asut-Bulletin
Neue Arbeitswelten
Ausgabe
03/2017
Swisscom: Agil ist mehr als nur ein bisschen flexibler

Agile Arbeitsformen überholen die traditionelle Trennung von Entwicklung und Betrieb. Fachführung wird vielerorts wichtiger als Linienführung. Doch was bedeutet agil? Welche Methoden gibt es und in welchen Bereichen ist agiles Arbeiten sinnvoll?

Die neue, internetbasierte Welt zeichnet sich durch Geschwindigkeit aus und sich rasch verändernde Geschäftsmodelle. Deshalb befinden sich zahlreiche Unternehmen inmitten einer digitalen Transformation. Für den zukünftigen Erfolg reicht es nicht, nur die Angebote flexibler und hochwertiger zu machen. Auch die bestehenden Abläufe und die Art der Zusammenarbeit müssen überdacht und wo nötig in Richtung von agilen Formen angepasst werden. Agile Arbeitsweisen bringen dabei vor allem in der Produkt- und Softwareentwicklung viele Vorteile: Produkte stehen effizienter bereit, die Reaktionszeiten auf Marktveränderungen sind kürzer und Mitarbeitende erhalten ein motivierendes Arbeitsumfeld.

Es ist zunächst einfach, eine agile Organisation auf Papier zu zeichnen. Damit lebt sie aber noch nicht. Erfolgsfaktoren für die Umsetzung sind die Denkhaltung jedes Einzelnen und die Kultur des ganzen Unternehmens. Und, was für ein Startup wie Spotify funktioniert, muss nicht automatisch auch für ein Grossunternehmen mit Tausenden von Mitarbeitenden stimmen. Neben der klassischen Linienorganisation arbeitet Swisscom daher schon lange sehr erfolgreich in einzelnen Bereichen der Softwareentwicklung mit agilen Arbeitsformen wie Tribes und Squads oder dem Projektmanagement-Ansatz SCRUM. Teams im HR und im Marketing testen zudem die holokratische Zusammenarbeit (Holacracy).

Treiber agiler Arbeitsformen sind schnelle Innovationen

Um heute schneller qualitativ hochwertige Produkte an den Markt zu bringen, ist es essentiell, den Fokus in der Entwicklung voll auf das Produkt und das Kundenbedürfnis zu legen. Das funktioniert nur, wenn alle relevanten Fertigkeiten von Design über Entwicklung bis zum Produktmanagement in einem Team zusammenkommen und anstelle von einschränkenden Prozessen leitende Prinzipien und eine Produktvision stehen. In solch einer Squad, also einer grundlegenden Entwicklungseinheit, sollten neben den nötigen Skills auch die Kompetenz für Entscheide und die Finanzen angesiedelt sein. So kann die Squad – idealerweise umfasst sie sieben bis zwölf Mitarbeitende – autonom agieren und ihre Arbeitsweise sowie die Ausrichtung des Produktes weitgehend selbständig bestimmen. Mehrere thematisch passende Squads sind zu einem Tribe zusammengefasst.

Wichtig ist, dass das Ökosystem bereit ist, agile Produktentwicklung zuzulassen: Die Organisation muss ihre Mitarbeitenden in einer Squad arbeiten lassen, die Squads brauchen ihr eigenes Budget und ihre Entwicklungen brauchen, je nach Thema, Platz in den IT-Releases. Zudem muss sie das Vertrauen des Managements haben, sonst kann sie nicht effizient und effektiv unterwegs sein. Das Management muss dabei auch sein Führungsverhalten anpassen: Klassisches Top-Down-Reinsteuern ist Gift für agile, schnelle Produktentwicklung. In technologischer Hinsicht unterstützen moderne Lösungen zur Kommunikation und Zusammenarbeit wie Unified Communications & Collaborations (UCC) das gemeinsame agile Arbeiten – gefragt sind auch hybride Bezugsmodelle (siehe Kasten).

Führung kann nicht mehr nur an eine Person oder Funktion gebunden sein

Mit der digitalen Transformation und der laufenden Weiterentwicklung verändert sich natürlich auch die Führungsrolle – vom klassischen Leadership zum Followership. Heute und in Zukunft kommt es darauf an, immer wieder neue Herausforderungen zu meistern, Verantwortung zu übernehmen und Zusammenarbeit so zu gestalten, dass Menschen gemeinsam erfolgreich sind. Wie sähe eine Organisation aus, in der jeder Mensch im Unternehmen eine Führungsperson ist, es also keine Vorgesetzten mehr gibt? Holacracy ist die revolutionäre Antwort.  Was nach Chaos klingt, ist in Wahrheit hoch strukturiert. Holacracy basiert auf klaren Rollen und Prinzipien, die in einem transparenten Regelwerk zusammengefasst sind. Führung als solche ist auch nicht verschwunden, sie ist nur auf mehrere Rollen verteilt. Anstelle von Hierarchie der Menschen tritt die Hierarchie der Aufgaben. So hat beispielsweise jede Rolle im System einen definierten Daseinszweck mit klaren Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Damit basiert Holacracy auch auf einer hohen Disziplin aller Beteiligten. Verantwortung kann nicht einfach nach oben delegiert werden und die Spielregeln sind für alle bindend.

Nach knapp einem Jahr mit einer holokratischen Organisation im HR Development der Swisscom ist die Bilanz insgesamt positiv: Meetings sind kürzer, Entscheide werden schneller gefällt und Ideen oder Optimierungen rascher angegangen. Ebenso ist die Motivation der Mitarbeitenden durch das hohe Involvement gestiegen.

 

 

Es gibt nicht DIE perfekte Organisationsform

Agile Arbeits- und Organisationsformen und die klassischen Linienorganisationen können dabei aktuell sehr gut koexistieren. Es gibt auch nicht "die gute" und "die schlechte" Form. Vielmehr müssen Zusammenarbeit und Organisation zum Arbeitsthema, zum Kontext, zu seiner Komplexität und den Führungskräften passen. Mit der zunehmenden Digitalisierung werden wohl aber die Trends hin zu schnelleren Iterationen und interaktivem Entwickeln sowie mehr Eigenverantwortung der Mitarbeitenden und mehr Vertrauen zunehmen. Damit heisst agil zu sein weit mehr, als nur im Bestehenden flexibler zu werden. Vielmehr ist es die Fähigkeit, sich in einem dynamischen Umfeld stetig zu verändern und den neuen Umständen anzupassen.

 

Agile Kommunikationslösungen

Agile Arbeitsformen erfordern agile Lösungen für Kommunikation und Zusammenarbeit. Moderne Anwendungen aus der Public Cloud führen unterschiedliche Kommunikationskanäle und Funktionen wie Sprach- und Videokommunikation, Instant Messaging, den Austausch und die Verwaltung von Dateien sowie das Teilen des Bildschirms auf einer einzigen Oberfläche zusammen. Wenn ein Anwender mehr respektive andere Leistungen benötigt, ist die Lösung schnell entsprechend erweitert. Dies ist möglich dank einer agilen Entwicklung, wie das bei der Public Cloud der Fall ist.

 

Adi Bucher

Adi Bucher ist Leiter HR Leadership, Transformation & Collaboration bei Swisscom.

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