asut-Bulletin
Smart data for smart mobility
Ausgabe
08/2017
Smart Hamburg

Um Urban Mobility ging es im Vortrag von Martin Bastians und sein Studienobjekt ist Hamburg. Wie in vielen Grossstädten verändert sich die Mobilität auch in der norddeutschen Hafenstadt kontinuierlich weiter, und um dieses wachsende Netz effizient betreiben zu können wird die innovative Verzahnung der verschiedenen städtischen Planungsprojekte unumgänglich.

Fähren, vier U-Bahnlinien, über 110 Buslinien und bald eine halbe Milliarde Fahrgäste: Um das alles unter einen Hut zu bringen, muss sich die Hamburger Hochbahn AG ganz schön etwas einfallen lassen. Gleichzeitig drängen von überall her neue Player auf den Mobilitätsmarkt: Autohersteller oder ICT-Unternehmen – ein traditionell gewachsener ÖV-Anbieter müsse sich deshalb heute dringend Gedanken dazu machen, wie er sich am Markt positionieren und wo er sich abgrenzen will. Bei der Hamburger Hochbahn AG hat dieses strategische Nachdenken zur Vision «Intelligente Mobilität für eine lebenswerte Zukunft» geführt. Deren Ziel ist es, die nachhaltige Mobilität in der Smart City Hamburg zu organisieren und dabei die Kundenzahlen zu steigern. Es geht also um mehr als nur einfach darum, ein funktionierendes ÖV-Netz zu unterhalten. Genau so wichtig sind die Möglichkeiten der mulitmodalen Vernetzung unter Einbezug anderer Anbieter, um die ganze Reisekette abzudecken. Nur so kann ein Mehrwert geschaffen werden, der Fahrgäste zu Kunden werden lässt.

Und was wollen Kunden? In Hamburg haben Umfragen gezeigt, dass sie sich vor allem eines wünschen: Unterhaltung. Das heisst: Die Digitalisierung soweit vorantreiben, dass die Kunden in den Fahrzeugen und an den Haltestellen WLAN nutzen können. Gleichzeitig gibt dies der Hochbahn AG die Möglichkeit,  Zugang zu Kundendaten zu bekommen und auch selber Services anbieten zu können. Heute ist es in Hamburg möglich, ganz ohne Tarifkenntnis und Bargeld den ÖV zu nutzen, dabei jedesmal den Bestpreis zu bezahlen, bei Bedarf über eine nutzerfreundliche Plattform für einen Teil des Weges ein Carsharing- oder Ridesharing-Angebot zu nutzen, bei schönem Wetter einen Scooter und für die letzte Meile ein Fahrrad. Möglich macht das eine App namens «switchh», die verschiedensten Anbietern die Möglichkeit bietet, mit ihren Mobilitätsdienstleistungen an eine Mobilitätsplattform anzudocken. Für die Kunden bündelt diese App als «Single Point of contact» den Zugang zu den verschiedenen Services.

Damit die Hochbahn AG ihren Kunden immer bessere Mobilitätsdienstleistungen anbieten kann, werden die im Hintergrund erhobenen Daten laufend auf die «Kunden-Experience» untersucht. Denn nur wer seine Kunden versteht, kann ihre Erwartungen erfüllen.

 

Das ganze Unternehmen muss bereit sein

Die Digitalisierung des eigenen Angebotes unabhängig und schnell vorantreiben zu können, ist für ein Unternehmen laut Bastians alles andere als einfach. Es setze voraus, dass digitale Instrumente nicht mehr fertig implementiert eingekauft werden, sondern dass mit offenen Schnittstellen gearbeitet wird, damit das ganze Angebotsnetz organisch wachsen kann: «Wer das nicht schafft, der kann sich auch im Markt nicht aktuell positionieren und den Kunden abholen», betonte Bastians.

Auch der Datenschutz muss in die strategischen Überlegungen miteinbezogen werden – die bargeldlose ÖV-Nutzung in Hamburg beispielsweise beruht auf einem «Check-in, be out»-System, d.h. die Kunden werden nicht automatisch erfasst, sondern müssen sich aktiv einwählen. Die Überlegung dahinter ist, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten, ohne ihn gleichzeitig zu entmündigen.

Bei all diesen Prozessen fallen massive Datenmengen an. In Hamburg sind es 260 Millionen Auskünfte über das Auskunftssystem, 4,5 Millionen Verkäufe mit Angabe von Start und Fahrziel, dazu 25 Millionen Fahrgastzähldaten, gemessen über Infrarotsensoren in den Fahrzeugen, und ab nächstem Jahr rund 700'000 eTicket-Kunden. Wie diese Daten am besten genutzt werden können, um daraus Erkenntnisse für die weitere bedarfs- und situationsgerechte Verbesserung des Angebotes zu ziehen, ist ein fortwährender Lernprozess. Dabei werden auch die Kunden selbst einbezogen. So hat die Hamburger Hochbahn dieses Jahr beispielsweise einen Mobility Hackathon veranstaltet, um Ideen der «normalen User» zu sammeln. Das Siegerteam entwickelte ein lasergestütztes System, welches Unregelmässigkeiten im Streckenverlauf erkennt. Der zweite Preis ging an die Entwicklung eines Chatbots, der dem Fahrgast bei der Fahrplanauskunft oder beim Ticketkauf hilft.

Die smarteste Strategie, dies Martin Bastians Schlussbotschaft, kann nur so gut sein, wie der Rückhalt, den sie in der Belegschaft hat. Digitalisierung und Innovation bedürfen auch neue und agile Prozesse: «Wir müssen als Unternehmen wirklich bereit sein, diesen Weg gemeinsam zu gehen.»

Das Referat von Martin Bastians finden Sie hier.

 

 

 

Martin Bastians

Martin Bastians ist Leiter Vertriebsplanung und Innovation bei der Hamburger Hochbahn AG.

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