asut-Bulletin
The World is getting smarter
Ausgabe
04/2021
Digitalisierung als Chance für die Umwelt

von Petra Zimmermann

Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) hat den Auftrag, Daten und Informationen bereitzustellen, die als Grundlage für umweltpolitische Debatten und Entscheide dienen können. Zu diesem Zweck erarbeitet das BAFU Beobachtungsprogramme und betreibt verschiedene Messnetze. Nationale Beobachtungsnetze bestehen zum Beispiel im Bereich Boden, Luftfremdstoffe, Hydrologie, Landschaft, Biodiversität und Lärm. Im Bereich Hydrologie erhebt das Amt die Daten selbst. Wie wichtig diese Daten sind, hat sich etwa beim letzten Hochwasser gezeigt.
 

In Zusammenarbeit mit dem Eidgenössischen Institut für Metrologie (METAS) hat das BAFU die hydrologischen Messstationen erneuert – darunter auch die Datenlogger, welche die gemessenen Werte der Sensoren speichern und weiterleiten. © Manuel Fercher

In allen anderen Fällen werden die Daten im Auftrag des BAFU von Forschungsinstituten oder privaten Büros gesammelt. Von den Kantonen oder von Privatunternehmen erhobene Daten werden vom BAFU zusammengeführt, harmonisiert und landesweit aggregiert. Bedingt durch die Vielzahl und Vielfalt der Umweltdaten werden diese sehr unterschiedlich erfasst, manche manuell, stichprobenartig und in grösseren zeitlichen Abständen, andere über Sensoren, hoher räumlicher Auflösung und fast in Echtzeit. Das BAFU stellt diese Daten in Form von Berichten (Publikationen) und in digitaler Form (Daten, Indikatoren, Karten) zur Verfügung. Neu besteht zudem ein Umweltdatenkiosk (visualize.admin.ch).

Umweltdaten noch schneller und besser nutzbar machen

Angesichts der Veränderungen aufgrund des Klimawandels oder des Verlusts an Biodiversität spielt die Aktualität der Daten eine immer grössere Rolle. Die heute existierenden Messnetze sind häufig spezifisch für einzelne Umweltbereiche konzipiert, etwa um die Luft- oder Wasserqualität festzustellen. In Zukunft müssen Umweltthemen ganzheitlich betrachtet und kombiniert werden. So können wir Zusammenhänge besser und schneller verstehen und Konsequenzen von Veränderungen simulieren, um die geeigneten Massnahmen schneller zu ermitteln und zielgerichtet einzusetzen. Idealerweise werden dazu manuelle Messungen mit Daten intelligenter Sensoren ergänzt oder ersetzt, neue Datenquellen, die bisher nicht berücksichtigt wurden genutzt, und Sensoren und Daten besser miteinander vernetzt. Um Sensoren ressourcenfreundlich einzusetzen, sollten bereits existierende Sensoren mitverwendet werden. Das können zum Beispiel Daten von digitalen Ökosystemen sein, die in Smart Cities oder im Bereich smarter Mobilität eine Rolle spielen. Indem nationale mit internationalen Daten zusammengeführt werden, sind ebenfalls neue Auswertungen und Aussagen möglich.

IoT im Bereich Mobilität, Wohnen und Ernährung

Laut Studien des BAFU sind die Konsum- und Produktionsbereiche mit den grössten Auswirkungen auf die Umwelt im In- und Ausland die Ernährung (28%), das Wohnen (24%) und die Mobilität (12%). Deshalb ist es naheliegend, gerade in diesen Bereichen verstärkt IoT-Sensoren, -Steuerungen und intelligente Algorithmen zu entwickeln und einzusetzen, die nicht nur messen, sondern Verbrauch und Emissionen anpassen oder Optimierungen vorschlagen. Beispiele im Bereich Mobilität können Sensoren und IoT-Geräte für multimodale Mobilität sein. Sie kombinieren die Daten der Luftqualität in Innenstädten, die Auslastung von Verkehrsmitteln und -wegen (Stauvermeidung), eigene Präferenzen sowie den CO2-Tagesverbrauch. Daraus generieren sie optimierte Vorschläge, um von A nach B zu kommen oder im Homeoffice zu arbeiten.

Beim Wohnen lassen sich in Zukunft die Emissionen ganzer Smart Cities optimieren, indem beispielsweise Wege für Wartungsarbeiten (Stadtwerke, Müllabfuhr), der Verkehr («Letzte Meile») und der Ressourcenverbrauch grossflächiger bekannt sind und mit Hilfe von Simulationen energieeffiziente Lösungen herbeigeführt werden können. Diese Messungen und darauf basierende Simulationen lieferen dann auch Daten für die Städteplanung der Zukunft (optimales Mikroklima für Grünanlagen, Altersheime etc.) und Gebäude können intelligenter und auch wiederverwertbarer als heute gebaut werden (z. B. digitaler «Materialpass»).

Bei der Ernährung reichen die Einsatzmöglichkeiten von IoT von der Kreislaufwirtschaft, über die Lieferkettenoptimierung, deren Transparenz (Kühlung, Emissionen, Sicherheit), bis hin zur Erzeugung von Lebensmitteln. Dazu gehört zum Beispiel «Precision farming», also der optimale Einsatz von Wasser, Dünger und Pflanzenschutzmitteln, sowie die Vermeidung von Food Waste oder der Hinweis auf ökologischere Alternativen.

Nachhaltige Sensoren?

Wenn man über den Einsatz von Sensoren zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Alltag spricht, muss man sich auch Gedanken zur Nachhaltigkeit der Sensoren an sich und den damit verbundenen Systemen machen. Wenn möglich, sollen bestehende Sensoren genutzt, gegebenenfalls erweitert, öffentlich nutzbar gemacht sowie vernetzt werden. Ausserdem sollten Lebenszyklen der IoT-Hardware und offene Standards für einen langen und breiten Einsatz entwickelt und der Verwendungszweck auf die Technologie, z. B. der Datenübertragung, abgestimmt werden. Intelligente Algorithmen und Sensoren können gezielt agieren oder Ergebnisse interpolieren und damit die Anzahl benötigter Sensoren auf ein vernünftiges Mass begrenzen.

Nachhaltigkeit sichtbar und begreifbar machen

Neben dem Einsatz von IoT und intelligenten Algorithmen zur Messung der Umweltdaten und Reduktion von schädlichen Emissionen in Smart Cities, sollte es vermehrt Lösungen geben, die uns als Individuen jeden Tag unterstützen und motivieren, einen Beitrag an den Schutz der Umwelt zu leisten. Gadgets, die uns via Nudging oder Gamification unterstützen, gesünder zu leben, sind heute sehr beliebt. Die Vermutung liegt nahe, dass mit Tools zur Nachhaltigkeit ähnlich positive Effekte erzielt werden könnten. Ich sehe solchen Innovationen aus der Softwareindustrie mit Spannung entgegen

Petra Zimmermann

Dr. sc. ETH Zürich Petra Zimmermann ist Vizedirektorin im Bundesamt für Umwelt BAFU und verantwortet dort die Themen Digitales, Daten und Umweltbeobachtung, Internationales, Recht, Personal, Finanzen und Sprachdienste. Die promovierte Physikerin hat sowohl in Startups als auch in Grosskonzernen an Digitalisierungsinitiativen zur Nutzung von Daten, neuen Technologien, u.a. auch IoT, gearbeitet.

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