asut-Bulletin
Digital Health
Ausgabe
06/2018
Weg vom Silo – hin zum integrierten Netzwerk

Sie mögen sich an das Abstimmungsdatum des 17. Juni 2012 erinnern: Damals lehnten die Schweizer Stimmberechtigten mit 76 Prozent die sogenannte Managed Care-Vorlage ab. Eine Vorlage, die vorsah, dass Krankenversicherungs-Modelle mit eingeschränkter Wahlfreiheit der Leistungserbringer die Regel werden sollten. Mit dem wuchtigen Volks-Nein war der Begriff von «Managed Care» im Gesundheitssystem Schweiz zum Stigma mutiert. Klinisch tot. Verbrannt.

Doch wie Phönix aus der Asche etabliert sich in den letzten Jahren eine Idee mit ähnlicher Stossrichtung: Diejenige der integrierten Versorgung. Und die Chancen, dass die Überlegungen einer integrierten Versorgung – oder einer «gemanagten Gesundheit» – diesmal Boden fassen, sind deutlich besser. Wieso?

War im Kontext von Managed Care die Angst vorhanden, dass der Bevölkerung eine schlechtere medizinische Versorgung droht, so zeigt sich aktuell immer deutlicher, dass die Menschen zunehmend eine Qualitätsverbesserung darin sehen, wenn sie im Kontext ihrer Gesundheit begleitet werden und einen umfassenden – sprich integrierten – Blick auf ihr körperliches und seelisches Befinden erhalten.

Kaum ein Sportbegeisterter, der seine Daten nicht auf einem Wearable oder seinem Mobile speichert, analysiert und damit ein trainingstechnisches Controlling betreibt. Kaum eine ernährungsbewusste Person, die nicht regelmässig Webpages oder Gesundheitsplattformen konsultiert, um sich noch ausgewogener und saisongerechter zu ernähren. Und kaum ein von Stress und Schlafstörungen Geplagter, der nicht seinen Herzrhythmus überwachen lässt oder Rat sucht, um seine Schlafgewohnheiten zu ändern. Das Stichwort für all die Aktivitäten: Krankheits-Prävention.

Auch wenn der Nutzen und die Aussagegenauigkeit von einzelnen Apps und die Diagnosefähigkeit von «Dr. Google» umstritten sein mag – immer mehr Menschen in der Schweiz haben das Bedürfnis diese Daten für ihre tägliche Lebensgestaltung zu nutzen und vor allem mit ihrem Datenfundus im Krankheitsfall vom Arzt ernst genommen zu werden. Und zwar in dem Sinne, dass die Daten in der Anamnese Eingang finden und in der Messung der Therapiefortschritte berücksichtigt werden. Die Patientin und der Patient sind somit der Treiber einer integrierten Versorgung, als Nachfrager von gemanagter Gesundheit.

Die Menschen möchten mehr denn je mit ihren Daten durch das Gesundheitssystem geleitet werden. Wellness, Wellbeing und kurative Medizin konvergieren zu einem Ganzen. Sie wünschen auf ihrem Patientenpfad mehr als isolierte medizinische Angebote, die ihnen in einzelnen «Silos» verabreicht werden. Vom Hausarzt. Vom Spital. Oder in der Rehabilitation. Sie erwarten Coaching und Beratung.

Sei es, wenn sie gesund sind – und vor allem auch wenn sie erkranken. Der Patientenpfad soll zu einer «Patient Journey» werden, in welcher das subjektive Empfinden im Fokus steht. Von der Patientin zur Kundin also (mehr dazu lesen Sie hier).

Schliesslich greifen aber all die ausgeführten Überlegungen zu kurz, wenn nur die Seite der Leistungserbringer und der Patienten betrachtet wird. Und hier kommen die Krankenversicherer ins Spiel. Ihnen sollten Anreize gegeben werden mehr als nur «Durchlauferhitzer» für Prämiengelder zu sein. Anreize, welche bedeuten, dass sie ein Interesse haben, ihre Versicherten gesund zu erhalten und nicht einfach die im Krankheitsfall angefallenen Kosten zu übernehmen. Werden solche Anreize im Gesetz verankert, so haben wir gute Chancen die Schweiz von einem «Krankheits-» hin zu einem Gesundheitswesen zu entwickeln. Ein Gesundheitswesen, das diesen Namen wirklich verdient.

Michael Herzog

Michael Herzog, Partner KPMG, Leiter Government & Healthcare.

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