asut-Bulletin
Mobilität: Unterwegs in die Zukunft
Ausgabe
04/2019
Wie verändert die Digitalisierung den Strassentransport?

Von Peter Studer

Autonomes Fahren, Telematik und alternative Antriebe sind die Schlagwörter der Zukunft im Transport- und Logistiksektor. Die Art und Weise, wie in Zukunft Güter und Personen auf der Strasse transportiert werden, wird sich verändern. Die treibende Kraft hinter diesen Veränderungen: Die Digitalisierung.

Die Prognosen zum Thema Digitalisierung im Strassentransport und in der Logistik sind zahlreich und tiefgreifend. Mit dem stufenweisen Wegfall des Fahrers beispielsweise und neuen Geschäftsmodellen durch eine vernetzte und integrierte Logistik-Kette deuten sich ungeahnte Möglichkeiten in der Branche an. Gleichzeitig manifestieren sich auch Unsicherheiten. «Gibt es meinen Job in zehn Jahren noch?» mag sich manch einer in der Branche fragen. Ob autonomes Fahren, alternative Antriebe oder eine komplett automatisierte Supply Chain: Diese Innovationen werden eines Tages kommen. Unklar ist momentan nur, wann genau? Fahrzeughersteller vermelden einerseits erfreuliche Fortschritte, betreiben andererseits aber auch fleissig Ankündigungsmanagement.

Die nächste Revolution

Autonomes Fahren wird gerne – ob zu Recht oder zu Unrecht muss an dieser Stelle offenbleiben – als grösste Revolution im Bereich der Mobilität seit der Erfindung des Autos verstanden. Zweifellos werden autonome Fahrzeuge einen tiefgreifenden Wandel bewirken. In der Logistik würde das bedeuten, dass autonome Lastwagen den «Faktor Mensch» irgendwann nahezu vollständig ersetzen und bestehende Verkehrsräume durch die Automatisierung effizienter genutzt werden können. Dass eine Transportfirma Fahrpersonal und somit Kosten einsparen wird, ist evident. Ob damit dereinst eine Aufwertung des Berufsbildes des Chauffeurs und des Disponenten einhergeht, ist allerdings offen.

 

Computergesteuertes Fahren in der Kolonne, in Fachkreisen auch schmissig «Platooning» genannt (Adobe Stock)

 

Ohne Digitalisierung kein autonomes Fahren

Zwar ist die Technik heute schon so weit, dass mehrere Lastwagen ohne Chauffeur hintereinander herfahren können. Insbesondere in Deutschland und Schweden gibt es grossangelegte Platooning-Testbetriebe. Dies jedoch erst in einfachen Umgebungen wie auf der Autobahn, wo kreuzungsfreier Verkehr herrscht. Bis ein Lastwagen mit Sensoren, die Sinnesorganen gleichkommen, seine Umgebung abtastet, mit anderen Fahrzeugen kommuniziert, autonom agiert und auf externe Einflüsse sicher und rechtzeitig reagieren kann und zudem von vergangenen Ereignissen lernt, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen. Die Expertenmeinungen, wann ein Fahrzeug der höchsten Automatisierungsstufe 5 – also kein Mensch mehr im Fahrzeug und ausser dem Festlegen des Ziels und dem Starten des Systems ist kein menschliches Eingreifen mehr erforderlich – Realität wird, klaffen denn auch stark auseinander. Optimistische Schätzungen gehen von nur zehn Jahren aus, während auf der anderen Seite des Spektrums ein halbes Jahrhundert ins Feld geführt wird. Eine weitere Voraussetzung ist indes, dass auch der Gesetzgeber mit der Entwicklung Schritt hält. Stand heute erlauben es die rechtlichen Rahmenbedingungen noch nicht, dass der Fahrer die Hände vom Steuer seines Fahrzeugs nimmt.

 

Autonome Nutzfahrzeuge stehen in eng umgrenzten Einsatzbereichen schon heute im Testeinsatz: Das Konzeptfahrzeug AXL des Schwedischen Herstellers Scania für den Einsatz in Minen oder geschlossenen Baustellen… (Adobe Stock)

 

Telematik: Vorteile…

Der Begriff Telematik setzt sich aus Telekommunikation und Informatik zusammen. Angewandt auf die Logistik, sind das mobile Daten, die vom Fahrzeug an einen zentralen Rechner in der Transportfirma übertragen werden. Dort werden sie vom Disponenten ausgewertet und sinnvoll nutzbar gemacht. Einsatzbereiche und Funktionen sind vielfältig: Daten zur Position des Fahrzeugs, zum Dieselverbrauch, zur Wartung oder zu Ruhezeiten ermöglichen ein effizientes und kostensparendes Management des Fuhrparks. So kann bspw. ein nachlassender Reifendruck frühzeitig erkannt und behoben, oder die Tourenplanung mit möglichst wenig Leerfahrten organisiert werden. Unternehmerseitig verbessert dies die Total Cost of Ownership, das Fahrzeug wird zum einem Bestandteil der Wertschöpfungskette. Das verbessert nicht nur die Produktivität oder die Kundenzufriedenheit, auch die Unfallzahlen sinken.

…und Nachteile

Der Markt für Telematiksysteme ist sehr unübersichtlich. Es gibt unzählige Anbieter, und jeder nimmt für sich in Anspruch, das beste aller Angebote zu haben. Doch welche Lösung passt zu mir? Bringt sie die richtigen Schnittstellen für meine bestehende Dispo-Software? Entsprechend schwierig ist es für einen Transportunternehmer, auf das richtige Pferd zu setzen. Das Risiko ist hoch, teure Investitionen zu tätigen für ein Produkt, welches nur ungenügend den eigenen Bedürfnissen entspricht oder Anwendungen beinhaltet, die man gar nicht braucht. Risiken gibt es punkto Telematik-Nutzung auch im Bereich Datenschutz. Informationen bezüglich Betrieb und Zustand des Fahrzeugs werden in aller Regel nicht nur an die Zentrale der Transportfirma geschickt, sondern auch an den Fahrzeughersteller. Dieser kann unter anderem herauslesen, dass Fahrer Mustermann am 18. September zwischen Schüpfheim und Escholzmatt eine Geschwindigkeitsübertretung von 12 Stundenkilometern begangen hat. Wie damit ethisch und rechtlich umzugehen ist, steht auf einem anderen Blatt.

 

…oder «Vera» von Volvo Trucks, derzeit unterwegs in einer Testumgebung im Hafen von Göteborg (Adobe Stock)

 

Zero emission (im)possible?

Mit dem Ziel des sauberen, emissionsfreien Fahrzeuges, treiben Fahrzeughersteller rund um den Globus mit den unterschiedlichsten Technologien und Innovationen die Entwicklung alternativer Antriebstechnologien voran. Der zunehmende politische und gesellschaftliche Druck forciert diese Bemühungen. Während die Einen auf Erdgas setzen, sehen die Anderen in der Brennstoffzelle die Technologie der Zukunft. Rein elektrische Fahrzeuge sind – Stand heute – in relativ eng umgrenzten Gebieten einsatztauglich wie bspw. der Feinverteilung von Gütern auf der letzten Meile. Fakt ist: Wegen seines grossen Entwicklungsvorsprungs dürfte der Dieselmotor im Nutzfahrzeugbereich noch einige Zeit State of the art bleiben. Die verschiedenen Antriebskonzepte unterscheiden sich bezüglich Wirkungsgrad und Speicherfähigkeit. Elektromotoren bieten den höchsten Wirkungsgrad und Gasantrieb dank des Gasnetzes die höchste Speicherfähigkeit. Brennstoffzellenfahrzeuge liegen irgendwo dazwischen.

Der Diesel: Besser als sein Ruf

Nebst diesen begrüssenswerten Anstrengungen darf nicht vergessen werden, dass die Strassentransportbranche in der Schweiz einen grossen Teil ihrer Ressourcen in umweltfreundliche Fahrzeuge und Technologien steckt. Über 90 Prozent aller Nutzfahrzeuge auf unseren Strassen sind mit Euronorm 5 oder 6 unterwegs. Dank Investitionen in Milliardenhöhe konnte der Ausstoss von Luftschadstoffen um 95 Prozent gesenkt werden (Partikel und Stickoxide liegen heute an der Grenze des Messbaren). Auch bei der Reduktion des Treibstoffverbrauchs wurden grosse Fortschritte erzielt.
Wenn der Diesel als fossiler Energieträger dereinst von einer alternativen Antriebstechnik abgelöst wird, ist hinsichtlich des Ziels «zero emission» jedoch bei allen Konzepten gleichermassen wichtig, dass die Energie aus erneuerbaren Quellen stammt.

 

Peter Studer

Peter Studer ist Leiter Newsroom und Themenmanagement beim Schweizerischen Nutzfahrzeugverband ASTAG.

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