Entwicklung sind. In den meisten Fällen steigert die Digitalisierung die Produktivität erheblich. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass weniger Arbeitskräfte benötigt werden, sondern dass sie schneller und präziser arbeiten können, was unseren steigenden Ansprüchen gerecht wird.

Diese Entwicklung verläuft schnell und schneller. Damit birgt sie die Gefahr, dass Menschen abgehängt werden. Berufszweige und Jobs gehen verloren, und die Menschen müssen viel mehr als früher lebenslang lernen und sich weiterentwickeln. Dies kann zu sozialen Problemen führen, ist aber nicht ausschließlich eine Folge der Digitalisierung. Darüber hinaus bringt die Digitalisierung gerade im sozialen Bereich viele Vorteile. Sie bietet neue Werkzeuge für die Inklusion und verbessert die soziale Integration von Menschen mit Behinderungen. Gerade jetzt versuche ich zum ersten Mal, einen Text zu diktieren. Für mich ist es zwar kein Problem, eine Tastatur zu benutzen, doch für Blinde oder Gelähmte stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Zahlreiche Hilfsfunktionen können erst dank der Digitalisierung bereitgestellt werden und unterstützen so die Inklusion von Menschen. Auch die weltweite Kommunikation wird verbessert, wodurch Familien und Freunde leichter in Kontakt bleiben können.

Ich bin überzeugt, dass die Digitalisierung in allen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – ökologisch, ökonomisch und sozial – einen grossen Mehrwert bringt.

 

Barbara Schaffner

Barbara Schaffner, Physikerin und Energieexpertin, ist Nationalrätin (GLP/ZH), Mitglied der nationalrätlichen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen sowie asut-Vorstandsmitglied.

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