Wer hat Angst vor dem selbstfahrenden Auto?

Der Mobilitätsforscher Peter de Haan hat im Auftrag von asut untersucht, was die Schweizer Bevölkerung von einer Zukunft mit automatisierten Fahrzeugen hält. Die wichtigsten Punkte aus seinem Referat von A bis Z.

 

Angst: Obwohl die Schweizer dem Einsatz von automatisierten Fahrzeugen im ÖV eher positiv gegenüberstehen, möchten sie im Individualverkehr das Steuer lieber nicht aus der Hand geben. Hier überwiegt die Angst im Bedarfsfall nicht eingreifen zu können. Technische Unterstützung beim Führen des Fahrzeuges findet hingegen grosse Akzeptanz.

Autobahn: hoch-automatisierte oder autonome Fahrzeuge dürften sich zuerst auf den Autobahnen durchsetzen. In Siedlungsräumen ist die Situation aufgrund des Mischverkehrs und dem hohen Verkehrsaufkommen deutlich komplexer.

Car sharing: Könnte in Verbindung mit dem autonomen Fahren zu einer Veränderung der Verkehrsorganisation und des individuellen Mobilitätsverhaltens führen. Wird allgemein und in den Medien als vielversprechender Zukunftstrend dargestellt. Schweizerinnen und Schweizer sind aber offenbar lieber allein im eigenen Auto unterwegs (siehe Geld).

Digitale Verkehrskontrollen: Die Idee, dass die Polizei das Verkehrsverhalten nachträglich kontrollieren könnte, finden die Befragten nicht besonders beunruhigend. Auch Hackerangriffe fürchten sie nicht besonders.

Fliegende Autos: Vollautonom ist ja gut und recht – aber wann fliegen die Autos endlich? Noch lange nicht, lautet die Antwort von Peter de Haan. Autos bleiben an die Grenzen der Physik gebunden und würden extrem viel Energie brauchen, um sich vom Boden zu lösen. Das wäre mit sehr viel Aufwand verbunden, äusserst teuer und bliebe deshalb höchstens Gutbetuchten vorbehalten.

Fünf Stufen der Automatisierung:

 

Geld: Autos sind heute eher Stehzeuge als Fahrzeuge. Um sie effizienter einzusetzen, wäre es klüger, sie gemeinsam mit anderen zu nutzen. Dass dies noch immer die Ausnahme ist, führt Peter de Haan darauf zurück, dass «offenbar das Geld und der Platz für den heutigen Zustand vorhanden sind». Erhöhen liesse sich der Sharinganteil seiner Meinung nach deshalb nur durch massiven Druck auf diese beiden Faktoren. Das bedeutet: Parkplätze verknappen und zwar auch im privaten Bereich. Und die Benutzung der Strasse verteuern.

Leerfahrten: Viele Strassen stossen schon heute an ihre Kapazitätsgrenze. Autonome Fahrzeuge könnten den Verkehr zwar teilweise flüssiger machen, sie würden aber auch ganz neue Nutzergruppen mobil machen und damit in den Verkehr einführen, so etwa Senioren, Jugendliche unter 18 Jahren oder Behinderte. Wenn Autos selber verkehren würden, also beispielsweise ihre Besitzer an den Bahnhof bringen und dann wieder nach Hause fahren oder Kinder von der Schule abholen, kämen zahlreiche Leerfahrten dazu. Das Verkehrsaufkommen dürfte also weiter ansteigen. 69 Prozent der Befragten sehen dies als «grosses» oder «sehr grosses» Problem des automatisierten Fahrens an.

Mobil im Alter: Dass autonome Fahrzeuge ältere Leuten dabei helfen könnte, viel länger mobil und unabhängig zu bleiben, sehen die Befragten aller Altersklassen als ihren grössten potentiellen Nutzen.

Nutzen: Schweizerinnen und Schweizer versprechen sich ausserdem von automatisierten und autonomen Autos weniger Stau. Dass sie auch sicherer sein dürften, ist ihnen weniger wichtig.

ÖV: Heute noch der Gegenpol zum motorisierten Individualverkehr. Doch auch der ÖV wandelt sich im Zeichen des autonomen Fahrens. Er wird zum Sammel- oder Verteilverkehr und zu seiner Flotte gehören autonome Bedarfsbusse, autonome Einzel- oder Sammeltaxis. 

Regulator: Bevor autonome Fahrzeuge ihre Stärken ausspielen können, braucht es gesetzliche Anpassungen durch den Regulator. Nur so ist führerloses Fahren möglich oder können vernetzt autonome Fahrzeuge quasi Stossstange an Stossstange fahren (Platooning).

Sinnvoll: Für die befragten Männer gehört zu den nützlichen Dingen, die autonome Autos tun können,  das «Kinder-in-die-Schule-bringen», Frauen hätten gerade hier grössere Bedenken. Gleich wie die Männer wüssten sie es hingegen sehr zu schätzen, wenn ihr Auto selber einen Parkplatz suchen würde.

Strassenverkehrsrecht : Bevor selbstfahrende Autos auf Schweizer Strassen rollen, muss das Zulassungsrecht angepasst werden.

Unterwegszeit (Nutzung der): Die mobilen und flexiblen Mitarbeitenden von heute, so eine gern zitierte Annahme, arbeiten wo sie stehen und gehen – und wären also sicher überglücklich, dies auch auf dem Arbeitsweg im autonomen Fahrzeug tun zu können. Die befragten Schweizerinnen und Schweizer sehen das in der Mehrheit etwas anders.  Von allen möglichen Vorteilen erhält «unterwegs arbeiten» am wenigsten Zuspruch.

Wenig Zustimmung: Völlig führerlose Fahrzeuge stossen bei der Schweizer Bevölkerung heute noch auf ähnlich wenig Zustimmung wie die Idee, den Benzinpreis um 50 Rappen zu erhöhen.

Zeit: Wir haben, laut Peter de Haan, zu wenig Zeit und zu viel Geld (siehe Geld). Deshalb lassen wir uns zurzeit kaum auf Car Sharing und Car Pooling ein.

Das Referat von Peter de Haan finden Sie hier.

Die Studie «Automatisierte und voll-autonome Fahrzeuge: Akzeptanz verschiedener Anwendungen in der Bevölkerung» hat als erste Erhebung in der Schweiz die Akzeptanz automatisierter und voll-autonomer Fahrzeuge nicht nur allgemein, sondern spezifisch für konkrete Anwendungsfälle untersucht. Die Einbettung in eine jährlich stattfindende, repräsentative Erhebung zu Mobilität und Autokaufverhalten machte es zudem möglich, die Antworten mit dem Mobilitätsverhalten der Befragten in Verbindung zu bringen.

Die Studie steht hier zum kostenlosen Download bereit.

 

 

Peter de Haan

Peter de Haan ist Partner beim Beratungsbüro EBP, Dozent und Gruppenleiter Energiepolitik und Mobilität an der ETH Zürich.