asut-Bulletin
Mobilität und Daten
Ausgabe
04/2024
Alles im Blick, alles im Fluss

Von Ralf Thomas, Integrierte Verkehrsleitzentrale Stuttgart

Die Verkehrsleitzentrale kann auf den Stuttgarter Strassenverkehr gezielt Einfluss nehmen (Foto: IVLZ)

Alles im Fluss halten – das ist die Aufgabe der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) in Stuttgart. Es arbeiten alle für den Strassenverkehr wichtigen Institutionen integrativ zusammen, um das immense Verkehrsaufkommen in der Landeshauptstadt besser zu steuern. Doch wie funktioniert die IVLZ genau?

In der Integrierten Verkehrsleitzentrale befinden sich alle Institutionen, die für die Mobilität in Stuttgart verantwortlich sind, an einem Ort. Mit im Boot sind: Das Amt für öffentliche Ordnung, d.h. die Strassenverkehrsbehörde, das Tiefbauamt, das für die Verkehrstechnik verantwortlich ist, mit der Stuttgarter Strassenbahn AG auch der ÖV, und die Polizei. Vier Operatoren pro Schicht, also jeweils ein Vertreter pro IVLZ‐Partner, arbeiten gleichzeitig im Leitraum der Zentrale in Bad Cannstatt zusammen. Durch die räumliche Nähe zueinander lassen sich Informationen schnell und unkompliziert austauschen. So können Probleme auf Stuttgarts Verkehrsflächen oft bereits im Vorfeld erkannt und frühzeitig gelöst werden.

Die IVLZ muss auf viele verschiedene Ereignisse, wie Unfälle, Baustellen, Veranstaltungen oder Demonstrationen schnell reagieren, um so Verkehrsbehinderungen und Staus zu minimieren und damit das verkehrliche Gesamtsystem bezogen auf alle Verkehrsarten im Gleichgewicht zu halten.

Die Leistungen der IVLZ

In der Integrierten Verkehrsleitzentrale laufen alle Informationen über den gesamten Verkehr in Stuttgart über zahlreiche Kanäle zusammen. Quellen sind zum Beispiel Verkehrsbeobachtungskameras, eine aktuelle Verkehrslage und Reisezeiten, reale Fahrzeugsdaten, Umwelt- und Wetterdaten, Daten von Signalanlagen, Informationen aus dem Baustellen- und Veranstaltungsgenehmigungssystem oder die Einsatzleitsysteme und der Funk der Verkehrsbetriebe und der Polizei. All diese Daten werden gesammelt und in Massnahmen umgesetzt. Unterstützt wird dies durch das System Digitale Verkehrsflussoptimierung. Anhand dieses Systems werden die Daten über statistische Berechnungsmethoden und Data-Mining-Verfahren analysiert und daraus Korrelationen ermittelt, um Lösungsansätze und strategische Massnahmen zu entwickeln. Ziel ist es, problematische oder sicherheitskritische Verkehrszustände datengestützt zu verbessern.

Störfallmanagement

Bei allgemeinen Verkehrsbehinderungen, Sperrungen von Strassen durch Unfälle oder sonstigen nicht planbaren Ereignissen, greift die IVLZ unmittelbar in das Verkehrsgeschehen der Landeshauptstadt ein. Mit der verfügbaren Technik jedes einzelnen Partners wird das aktuelle Problem erkannt und bewertet. Staus können dann unter anderem durch die Schaltung längerer Grünzeiten an Ampeln verringert und im besten Fall zügig aufgelöst werden. Des Weiteren kann die IVLZ über dynamische Verkehrsinformationstafeln Empfehlungen zu Alternativrouten oder Informationen zum Verkehrsgeschehen geben.

Veranstaltungsmanagement

Die IVLZ weiss von allen Veranstaltungen, die Auswirkungen auf das Verkehrsgeschehen der Landeshauptstadt haben. Für diese planbaren Ereignisse werden im Vorfeld Konzepte sowohl für den ÖPNV als auch für den Individual‐, Fussgänger‐ und Radverkehr erarbeitet. Dadurch wird die Veranstaltung in den alltäglichen Verkehrsfluss integriert. Die Konzepte bilden die Grundlage für die operative Arbeit im Leitraum. Beispielsweise führt die IVLZ über dynamische Parkleitsysteme die Besucher der Veranstaltung auf dem schnellsten Weg zu den verfügbaren Parkplätzen. Mit Hilfe einer Fahrstreifensignalisierung können je nach Bedarf zusätzliche Fahrstreifen für die An‐ oder Abfahrt der Besucher und für die Fussgänger oder den Bus aktiviert werden.

Baustellenmanagement

Die IVLZ hat den Überblick über aktuelle und geplante Baustellen im Stadtgebiet. Sie wird bereits in das Genehmigungsverfahren einbezogen, falls die Baustellen Auswirkungen auf den Verkehr haben. Mit der detaillierten Ortsangabe und der umfassenden Darstellung einzelner Baustufen kann die Verkehrsleitzentrale mit ihren technischen Möglichkeiten gezielt reagieren. Das Ziel: Die Auswirkungen auf das Verkehrsnetz sollen möglichst gering gehalten und die verkehrstechnischen Massnahmen voll ausgeschöpft werden. Während der Bauzeit gelingt dies unter anderem durch die Schaltung geeigneter Ampelprogramme. Des Weiteren wird versucht, Baustellen auf viel befahrenen Streckenabschnitten möglichst nachts, am Wochenende oder in den Ferien einzurichten.

Informationsmanagement

Besonderen Wert legt die IVLZ darauf, den Verkehrsteilnehmern die aktuelle Verkehrssituation auf vielen Kanälen mitzuteilen. Radiosender verbreiten über ihren Verkehrsservice aktuelle IVLZ‐Meldungen auf schnellstem Weg dank einer gemeinsamen Software. Viele dieser Verkehrsmeldungen können über den Traffic Message Channel (TMC) den Navigationssystemen zur Verfügung gestellt werden. Bei besonderen Anlässen werden im Vorfeld zusätzlich Mitteilungen an die Presse herausgegeben, um die Verkehrsteilnehmer frühzeitig über mögliche Verkehrsbehinderungen zu informieren. Zudem sollen zukünftig Navigationssysteme besser über die Massnahmen der IVLZ informiert werden, um das Routing stadtverträglicher zu gestalten.

Vorfahrt für den ÖV

Die Busse und Stadtbahnen der SSB sind wichtige Verkehrsmittel für Pendler aus der Region und für die Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger. Dem ÖPNV kommt vor allem beim täglichen Berufs‐ und Einkaufsverkehr eine grosse Bedeutung zu und er trägt erheblich zur Entlastung des Strassennetzes im Stadtgebiet bei. Technische Massnahmen an den Ampeln ermöglichen eine Vorfahrt für Busse und Stadtbahnen und sorgen damit für ein schnelleres Vorankommen und die Einhaltung des Fahrplans. Eigene Busspuren an den wichtigsten Kreuzungen unterstützen dies zusätzlich. Dabei ist es ein erklärtes Ziel der IVLZ, Fahrten auf den ÖPNV zu verlagern.

Notfallpläne gibt es auch für die Stadtbahn: Ist die Strecke einer Stadtbahnlinie unterbrochen, dann wird ein Schienenersatzverkehr organisiert. Die IVLZ hat dann die Aufgabe, durch entsprechende Massnahmen die Pünktlichkeit des Schienenersatzverkehrs zu gewährleisten.

Die Zukunft der IVLZ

Die IVLZ soll sich in den nächsten Jahren weiter zu einer Leitzentrale für alle Verkehrsarten entwickeln. Ziel ist es, die Eingriffsmöglichkeiten in Bezug auf die Steuerung und Lenkung des Gesamtverkehrs zu erhöhen. Dazu gehört auch eine verbesserte Kommunikation und eine noch stärkere Betrachtung eines Verkehrsmanagements über die Stadtgrenze hinaus (regionales Verkehrsmanagement). Unterstützt wird dies durch einen kontinuierlichen Ausbau im Rahmen der Digitalisierung des Verkehrsmanagements.

Fazit

Die IVLZ in Stuttgart, eine Einrichtung, die in diesem Umfang deutschlandweit einzigartig ist, gibt es seit 2006. Der integrative Ansatz hat sich bewährt: Alle Verkehrsarten und die Lebensqualität in der Stadt profitieren davon.

 

 

Ralf Thomas

Ralf Thomas studierte Bauingenieurwesen und Verkehrswesen. Seit 2006 ist er Leiter der Integrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) der Landeshauptstadt Stuttgart.

 

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